1. Bosa, Garoppolo, Mostert: Wie geht es weiter für die 49ers?
"Ist die Saison für San Francisco im Prinzip gelaufen?"
Keine Frage kursierte nach dem Sonntag häufiger in den sozialen Medien - und das war durchaus verständlich. Die Niners wurden auf dem unbeliebten Geläuf des New Yorker MetLife Stadiums besonders hart von Verletzungen getroffen: Solomon Thomas und Nick Bosa haben sich je voraussichtlich das Kreuzband gerissen, Running Back Raheem Mostert hat eine leichte Knieblessur erlitten und Quarterback Jimmy Garoppolo droht eine Zwangspause von vier bis sechs Wochen aufgrund einer Knöchelverletzung.
All das zusätzlich zu Wide Receiver Deebo Samuel, der infolge seines Offseason-Fußbruchs wohl einen leichten Rückschlag hatte und weiterhin ausfällt, Richard Sherman, der auf die Injured-Reserve-Liste gesetzt wurde und George Kittle, dessen Knieverletzung ihn vorübergehend außer Gefecht setzt.
Bei den Verletzungen aus dem Jets-Spiel stechen zwei Namen selbstredend besonders hervor: Bosa war als Rookie bereits ein Top-10-Edge-Rusher und ein elementarer Mitgrund dafür, dass San Franciscos Defense im Vorjahr einen Quantensprung machte. Und dann ist da Garoppolo, der gegen Arizona einen schwachen Saisonstart hatte, sich gegen die Jets aber schon deutlich besser präsentierte.
Zweifellos ist Shanahan einer der besten Offense-Coaches in der NFL, gerade auch wenn es darum geht, Quarterbacks die Arbeit so leicht wir möglich zu machen - dennoch wird San Francisco hier mit Nick Mullens einen deutlichen Leistungsabfall spüren, insbesondere über einen längeren Zeitraum. Defensiv derweil stellte sich ohnehin die Frage, ob die Secondary ihre starke Vorsaison wiederholen kann - ohne Bosa, ohne Thomas und ohne DeForest Buckner, der in der Offseason nach Indianapolis abgegeben wurde, wird man nicht das Sicherheitsnetz eines dominanten 4-Men-Rushs haben. Das könnte die Coverage notgedrungen eindimensionaler und die Defensive so insgesamt anfälliger machen.
Ist die Saison für den amtierenden NFC-Champion also bereits nach zwei Spielen mehr oder weniger gelaufen, zumindest was die ganz großen Ziele angeht? Die realistische Einschätzung, sollten sich die Diagnosen bestätigen, muss wohl Richtung Ja gehen. Shanahan kann Offense kreieren, doch auch er hat eine negative Head-Coach-Bilanz ohne Garoppolo. Und ohne eine dominante Defense wird die Offense noch stärker unter Druck stehen.
Die Niners werden selbst dann noch Spiele gewinnen über die nächsten fünf Wochen - unter anderem die Giants und Dolphins stehen demnächst an -, doch nicht mit der notwendigen Konstanz. Die realistischste Prognose: In einer sehr kompetitiven Division und Conference wird San Francisco in sechs Wochen bereits zu weit zurückliegen.
2. Herbert und wie die Chargers die Chiefs ärgerten
Es war definitiv der kurioseste Start in ein Spiel am Sonntag: Im Prinzip mit dem Kick-Off wurde bekannt, dass Rookie Justin Herbert und nicht Tyrod Taylor für die Chargers starten würde. Coach Anthony Lynn verriet nach dem Spiel, dass er direkt vor dem Münzwurf erst erfahren hatte, dass Taylor nicht spielen kann und der Quarterback befand sich nach der Partie aufgrund von Problemen im Brustbereich bereits zu Untersuchungen im Krankenhaus.
Auch wenn Lynn nach der Partie erklärte, dass Taylor der Starter sei, "wenn er bei 100 Prozent ist", so sollte dieser Zustand nicht allzu lange anhalten - Herbert nämlich war eine der positiven Überraschungen des Spieltags. Es ist schlicht nicht zu rechtfertigen, den wenig inspirierenden Taylor starten zu lassen, wenn Herbert bereits so weit ist, wie er es gegen die Chiefs andeutete.
Zwar hatte der Rookie die erwartbaren Wackler, verfehlte einige Receiver und ließ ein paar Möglichkeiten ungenutzt. Doch Herbert hatte auch mehrere absolut sehenswerte Pässe, attackierte aggressiv Downfield, blieb gegen Pressure mit den Augen bei seinen Receivern und schien mit der Situation keineswegs überfordert. Die Offense wirkte deutlich runder und gefährlicher als mit Taylor in der Vorwoche gegen Cincinnati.
Für Chargers-Fans ist das die große positive Erkenntnis dieses Spieltags, trotz der knappen Niederlage. Dass L.A. so lange im Spiel war, lag allerdings maßgeblich an einer glänzend aufspielenden Chargers-Defense, die Patrick Mahomes und die Chiefs-Offense vor echte Probleme stellte.
