3:12 Minuten vor Ende des Spiels in Miami fängt Cornerback Tracy Porter einen Pass von Peyton Manning ab und trägt ihn über 74 Yards zum Touchdown. Die Entscheidung in Super Bowl XLIV - Endstand 31:17 für die New Orleans Saints. Grenzenloser Jubel gefolgt von einer wilden Party im Big Easy.
Dieser größte Moment der Franchise-Geschichte der Saints liegt nun auch schon mehr als zehn Jahre zurück. Seither reichte es zu vier weiteren Division-Titeln und sechs Playoff-Teilnahmen, einmal ging es sogar bis ins NFC Championship Game. Ein weiterer Super Bowl blieb dem dynamischen Duo dieser Organisation, Head Coach Sean Payton und Quarterback Drew Brees, aber verwehrt.
2020 soll es endlich wieder zum großen Wurf reichen, dafür hängt Brees noch ein Jahr an seine Hall-of-Fame-Karriere dran. "Ich bin für mein Team zurückgekommen und ich kam zurück, um diesen Super Bowl zu jagen", sagte Brees kürzlich gegenüber Reportern. Fairerweise sei jedoch erwähnt, dass diese Textpassage auch in den vorherigen ein bis zwei Jahren zugetroffen hätte. Brees jagt dem zweiten Super-Bowl-Titel schon länger hinterher und seit mindestens drei Jahren sind die Voraussetzungen dafür eigentlich immer sehr gut gewesen.
2017 war so etwas wie ein Wendepunkt für die Franchise. Mit gezielten Transfers und vor allem einem guten Händchen im Draft gelang es, das Team nach längerer Durststrecke wieder in die Erfolgsspur zu führen. Es gelang sogar der erste Division-Triumph seit 2011 und die erste Playoff-Teilnahme seit 2013. Zuvor legten die Saints drei 7-9-Saisons nacheinander hin.
Es war zugleich aber auch der Beginn einer insgesamt tragischen Periode in der Playoff-Geschichte von New Orleans.
New Orleans Saints: Albtraumenden 2017 und 2018
2017 endete mit dem "Minnesota Miracle", als Rookie-Cornerback Marcus Williams mit Führung und auslaufender Uhr im Divisional Game nicht nur den Tackle an der Seitenlinie gegen Vikings-Receiver Stefon Diggs verpasste, sondern auch noch einen Gegenspieler mit aus dem Spiel nahm und so Diggs ohne Mühe zum Touchdown und Sieg der Vikings lief. Eine Stufe frustrierender war dann der No-Call bei der klaren Pass Interference im NFC Championship Game gegen die Rams ein Jahr später, als Cornerback Nickell Robey-Coleman Wide Receiver Tommylee Lewis innerhalb der finalen zwei Minuten in der Red Zone vor Ankunft des Balles umnietete und keine Flagge sah. Die Rams gewannen schließlich in der Overtime nach einer Interception von Brees.
Die Pleite im Wildcard Game der Vorsaison wiederum war dann schlicht eine Blamage vor heimischer Kulisse gegen die Vikings, die wohl unterschätzt wurden.
New Orleans Saints: Saisonbilanzen seit Super Bowl XLIV
Saison | Siege | Niederlagen | Platzierung NFC South | Playoffs |
2010 | 11 | 5 | 2. | Wildcard Game |
2011 | 13 | 3 | 1. | Divisional Game |
2012 | 7 | 9 | 3. | - |
2013 | 11 | 5 | 2. | Divisional Game |
2014 | 7 | 9 | 2. | - |
2015 | 7 | 9 | 3. | - |
2016 | 7 | 9 | 3. | - |
2017 | 11 | 5 | 1. | Divisional Game |
2018 | 13 | 3 | 1. | NFC Championship Game |
2019 | 13 | 3 | 1. | Wildcard Game |
Unterm Strich waren die Saints zumindest mal 2018 und 2019 (jeweils 13-3) eines, wenn nicht das beste Team der NFC, sie standen am Ende allerdings stets mit leeren Händen da. Wenn es das jetzt gewesen sein sollte mit Payton und Brees, stünde letztlich nur ein Super-Bowl-Sieg für die beiden zu Buche. Zu wenig eigentlich angesichts der Leistungen in den gesamten gemeinsamen Jahren.
Die Offense der Saints zählt seit der Ankunft von Payton und Brees 2006 zu den Besten ihres Fachs. Seit 2006 zählten die Saints mit ihrer Offense laut Football Outsiders 13-mal zu den zehn effizientesten Offenses der Liga. Die 89.642 Yards sind zudem die meisten der NFL in diesem Zeitraum. Die Offense brachte es überdies auf den zweitbesten Punkteschnitt (27,9) und die zweitmeisten First Downs (5083) in dieser Zeit.
Doch trotz der hervorragenden Offense-Statistiken blieb es bei nur einem Super Bowl.
New Orleans Saints: Hoffnungsträger Emmanuel Sanders
Um 2020 den nächsten Anlauf starten zu können, wurde erneut am Personal gefeilt. Neu ist vor allem Wide Receiver Emmanuel Sanders, der Brees erstmals seit Jahren wieder eine formidable zweite Top-Option im Passspiel gegenüber vom ultrazuverlässigen Michael Thomas gibt. Wie genau Sanders dann eingesetzt wird, ist mangels Mini-Camps und einem äußerst ungewöhnlichen Training Camp nur schwer zu sagen, allerdings schwebt den Saints wohl ein Revival des Sanders von 2014 vor, seiner mit Abstand besten Saison in der NFL (101 REC, 1404 YDS, 9 TD).
