Third and Long Week 3: "Haben wir uns bei den Packers geirrt?"

Von Adrian Franke
30. September 202012:34
SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt in seiner wöchentlichen Kolumne zurück auf den Spieltag in der NFL.imago images/Jason Pohuski
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Die Houston Texans gehen gegen Pittsburgh in der zweiten Hälfte baden - weil sich altbekannte Schwächen wieder melden. Außerdem: Wurden die Green Bay Packers falsch eingeschätzt? Was war los mit Kyler Murray? Und welche Rookies überraschten über die ersten drei Wochen? Die Kolumne zum Spieltag.

Houston, wir haben ein Problem

Eigentlich schien die Texans-Offense gegen Pittsburgh auf einem guten Weg zu sein. Nach dem brutalen Auftaktprogramm mit den Chiefs und den Ravens legte Deshaun Watson drei Touchdown-Drives in der ersten Hälfte hin, Houston führte mit 21:17 und schien auf bestem Wege, endlich in der Saison anzukommen.

Mehr noch, die Texans hatten scheinbar endlich einen Plan, wie sie ihren Speed aufs Feld bringen und vertikal attackieren können, mehrere sehenswerte Plays brachten Watson und Co. in der ersten Hälfte auf den Rasen.

Dann allerdings folgte der Einbruch.

Watson kassierte drei der fünf Sacks in der zweiten Hälfte, die Texans hatten nach der Pause noch vier Drives - nur einer davon brachte mehr als sechs Yards Raumgewinn.

Ein Armutszeugnis für ein Team, dessen Stärke ganz klar die Offense, und noch konkreter das tiefe Passspiel sein müsste. Pittsburgh selbst brannte offensiv keineswegs ein Feuerwerk ab, doch zwei vernünftige Drives reichten angesichts der kompletten Harmlosigkeit der Texans-Offense, um die Partie in der zweiten Hälfte zu drehen.

Das wiederum wirft die Frage auf: Warum genau ging Houstons Offense wie auf Knopfdruck derart baden?

Houston Texans: O-Line wackelt, Watson zögert

Das erste Third Down - und wenig später der erste Punt - nach der Pause kam nach wenig erfolgreichen Runs bei First und Second Down. Die Steelers brachen mit dem 4-Men-Rush schnell mit gleich zwei Spielern durch, Watt hatte mit einem Spin-Move nach innen gearbeitet und so den Weg für Stephon Tuitt außen frei geräumt.

Watson hätte potenziell Will Fuller mit einer In-Breaking-Route bedienen können, konnte gegen den Druck aber weder durch seine Reads gehen, noch seine Füße neu positionieren. So blieb nur der Dump-Off zum Running Back, der drei Steelers hätte stehen lassen müssen, um zum First Down zu kommen.

Zumindest in Teilen wiederholte sich das beim nächsten Drive:

SPOXNFL Gamepass

Dieses Mal endete der Drive direkt mit einem Sack und wieder war es der 4-Men-Rush, der schnell durchbrach und Watson zu einer schnellen Entscheidung zwang.

Dabei allerdings offenbarte Watson auch ein inzwischen bekanntes Problem.

Die Texans hatten bei diesem kurzen Third Down eine Rub Route auf der linken Seite der Offense, der Receiver räumte den Weg frei für den Running Back. Eigentlich eine Möglichkeit, den Ball schnell loszuwerden, ehe der Verteidiger um seinen Gegenspieler herum gearbeitet hat. Doch statt seinen Dropback durchzuführen und den Ball schnell raus zu feuern, tänzelte Watson schon beim letzten Schritt des Dropbacks und trat dann in die Pocket - wo einer der Defensive Tackles bereits auf ihn wartete.

Auch der nächste Sack ging auf Watsons Kappe.

SPOXNFL Gamepass

Nach einem 14-Yard-Pass zu Fuller hatte Watson - abermals gegen den 4-Men-Rush - sogar Zeit. Doch wieder ließ er mögliche Optionen für einen kurzen Pass ungenutzt, und dieses Mal trat er sogar in die Defensive Line, statt die Pocket, die die Offensive Line dieses Mal kreiert hatte, zu nutzen.

Watson nahm dann die Augen runter und versuchte eher, mit einem Scramble noch etwas raus zu holen, kam damit aber gerade so zurück zur Line of Scrimmage.

