Das Spiel der Packers gegen die Vikings befand sich bereits auf der Zielgeraden, die Gäste führten mit 14 Zählern und Running Back Dalvin Cook tanzte auf dem Spielfeld, als auf der Leinwand im Lambeau Field ein Video abgespielt wurde. Es war ein Zusammenschnitt von Defensiv-Highlights der Packers, Za'Darius und Preston Smith brachten Quarterbacks zu Fall, Kenny Clark tackelte Running Backs unmittelbar nach der Ballübergabe durch den Quarterback.
Besonders aufmerksamen Beobachtern unter den wenigen Zuschauern in Green Bay dürfte jedoch aufgefallen sein: Alle Spielzüge aus dem Video stammten aus der vergangenen Saison. In der aktuellen Spielzeit haben die Packers defensiv offensichtlich noch nicht genügend Highlights zeigen können. Es war eine Tatsache, die für das laufende Spiel symptomatischer kaum hätte stehen können.
Gegen die Vikings fand Green Bay defensiv lange keinen Zugriff auf die Partie, Dalvin Cook überrannte die Packers praktisch nach Belieben. Der Running Back dominierte von der ersten Minute an und beendete das Spiel schließlich mit 163 Rushing Yards, drei Rushing Touchdowns sowie einem langen Receiving Touchdown nach einem Screen-Pass. Quarterback Kirk Cousins musste im gesamten Spiel gerade mal 15 Pässe werfen.
Es war eine Vorstellung, die bei Packers-Fans Erinnerungen an das NFC Championship Game Anfang des Jahres geweckt haben dürfte. Damals lief Raheem Mostert für 220 Rushing Yards und legte ebenfalls vier Touchdowns auf, Jimmy Garoppolo warf nur acht mal. Kein anderer Spieler konnte in diesem Jahr ein Spiel mit 200 Yards und vier Touchdowns verzeichnen. Einzig die Packers ließen eine solche Statline zu. Und das gleich zweimal.
Green Bay Packers: Zu viele verpasste Tacklings
"Wir hatten zu viele verpasste Tackles. Wir müssen sicherstellen, dass wir immer elf Mann auf dem Weg zum Ball haben", kritisierte Matt LaFleur im Anschluss an das Spiel seine Defense. "Wir müssen sicherstellen, dass wir bei jedem Play vollen Einsatz zeigen."
Tatsächlich verpassten die Packers in dem Spiel ganze elf Tackles, auf die gesamte Saison gesehen kommt Green Bay bereits auf 65 verpasste Tackles. Laut Pro Football Focus ist kein Team in diesem Bereich schlechter. "Wir brauchen mehr Leute, die sich von ihren Blocks lösen und zum Ball laufen können", gab Safety Adrian Amos seinem Coach Recht. "Mehr Leute in der Nähe des Balls machen Tackles deutlich leichter."
Tatsächlich stechen bei zahlreichen von Cooks langen Runs gleich mehrere Defender ins Auge, die sich eher missmutig in Richtung Ball zu bewegen scheinen, die Verfolgung des Runners, sobald dieser in ihrem Rücken war, nahmen oft nicht alle Spieler auf. Insbesondere Preston und Za'Darius Smith, eigentlich zwei der Stars dieser Unit, hinterließen gegen die Vikings keinen guten Eindruck.
Green Bay Packers müssen den Lauf stoppen
Nach dem Debakel am Sonntag wird auch die Kritik an Defensive Coordinator Mike Pettine lauter. Bereits in den vorherigen Spielen präsentierte sich die Defense oft wacklig. Die Packers forcieren kaum Turnover, zudem sind sie die schlechteste Red-Zone-Defense der laufenden Saison. Der Auftritt gegen die Vikings war ein weiterer Schritt in die falsche Richtung.
Dabei ist es eigentlich kein Geheimnis, dass die Vikings ihre Offense am liebsten über das Run Game aufziehen. Green Bay fand dennoch keine Antwort. Bei First Down lief das Team von Head Coach Mike Zimmer am vergangenen Sonntag 17-mal für 96 Yards. So vermieden die Gäste lange Downs und mussten sich daher fast nie auf ihr Passspiel verlassen.
"Wir wussten, dass wir den Lauf stoppen müssen", zeigte sich LaFleur nach der Niederlage frustriert. "Wir wussten genau, was sie machen würden, dass sie Cooks laufen lassen würden." Die Vikings spielten den Großteil ihrer Snaps aus Run-Formationen heraus, bei gerade mal zehn ihrer 52 Spielzüge hatte Minnesota drei Wide Receiver auf dem Feld - normalerweise ist dies in der modernen NFL der Standard.
Green Bay Packers: Fehlende Qualität in der Defense?
Die Packers wussten also was sie erwartete, stoppen konnten sie es dennoch nicht. Dabei versuchte Pettine alles Erdenkliche, Passivität kann man dem Defensive Coordinator der Packers nicht vorwerfen. Green Bay, eigentlich eine Defense, die viel auf Sub Packages mit mehreren Defensive Backs setzt, spielte gerade mal 13 Snaps mit mehr als vier Passverteidigern auf dem Feld, bei den anderen 39 stand die Base Defense auf dem Feld.
Pettine bewegte seine Defensive Line unmittelbar vor dem Snap, er stellte Za'Darius Smith als Blitzer direkt gegenüber des Centers auf und spielte sogar mehrere Snaps mit einer so genannten Bear-Front, also sechs Verteidigern direkt an der Line of Scrimmage. Oft stellte Pettine zudem einen zusätzlichen Verteidiger in der Box auf. Nichts funktionierte.