60 Passing-Yards, 3,2 Yards pro Pass, 42 Prozent angebrachte Pässe - so las sich Mahomes' Stat-Line in der ersten Hälfte. Man konnte förmlich dabei zusehen, wie die Chargers defensiv immer müder wurden und den Pace schlicht nicht aufrechthalten konnten, doch davor waren sie verantwortlich für eine der schlechtesten NFL-Hälften in Mahomes' Karriere. Und wie im Super Bowl für die 49ers-Defense war der 4-Men-Pressure der Schlüssel.
Die Chiefs konnten Bosa - der den sonst so verlässlichen Mitchell Schwartz immer wieder schlug -, Ingram und Jerry Tillery nicht blocken, Mahomes stand etwa ab dem dritten Drive permanent schnell unter Druck. Die Chargers ließen teilweise Bosa und Ingram von der gleichen Seite rushen und gewannen dann ihre Eins-gegen-Eins-Duelle auf der anderen Seite, sie schoben alle Pass-Rusher permanent herum und hatten enormen Erfolg ohne zu blitzen.
KC war von Anfang an ohnehin wieder einmal bemüht, den Ball schnell zu werfen - mehrere Drops seiner Receiver halfen Mahomes wenig, darüber hinaus spielten die Chargers extrem schnell auf dem Second Level und lasen die sonst so gefährlichen Screens exzellent.
Dennoch steht auch eine andere Seite der Medaille bei diesem Takeaway: Selbst wenn man die Chiefs-Offense für eine Halbzeit nahezu ausschaltet, heißt das für den Ausgang der Partie absolut überhaupt nichts. So stark ist diese Offense.
Erwähnt sei hier noch die Entscheidung von Anthony Lynn, den Ball bei Fourth-and-1 an der eigenen 34-Yard-Line in Overtime zu punten. Patrick Mahomes gegen eine sichtbar erschöpfte Chargers-Defense den Ball zurück zu geben, wenn KC nur ein Field Goal zum Sieg braucht, war nicht das Ende, das Lynns Team für diesen Auftritt verdient hatte.
3. Giants verlieren Saquon Barkley
Kein Team wurde individuell härter getroffen als die 49ers - doch die Verletzungen schlugen in Woche 2 ligaweit heftig zu. Die Broncos müssen vorerst ohne Quarterback Drew Lock auskommen, die Colts verloren Wide Receiver Parris Campbell, die Rams Running Back Cam Akers, die Dolphins Cornerback Byron Jones, und für Ravens-Corner Tavon Young ist die Saison mit einer Knieverletzung beendet, um nur einige zu nennen. Ganz Carolina erwartet derweil die Ergebnisse zur Knöchelverletzung von Christian McCaffrey, hier aber herrscht wohl Optimismus.
Bei Saquon Barkley ist die Sachlage da anders: Hier gibt es bereits übereinstimmende Berichte, wonach alles auf einen Kreuzbandriss hindeutet. Am Montag dürften nur noch letzte Zweifel beseitigt werden. Für die Giants könnte ein ohnehin schwaches, wenig kreativ designtes Run Game in einer Offense mit wenigen echten Matchup-Waffen jetzt komplett eingehen - bereits mit Barkley sah man gegen Pittsburgh in Woche 1 überhaupt kein Land und das setzte sich gegen die Bears am Sonntag fort.
New Yorks Offensive Line hat enorme Probleme, und Barkley mit seiner Athletik und Dynamik als Runner, aber gerade auch als Receiver - wo ihn die Giants bislang über die ersten eineinhalb Spiele vielseitig einsetzten - kann helfen, Lücken zu kaschieren. Solange es nicht dermaßen üble Lücken sind wie etwa gegen Pittsburgh. Als Dump-off-Receiver und Motion-Option ist er ein Sicherheitsnetz für Daniel Jones.
Gleichzeitig geht Barkley 2021 in das letzte Jahr seines Rookie-Deals, und die Giants scheinen in ihrer generellen Teamentwicklung nicht weiter als 2018, als Barkley gedraftet wurde und bei all seinen unbestreitbaren Qualitäten hat Barkley wenig dazu beitragen können, eine Weiterentwicklung zu initialisieren. Wie bewertet man diesen Pick heute in New York? Und wie womöglich nach der Saison?
Der 2017er Viertrunden-Pick Wayne Gallman sowie Dion Lewis stehen für den Moment noch im Kader. Ein Free Agent wie Devonta Freeman könnte jetzt hier einen Platz finden. Die Giants haben ihre Offense maßgeblich um Barkley herum aufgebaut, und es wird für Joe Judge und auch Jason Garrett eine Herausforderung sein, offensiv umzudenken. Es ist auch ein Test für die G-Men, wie wertvoll Barkley wirklich für sie ist.