Und so endeten die Drives oftmals sehr schnell. Houston versuchte, am Run Game festzuhalten, brachte sich damit aber meist nur in lange Second und Third Downs - bei denen wiederum Watson und die Offensive Line nicht gut aussahen.

Trotzdem hätte Houston mit seinem letzten Drive zumindest noch ausgleichen können - doch diese Chance schrumpfte schon auf ein Minimum, als Watson bei First Down elf Yards im Backfield von Watt zu Boden geworfen wurde.

In dem Fall ist es jedoch schwierig, Watson einen Vorwurf zu machen: Sein Right Tackle war bereits geschlagen, bevor Watson seinen Drop komplett beendet hatte. Und abermals hatte Pittsburgh mit dem 4-Men-Rush für einen Drive-Killer gesorgt.

Können die Texans das Ruder noch herumreißen?

Zu alledem kamen altbekannte Texans-Probleme. Houstons Run-Defense war extrem löchrig, gleichzeitig konnten die Texans selbst den Ball so gar nicht laufen.

Doch dass sich die offensiven Probleme fortsetzen, ist der wahre Grund zur Sorge. Die in der Vorsaison eigentlich merklich stabilisierte Offensive Line wirkt wackliger und Watson selbst, bei all seinen Qualitäten als Quarterback, ist einfach für zu viele Pressures und Sacks selbst verantwortlich, weil er sich in der Pocket falsch entscheidet, weil er den Ball zu lange hält, weil er schnelle Pass-Konzepte auch gerne mal liegen lässt.

Wenn diese beiden Dinge zusammenkommen, kann eine Offense schnell gehörig Sand im Getriebe haben, und genau das war bei den Texans am Sonntag in der zweiten Hälfte zu sehen.

Houston steht jetzt 0-3, mit Spielen gegen die Vikings, Jaguars und Titans vor der Brust. Steht man danach bei 3-3, ist in einer Division ohne ein alles dominierendes Team noch einiges möglich. Die Zeit für Fehltritte allerdings ist, wörtlich wie sprichwörtlich, jetzt vorbei.

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Packers, Rookies, Giants und Playoffs - Eure Fragen

Andreas Castro: Haben wir uns bei den Packers geirrt? Haben sie letztes Jahr nicht über ihren Möglichkeiten gespielt, sondern waren real?

Den zweiten Teil der Frage würde ich mit einem klaren Nein beantworten. Die 2019er Packers haben letztlich deutlich mehr Siege eingefahren als die Leistungen auf dem Platz nahegelegt hätten. Das war ein inkonstantes Team mit einigen sehr glücklichen Siegen und wenigen überzeugenden Auftritten gegen die Top-Teams der Liga. Green Bay 2019 war grob zusammengefasst ein 10-Siege-Team, das 13 Spiele gewonnen und dann ein gutes Playoff-Spiel gegen ein Seahawks-Team, das sich zusätzlich selbst im Weg stand, abgeliefert hat.

Und trotzdem muss man nach drei Spielen sagen, dass die Packers bislang über drei Spiele deutlich besser spielen als ich erwartet hatte - beziehungsweise, man muss es eingrenzen: Aaron Rodgers und Matt LaFleur sind ein gutes Stück besser als gedacht, und hier lag ich selbst vor der Saison offensichtlich daneben.

LaFleur überrascht mich komplett mit seinem Play-Calling. Die Play-Action-Designs sehen exzellent aus, Green Bay kommt so zu seinen Big Plays und hat aber auch ein ausgeprägtes Kurzpassspiel via Play Action für einfache Completions und Yards nach dem Catch aufgezogen, und alles funktioniert extrem gut zusammen - das ist auch ein maßgeblicher Grund dafür, dass Green Bay, zudem hinter einer exzellenten Offensive Line, ein extrem gutes Run Game aufziehen kann.

Das hier etwa ist exemplarisch der Deep Shot zu Allen Lazard, kurz vor Green Bays erstem Touchdown:

SPOXNFL Gamepass

Green Bay kommt bei First Down in einer typischen Run-Formation raus. Alles ist eng in der Mitte des Feldes komprimiert, und Green Bay gibt der Defense jede Menge Aspekte, die diese verarbeiten muss. Die Motion von links nach rechts beim Snap als potenzielle Ballübergabe, dann der angetäuschte Run nach rechts - die Saints-Defense reagiert, die Verteidiger machen unweigerlich mit dem Flow des Play-Designs einige Schritte zur Seite.