"Ich habe damals richtig starke Zahlen aufgelegt, weil es eben eine sehr Pass-lastige Offense war", sagte Sanders gegenüber Reportern. "Die Broncos von 2014 waren wahrscheinlich die einzige Pass-lastige Offense, in der ich jemals gespielt habe", ergänzte Sanders und dürfte damit richtig liegen. Seither setzten die Broncos eher auf den Lauf, ebenso die 49ers, die für ihn im Laufe der Saison 2019 getradet hatten.
Auch 2014 hatte Sanders mit Demaryius Thomas auf der anderen Seite eine klare Nummer eins neben sich, sodass er als Nummer zwei zumeist den schwächeren der beiden Cornerbacks gegen sich sah. Um die Parallelen zu damals abzurunden, bekam er damals seine Pässe ebenfalls von einem künftigen Hall-of-Fame-Quarterback, Peyton Manning.
Wie viel Sanders noch im Tank hat, gerade im Vergleich zu damals, wird sich zeigen, dass er das Passspiel der Saints aber variabler machen wird, dürfte feststehen.
Brees wiederum erinnert Sanders an Manning: "Niemand arbeitet härter als er. Er ist derjenige, der am härtesten arbeitet und er erinnert mich sehr viel an Peyton. Der Grund, warum diese Jungs großartig sind, ist, dass sie wie verrückt arbeiten."
New Orleans Saints: 60 Yards als Ziel
Für Brees hieß das in dieser Offseason trotz Corona, sein Repertoire auch mit seinen nunmehr 41 Lenzen noch zu verbessern. Nicht nur arbeitete Brees an seiner Beinarbeit, er konzentrierte sich auch auf seine Wurfkraft. Mit QB-Guru Tom House ging es um ein klares Ziel: 60-Yard-Pässe!
Brees mag die meisten 5000-Yard-Saisons in der Geschichte der NFL haben (5), aber Deep Balls waren noch nie seine Stärke. Im Vorjahr warf er nur 29 Pässe, die mindestens 20 Yards flogen. Ein Trend, der seit 2015 stetig bergab ging. Brees wirft im Schnitt die viertkürzesten Pässe der Liga (6,7 Average Intended Air Yards) und bringt im Schnitt auch nur Pässe über 5,2 Air Yards zum Mann. Und sein längster vollständiger Pass in der Vorsaison flog 42,8 Air Yards - damit liegt er auf dem letzten Platz der NFL. Entsprechend macht die Zielsetzung, 60 Yards zu werfen, durchaus Sinn.
Selbstredend ist das auch systembedingt. Der letztjährige Backup Teddy Bridgewater hatte seinen längsten angekommenen Pass auch nur über 45,4 Air Yards. "Wenn sich die Gelegenheit ergibt, lass ich ihn fliegen. Wenn nicht, dann nehme ich einen Checkdown und erlebe das nächste Play", umschrieb Brees die Philosophie der Offense. Dennoch räumte er ein, dass er manchmal auch gern kürzere Touchdown-Drives mit einem Deep Ball hinlegen würde. Allerdings fuhren die Saints zumeist gut mit eher längeren Drives und kürzeren Plays.
Ein weiterer Aspekt dieser Offense, der sich im Vergleich zum Vorjahr verbessert haben dürfte, ist das offensive Backfield. Hier nämlich erlebte Running Back Alvin Kamara ein über weite Teile eher schwächeres Jahr. Er hatte letztlich zwar ähnlich viele Touches wie 2018, doch die Produktion ging zurück - aus 18 Total Touchdowns wurden 6, aus 1592 Scrimmage Yards nur noch 1330. Der Grund dafür ist nun aber auch bekannt: Der Runnning Back spielte ab Woche 6 im Prinzip mit einem gerissenen Innenband im Knie, wie er nun verriet.
New Orleans Saints: Hall of Fame für Brees beschlossene Sache
Das führte auch dazu, dass er lange Zeit mit angezogener Handbremse agierte: "Es waren sehr viele Situationen, in denen ich mir dachte: 'Nimm, was Du kriegen kannst, geh zu Boden und versuche, nicht zu viel zu machen', denn ich hätte möglicherweise mein Knie noch schlimmer verletzen können oder es war einfach zu schmerzhaft, auch nur an einen weiteren Move zu denken." Doch das liege nun hinter ihm: "Ich bin jetzt wieder gesund", erklärte Kamara.
Letztlich ist das Waffenarsenal um Brees also nochmal besser geworden, was die Erwartungen in New Orleans nicht unbedingt dämpfen wird. "Wir wissen, dass wir um den Super Bowl spielen. Den Super Bowl zu gewinnen war das Ziel, seit ich hier ankam und das ist es immer noch", sagte Michael Thomas. Offensive Tackle Terron Armstead wurde noch deutlicher: "Wenn wir den Super Bowl nicht erreichen, war diese Saison ein Misserfolg."
Doch gilt das auch für Brees und Payton, die die heutige Version der Saints seit ihrer Ankunft überhaupt erst ermöglicht und von Grund auf neu aufgebaut haben? Sicherlich nicht. Ihre Legacy dürfte in dieser Stadt in Stein gemeißelt sein. Super Bowl oder nicht - Brees wird eines Tages in der Hall of Fame landen. Payton vielleicht auch, doch ihm könnte ein fehlender zweiter Ring am Ende zum Verhängnis werden, obgleich es Tony Dungy oder Bill Cowher auch mit nur einem Ring nach Canton/Ohio schafften.
Das vordergründige Ziel für die diesjährigen Saints ist es aber nicht, Coach Paytons Hall-of-Fame-Aufnahme zu zementieren. Vielmehr geht es darum, ihrem Quarterback das Hollywood-Ende zu bescheren, das zuletzt Peyton Manning 2015 gelang. Das Personal dazu haben sie jedenfalls.