Die Vikings liefen 19-mal gegen eine Defense mit acht oder mehr Verteidigern nahe der Line of Scrimmage und holten dabei 89 Rushing Yards. Minnesota verzeichnete also 4,7 Yards pro Run bei diesen Läufen. Ein guter Wert, der gegen so viele Verteidiger in der Box eigentlich nicht erzielt werden sollte. "Das ist etwas, dass wir fixen müssen und zwar schnell", so LaFleur. "Ich weiß ziemlich genau, was am Donnerstag in San Francisco passiert, wenn wir das nicht tun."
Doch kann eine solche Leistung wirklich dem Defensive Coordinator in die Schuhe geschoben werden? Und können solche Probleme innerhalb weniger Tage tatsächlich verbessert werden? Fraglich. In der Front fehlt es Green Bay - trotz Kenny Clark, trotz Za'Darius Smith und trotz Preston Smith - offenbar auch schlicht an Klasse.
In sieben Spielen in dieser Saison verzeichneten alle Defensive Linemen kombiniert gerade mal zwei Tackles for Loss. Die Untätigkeit von General Manager Brian Gutekunst, der nach dem bösen Ausscheiden im NFC Championship Game versicherte, die defensive Front sei gut genug, macht sich nun bemerkbar. Besserung ist zwar denkbar, Rookie-Linebacker Kamal Martin war gegen die Vikings einer der wenigen Lichtblicke, zudem kehrt Christian Kirksey wohl bald auf Feld zurück. Inwieweit das ausreichen wird, darf jedoch bezweifelt werden.
Green Bay Packers: Will Fuller kommt nicht von den Texans
Je größer die Probleme in der Defense erscheinen, umso mehr Druck fällt auf die Offense der Packers. Sollten sich Vorstellungen wie bei der Niederlage gegen die Vikings in Zukunft öfter wiederholen, werden Aaron Rodgers und Co. die Spiele für ihr Team gewinnen müssen. Dass sie dazu an guten Tagen imstande sind, haben die Packersin dieser Saison bereits unter Beweis gestellt. Ein Fragezeichen liegt in diesem Bereich eher hinter der Konstanz.
Es fehlt nach wie vor an Tiefe im Receiver Corps, auch in diesem Mannschaftsteil holte Gutekunst im Sommer - mit Ausnahme von Devin Funchess, der aufgrund von Coronasorgen auf die Saison verzichtete - keine Verstärkung. Die mangelnde Qualität hinter Davante Adams macht sich bemerkbar, zumindest immer dann wenn Rodgers mal keine absoluten Traumpässe über 30 Yards perfekt in die Arme seiner Receiver legen kann, wie er es zu Beginn der Saison noch regelmäßig tat.
"Ich werde mich für keinen Spieler besonders stark machen. Das letzte mal als ich das gemacht habe, landete der in Buffalo", erklärte Rodgers nach dem Spiel gegen die Vikings etwas säuerlich und spielte damit auf die Entlassung seines Buddys Jake Kumerow, der wenig später bei den Bills unterschrieb, an.
Dass die Packers ihre Wide Receiver mittlerweile als Baustelle sehen, deuteten auch diverse Berichte rund um die kürzlich verstrichene Trade-Deadline an. Green Bay wollte demnach für Will Fuller von den Houston Texans traden. Die Texans forderten einen Zweitrundenpick für den Speedster, die Packers boten nur einen Viertrundenpick. Letztlich wurde man sich nicht einig.
Green Bay Packers werden sich steigern müssen
Zumindest ein kleines Upgrade auf der Receiver-Position dürfte Rodgers in den kommenden Spielen erhalten: Allen Lazard steht nach seiner Operation im September unmittelbar vor der Rückkehr aufs Feld. Er könnte die neue Nummer zwei hinter Davante Adams werden. Ob das genug ist, wird die Zukunft zeigen.
Die Packers werden auch in dieser Saison wieder in die Playoffs einziehen. Dafür sind Rodgers und sein Team allemal gut genug, der Spielplan in der zweiten Saisonhälfte ist zudem durchaus gnädig. Die gefährlichsten Gegner, auf die Green Bay noch trifft, sind die Colts, die Titans sowie zweimal die Bears. Gute Teams, doch wohl nicht auf dem Niveau der Bucs, die die Packers erst kürzlich mit 38:10 vermöbelten.
Gehört das LaFleur-Team also tatsächlich noch in den Kreis der Super-Bowl-Contender, in den es nach seinem starken Saisonstart ganz schnell gesteckt wurde? Um diesem Anspruch gerecht zu werden, werden sich die Packers auf dem Weg zu den Playoffs wieder steigern müssen. Defensiv, offensiv, am besten sogar in beiden Bereichen. Gelingt das nicht, droht Green Bay in der entscheidenden Phase der Saison erneut eine große Enttäuschung.
Green Bay Packers: Die nächsten fünf Spiele
Datum | Uhrzeit | Gastgeber | Gast |
6.11.2020 | 2.20 Uhr | San Francisco 49ers | Green Bay Packers |
15.11.2020 | 19.00 Uhr | Green Bay Packers | Jacksonville Jaguars |
22.11.2020 | 19.00 Uhr | Indianapolis Colts | Green Bay Packers |
30.11.2020 | 2.20 Uhr | Green Bay Packers | Chicago Bears |
6.12.2020 | 22.25 Uhr | Green Bay Packers | Philadelphia Eagles |