Das reicht, um Lazards Speed zünden zu lassen. Als sein Gegenspieler Marshon Lattimore merkt, was wirklich passiert, muss er bereits Boden auf den Receiver gut machen - und schafft das nicht mehr. Zwei Plays später standen die Packers in der Endzone.

Dazu ist eine Befürchtung mitnichten eingetreten, ganz im Gegenteil: Die Packers haben keineswegs den Schritt hin zu einer Run-First-Offense unternommen, sondern sind in neutralen Spielsituationen über die ersten drei Wochen eines der Pass-lastigeren Teams in der NFL. Um genau zu sein sind sie nach den Seahawks (wie wir natürlich alle dachten) Platz zwei, was Pass-Frequenz in neutralen Spielsituationen angeht.

Und dann ist da Rodgers selbst, der auf einem Level spielt, das ich ihm über mehrere Spiele so nicht mehr zugetraut hatte. Beide diese Dinge spielen natürlich zusammen - im Sinne von: Rodgers profitiert von dem, was LaFleur entwirft -, aber Rodgers' individuelle Klasse gerade bei Würfen in engste Fenster ist überdeutlich sichtbar. Und sie ist wichtig, denn bei allem Lob für LaFleur und für die Play-Designs ist auch klar zu beobachten: Die Packers brauchen diese Play-Designs und Rodgers in Topform, denn abgesehen von Davante Adams fehlen Green Bay wie befürchtet die Receiver, die konstant Eins-gegen-Eins-Duelle gewinnen würden.

An diesem Punkt lässt sich an die Offseason-Kritik anknüpfen, die ich nach wie vor für berechtigt halte, auch wenn die Packers eine der Positiv-Überraschungen dieser Saison sind - beide diese Dinge können zutreffen.

A.J. Dillon in Runde 2 und Josiah Deguara in Runde 3 zu wählen und abgesehen von Devin Funchess, der sich schließlich für einen Opt-Out entschied, nichts für die Receiver-Gruppe zu machen sind nicht plötzlich gute Entscheidungen, nur weil die Offense besser funktioniert als erwartet. Und obwohl die Offense bisher gut aussieht, war eben auch schon sichtbar, dass die individuelle Receiver-Qualität noch ein Thema werden kann.

Und so sind die Packers ein Team, das wunderbar versinnbildlicht, dass Analyse nur sehr selten mal strikt schwarz-weiß gesehen werden sollte. LaFleur und Rodgers gehören für mich zu den größten positiven Storylines dieser noch jungen Saison - und wie gut könnte die Offense noch werden, wenn man ernsthafte Ressourcen in einen Nummer-2-Receiver investiert hätte? Denn, und hier kann man den Bogen zum Einstieg schlagen: Die Defense ist nach wie vor ziemlich, ziemlich inkonstant. Green Bay kann sich nicht darauf verlassen, dass die Defense das Team tragen wird, sollte die Offense irgendwann für einige Spiele einen Durchhänger haben.

Prämiumsender: Welches 3-0-Team verpasst die Playoffs?

Die Chicago Bears sind hier die offensichtliche Antwort. Am Ende fragt erst einmal niemand, wie genau man seine Spiele gewonnen hat - wenn es aber darum geht, den weiteren Saisonverlauf vorherzusagen, dann spielt das "Wie" sehr wohl eine Rolle.

Die Bears hatten gegen Detroit eine späte Aufholjagd, als die dezimierte Lions-Defense in Coverage komplett eindimensional wurde und selbst dann muss Detroit das Spiel mit dem Pass zu De'Andre Swift eigentlich gewinnen. Es folgte ein unspektakulärer Sieg gegen ein sehr schwaches Giants-Team, sowie jetzt dieser Erfolg in Atlanta. Nochmal: Ein Sieg ist ein Sieg für die Tabelle, aber nichts von dem, was die Bears bisher machen, scheint sonderlich stabil für den Rest der Saison zu sein.

Ich sehe Nick Foles mit Blick auf die weiteren Partien als Upgrade gegenüber Trubisky, doch die Leistungen der Bears legen nicht nahe, dass hier ein ungeschlagenes Team steht - und die Verletzung von Tarik Cohen hilft natürlich wenig. Chicago, da bleibe ich bei meiner Preseason-Prognose, wird sich am Ende im grauen Mittelfeld einfinden und rund acht Spiele gewinnen.

Ansonsten würde ich unter den 3-0-Teams noch Tennessee herausstellen. Die Titans wackeln defensiv einfach enorm, sodass auch die Rückkehr von Adoree' Jackson nicht alles wieder ins Lot rücken wird. Und die Offense ist in Ordnung, gegen Minnesota gab es endlich auch mal wieder zwei tiefe Big Plays, insgesamt aber war es alles andere als ein gutes Spiel gegen ein sehr wackliges Vikings-Team.

Nicht nur könnte Left Tackle Taylor Lewan jetzt ausfallen, auch die Rückkehr von A.J. Brown ist weiter offen und generell läuft Tennessees Offense noch nicht so rund und effizient wie in den Hochphasen der vergangenen Saison. Tannehill zeigt Licht und Schatten und das Run-Game ist bestenfalls solide. Setzt sich das alles fort, werden die Colts die Lücke zu den Titans auch in der Tabelle bald schließen.

GerryG: Muss ich mir Sorgen um das Passspiel von Kyler Murray machen?

Von "Sorgen" darf man noch ein gutes Stück weit weg sein, und doch gibt es einen klaren Aspekt, in dem Murray besser werden muss: Er muss konstanter darin werden, die Coverage nach dem Snap zu lesen, wenn die Defense sieben (oder acht) Verteidiger in Coverage zurückfallen lässt.

Anders gesagt: Die meisten von Murrays gravierenden Fehlern als Passer kommen gegen einen 4-Men-Rush, wenn die Defense darauf bedacht ist, möglichst viele Räume in Coverage zuzustellen.

Gegen Detroit kam die zweite Interception so, als er aus komplett sauberer Pocket den Ball überhastet in ein Fenster warf, das nicht da war, und Jamie Collins den Ball abfing. Den dritten Pick warf er zwar, nachdem er Pressure ausgewichen war, doch auch hier hatte er außerhalb der Pocket Zeit und warf leicht in den Rücken von Hopkins, sodass Jeff Okudah die Lücke schließen konnte. Und eine vierte Interception hätte er haben müssen, als er wieder aus sauberer Pocket zu spät über die Mitte warf und womöglich seinem Arm zu sehr vertraute.

Inkonstantes Passing aus sauberer Pocket war bereits in seiner Rookie-Saison ein Thema, und hier muss sich Murray noch deutlich steigern. Gleichzeitig aber sah die Offense gegen die Lions phasenweise auch wieder sehr gut aus und bewegte den Ball mühelos.

Um ein ernsthaftes Wort unter den Playoff-Anwärtern mitzureden, muss die Offense konstant auf einem hohen Level spielen. Und das beginnt - bei allen Big Plays die, er als Runner liefert, und bei all den sehenswerten Pässen, die er auch gegen Detroit wieder hatte - bei Murrays Konstanz. Arizona braucht eine konstante Base-Line, und die wiederum kommt über die Production aus einer sauberen Pocket.

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Simon, YaSte und Burton77767: Welches sind deine Top-5-Rookie-Überraschungen nach 3 Spielen?

Mit "Überraschungen" fallen Spieler wie CeeDee Lamb, Joe Burrow oder auch Chase Young für mich hier raus - dass diese Spieler schnell gut sein würde,n war zu erwarten, und bisher haben sie diese Erwartungen auch erfüllt. Auch Bears-Corner Jaylon Johnson und Bucs-Safety Antoine Winfield hatte ich hoch auf der Liste, und auch die beiden hatten sehr, sehr gute Starts in ihre Rookie-Saison.

Positiv überrascht dagegen bin ich bisher von:

Justin Herbert, QB, Chargers: Das Debüt gegen die Chiefs war eine der Positiv-Überraschungen der bisherigen Saison. Herbert attackierte - wie auch gegen die Panthers am Sonntag - aggressiv Downfield, wenn er die Chance hatte, ging durch seine Reads und gab der Chargers-Offense ein komplett anderes und deutlich besseres Gesicht als sie es mit Tyrod Taylor in der Woche davor gezeigt hatte. Einige "Rookie-Fehler" gab es in beiden Spielen, doch jetzt gilt es aus Chargers-Sicht, an die positiven Punkte anzuknüpfen. Gegen die Panthers wurde L.A. offensiv sehr vorsichtig, setzte viel auf Screens und wollte lange Drives zusammen basteln. Besser beraten wäre man aber vermutlich, wenn Herbert seinen Arm im vertikalen Passspiel häufiger nutzen darf.

Mekhi Becton, OT, Jets: Musste am Sonntag gegen die Colts verletzt raus, bis dahin war er in einer Saison voller Finsternis der eine große - im wahrsten Sinne des Wortes - Lichtblick bei den Jets. Becton, physisch ein absolutes Monster, wirkte vor dem Draft wie ein Tackle, der einfach aufgrund seiner Physis im Run-Blocking funktionieren sollte, im Pass-Blocking aber noch Nachholbedarf hat. Bislang allerdings war er in der Summe der beste Offensive Lineman für Gang Green und wirkte ein gutes Stück weiter als gedacht. Egal, wer 2021 Quarterback für die Jets spielen wird - in Becton scheint New York seinen Left Tackle gefunden zu haben.

Laviska Shenault, WR, Jaguars: Das generelle Talent bei Shenault war nicht die Frage; die Frage war am ehesten, inwieweit sich seine Stärken auf die NFL übertragen würden. Im College war er ein echtes Schweizer Taschenmesser, wurde überall eingesetzt und war sehr häufig das primäre Target bei wie für ihn designten Plays. Mit dem Ball in der Hand ist er wie ein Running Back, gleichzeitig kann er auch als isolierter Receiver Downfield gewinnen. Damit seine Stärken voll zur Geltung kommen, braucht es aber eine sehr spezifische Rolle - in Jacksonville hat er diese vom Start weg erhalten. Jay Gruden setzt Shenault genau auf diese Art ein: Mal als Running Back aus dem Backfield, mal im Slot, dann wieder bei Jet Sweeps und im nächsten Moment als isolierter X-Receiver. Das Spiel gegen die Dolphins unterstrich, dass Jacksonville Nummer-1-Receiver D.J. Chark braucht, um offensiv zu funktionieren - in diesem Tandem aber kann Shenault noch eine sehr gute Rookie-Saison spielen.

Antonio Gibson, RB, Washington: Gibson war eine der größeren Wildcards dieser Draft-Klasse. Ein Receiver, der im College vereinzelt als Runner eingesetzt wurde, kaum aber eine traditionelle Running-Back-Rolle bekleidete. In Washington waren sie offenbar optimistisch, dass er diese ausfüllen kann, und bisher rechtfertigt Gibson dieses Vertrauen. Die Statur dafür hat er ohnehin, doch Gibson hat auch bereits ein besseres Gefühl für Lücken und dafür, wie sich die Blocks vor ihm entwickeln, wenn er "klassisch" aus dem Backfield den Ball erhält, als erwartet. Jetzt muss Washington ihn nur noch im Passspiel besser und vielseitiger einsetzen, ihn häufiger auch mal in den Slot und nach außen ziehen, damit er auch wirklich diese Matchup-Waffe werden kann.

Javon Kinlaw, DT, 49ers: Ich mochte Kinlaw zwar Pre-Draft ziemlich, dachte aber, dass er deutlich mehr Zeit brauchen würde, um sich in der NFL zurechtzufinden. In der Run-Defense sieht man die Probleme auch nach wie vor, doch was er bereits als Pass-Rusher zeigt, ist mehr als ansprechend. Dass Kinlaw in seiner Rookie-Saison kein 1:1-Ersatz für DeForest Buckner sein kann, war absehbar - dass er den Niners aber seit dem ersten Spiel eine echte Interior-Pass-Rush-Präsenz gibt, könnte im Zuge der Ausfälle in der Defensive Line noch eine sehr große Rolle spielen.

Niko Backspin und Niklas Sonnenschein: Was machen die Giants falsch?

Man müsste es mit der traurigen Gegenfrage beantworten: Wo sind die Lichtblicke? Was gibt Hoffnung? Denn aktuell sehe ich ein Team, das auf der Stelle tritt - und ich habe nicht allzu viel Optimismus, dass sich das im Laufe dieser Saison gravierend ändern wird.

Die Offensive Line ist ein Problem, und selbst falls sich Rookie Andrew Thomas stabilisiert - abgesehen von Kevin Zeitler bleiben die anderen Spots Wackelkandidaten, insbesondere in Pass-Protection. Jason Garrett wirkt sehr vorsichtig, das Run-Game aber funktioniert überhaupt nicht und bei Daniel Jones häufen sich Woche für Woche schon wieder die Turnover.

Dann ist die Coverage weitestgehend wacklig, es fehlt die individuelle Qualität im Pass-Rush. Kurzum: Das ist einer der schwächsten Kader der Liga, zwar mit einzelnen positiven Ausreißern auf den offensiven Skill-Positionen sowie defensiv etwa in Person von Dexter Lawrence. Und ich sehe ein Risiko, dass die Giants nach diesem Jahr in einen radikalen Neustart gehen müssen. Mit neuem GM und potenziell auch neuem Coach sowie neuem Quarterback.

Die andere große Frage lautet: Was passiert, sollten die Giants den Nummer-1-Pick haben? Jones scheint intern ein hohes Standing zu haben - würde Dave Gettleman selbst bei einer derart verkorksten Saison im Amt bleiben? Und falls ja: Würde er dann sein Veto zugunsten von Daniel Jones einlegen?

Denn auch wenn Jones für mich in seiner bisherigen NFL-Karriere schon mehr positive Aspekte gezeigt hatte als ich erwartet habe, ist er nach wie vor einer der schlechtesten Starting Quarterbacks der Liga. Jones sollte keine Rechtfertigung dafür sein, sich einen Trevor Lawrence entgehen zu lassen.

Florian Braun: Wie werden wir Ende der Saison über Wentz, Darnold und Haskins denken?

Über Wentz hatte ich bereits gestern nochmals ausführlicher geschrieben, in meinen Augen beginnen für ihn jetzt die Wochen der Wahrheit. Die Eagles spielen jetzt gegen die 49ers, die Steelers und die Ravens - allesamt schwierige Aufgaben, doch die Chance, sich gegen eine machbarere Defense wieder in die Spur zu bringen, hat Wentz gerade gegen die Bengals liegen lassen.

Es ist somit alles andere als ausgeschlossen, dass Philadelphia ohne Sieg in das Woche-7-Duell mit den Giants geht, und sollte Wentz in den Spielen gegen deutlich unangenehmere Defenses nicht das Ruder herumreißen, wäre spätestens das ein Punkt, an dem man sehr ernsthaft über einen Quarterback-Tausch sprechen müsste. Die Saison wäre an dem Punkt selbstredend gelaufen und in Philadelphia wird man sich die Frage stellen müssen: Ist Wentz wirklich der Franchise-Quarterback?

Denn hier ist die ganz nüchterne Wahrheit: Wentz war über drei seiner ersten vier NFL-Jahre solide bis gut, mit einem krassen Ausreißer nach oben 2017. Doch nicht nur ist diese Saison jetzt drei Jahre her, Wentz war in jener 2017er Saison auch in allererster Linie schlichtweg herausragend bei Third Down - eine "Qualität", die statistisch selten über einen längeren Zeitraum auf einem so extremen Level bleibt. Also, was haben die Eagles in Wentz wirklich? Ich sehe die nächsten Wochen als ganz entscheidend für die Beantwortung dieser Frage - und war noch nie pessimistischer was Wentz' Bewertung angeht.

Zu Darnold und Haskins: Haskins ist bislang einer der schlechtesten Quarterbacks dieser Saison. Fraglos unter schwierigen Umständen, doch sollte Washington am Ende im Draft die Chance auf eines der Top-QB-Prospects haben, dürfte Haskins unter dem neuen Trainerstab und generell der neuen Führungsriege wenige Fürsprecher haben.

Ähnliches Bild mit Darnold. Ich gehe fest davon aus, dass die Jets im Frühjahr einen Top-3-Pick und einen neuen Coach haben werden. Und auch wenn Darnold in einzelnen Highlight-Plays sein theoretisches Potenzial nach wie vor andeutet, reicht das einfach nicht, um ihm dann nach drei Jahren nochmals eine Chance zu geben und dafür die Gelegenheit auf eines der Top-Quarterback-Prospects im Draft verstreichen zu lassen.