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Top 10: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 10 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf den Woche-10-Sonntag in der NFL.
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6. Ravens-Offense zunehmend in Alarmstufe Rot

"Panik oder Overreaction?" Diese Frage hatte ich an dieser Stelle letzte Woche mit Blick auf die Ravens-Offense gestellt. Damals war es insbesondere eine alarmierend schlechte erste Halbzeit gegen die Indianapolis Colts, die wieder einmal ernsthafte Bedenken dahingehend aufwarf, ob Baltimores Offense dieses Jahr gut genug für die ganz hohen Ziele ist. Und wie drastisch der Dropoff ist, wenn die Ravens mal den Ball werfen müssen.

Die überraschende Niederlage gegen die Patriots am Sonntagabend unterstrich die generellen offensiven Bedenken. Natürlich waren die äußeren Bedingungen schwierig, aber umso auffälliger war, wie deutlich Baltimores Offense im Vergleich zum Vorjahr an Durchschlagskraft verloren hat. Etwa als die Ravens früh in der zweiten Hälfte noch ihren Stil spielen konnten, aber die Räume im Run Game einfach nicht da waren. Gegen eine Patriots-Defense, die den Run diszipliniert verteidigte, aber doch klare Defizite gerade in der Run-Defense hat. Und dann kommen eben Fehler, wie der vermasselte Wildcat-Snap bei Fourth Down oder offensive Formationsfehler, noch mit dazu. Die kann Baltimore sich schlicht nicht leisten.

So bleibt es dabei, dass alles hart erarbeitet ist. Selbst der 11-Play-Touchdown-Drive spät im dritten Viertel war geprägt von mehreren haarscharfen Würfen, Baltimore musste ein weiteres Fourth Down ausspielen und dann hatten die Ravens noch Fumble-Glück.

Die alarmierende Nachricht ist, dass eine schnelle Korrektur nicht in Sicht ist.

Jackson hatte unter der Woche zugegeben, dass Defenses teilweise die Play-Calls an der Line of Scrimmage erkennen, und das ergibt Sinn: Baltimores Offense im Vorjahr war nie komplex, sie lebte davon, dass Defenses extrem diszipliniert Jackson und all die Option-Plays hinter einer Elite-Line verteidigen mussten. Die Line ist nicht mehr auf dem Level, Defenses verteidigen Baltimores Option-Offense aber eben auch sicherer. Das konnte man jetzt mehrfach beobachten.

Die Ravens müssen offensiv umdenken, das betrifft zunächst aber die Kaderplanung. Gefühlt war diese Partie im starken Regen von Foxboro so auch mit dem ersten Drive der zweiten Hälfte schon halb entschieden, als die Patriots mit wenigen gut designten Run-Plays schnell zum Touchdown das Feld runter marschierten und auf 20:10 erhöhten. Lamar Jackson steht jetzt 0-6 in seiner NFL-Karriere, wenn sein Team mal mit mindestens zehn Punkten in Rückstand gerät.

Es ist, wie letzte Woche bereits ausführlicher ausgeführt, weiterhin kein Team, das Rückstände aufholen kann. Das liegt an Jackson selbst, es liegt aber auch an der ganzen Art und Weise, wie die Offense aufgebaut ist. Dass eben die Receiving-Waffen fehlen, gerade Outside. Dass die Offensive Line deutlich mehr wackelt als letztes Jahr. Dass, bei allem Lob für die Run-Designs, das Play-Calling im Passspiel sehr eindimensional daherkommt.

Gegen die Colts konnte Baltimore ins Spiel zurückkommen, weil die Ravens-Defense Indianapolis' Offense in der zweiten Hälfte komplett erstickte. Doch das ist immer eine wacklige Basis für Erfolg, und das Spiel gegen eine wirklich anfällige Patriots-Offense unterstrich das eindrucksvoll: Die Ravens-Defense wird das Team nicht jede Woche tragen können, manchmal lässt man eben 23 Punkte zu, manchmal ist das Matchup einfach nicht gut, wie gegen New Englands Run Game ohne Calais Campbell auf dem Feld.

Dass Baltimores Offense in so einem Szenario ein Spiel wieder an sich reißen kann, diesen Beweis sind die Ravens in der Lamar-Jackson-Ära bis heute komplett schuldig geblieben.

7. Broncos: Wie viel Zeit bekommt Drew Lock noch?

Die ausstehenden Saisonspiele sind und bleiben das Bewerbungsgespräch für Drew Lock: Geht er in die kommende Saison als Starter? Gibt es ein Quarterback-Duell? Welche Ressourcen investiert Denver in der Offseason in einen möglichen Konkurrenten? In den vergangenen Wochen war das häufig eine Achterbahnfahrt: Gute Plays wechselten sich mit schlechten ab, eine schon dick rot unterstrichene Lock-Performance erhielt plötzlich eine spektakuläre späte Wende.

Doch schon das stand meist auf sehr wackligen Beinen. Wie häufig kann er spät im Spiel den Schalter umlegen? Wann stellt er diese ganzen wilden Plays ab - und passiert das überhaupt irgendwann?

Das Raiders-Spiel sah auf dem Papier aus wie eine perfekte Einleitung für die zweite Saisonhälfte. Eine extrem wacklige Coverage-Unit, ein inkonstanter Pass-Rush, und laufen kann man den Ball gegen Las Vegas auch meist. Hier hätte Lock die ersten Grundsteine für sein Plädoyer legen können - und stattdessen legte er ein gigantisches Ei.

Denver ging gegen die Raiders komplett baden, maßgeblich bedingt durch fünf Turnover der Raiders-Defense. Vier davon waren Interceptions von Lock, darunter ein Overthrow über K.J. Hamler über die Mitte des Feldes aus sauberer Pocket und eine üble Interception in die Arme des wartenden Safetys Jeff Heath in der Endzone. Was um alles in der Welt er sich bei dem Pick zu Beginn des Schlussviertels gedacht hat, wird für immer Locks Geheimnis bleiben.

Und ja, die Raiders setzten ihn auch mehr unter Druck als gedacht und Lock wirkte schon früh im Spiel angeschlagen, während Las Vegas mühelos mit dem eigenen Run Game immer weiter davonzog. Aber auch nach dieser Woche kann das Zwischenfazit für Lock nicht positiv ausfallen, und das Zeitfenster, um das Ruder herumzureißen, wird immer kleiner.

8. Saints: Warum ist Taysom Hill weiter nur Gadget-Spieler?

Schön war es nicht, was die Saints gegen San Franciscos ersatzgeschwächtes Team boten - schon am Montagmorgen wird das in New Orleans niemanden interessieren. Nicht nur, weil die Saints mit dem Sieg knapp davonkamen, sondern weil sich jetzt alles um Drew Brees dreht. Brees verpasste die zweite Hälfte gegen die Niners mit einer Rippenverletzung, wie lange er jetzt womöglich zuschauen muss, ist noch unklar.

Zwei Dinge waren sportlich betrachtet in der direkten Folge interessant: Jameis Winston übernahm für Brees, nicht etwa Taysom Hill. Es ist das gleiche Szenario wie im Vorjahr, als nach der Brees-Verletzung Teddy Bridgewater, und nicht Hill, starten durfte. Der Unterschied zu damals? Inzwischen hat Hill einen nach wie vor schockierend teuren Vertrag für 2021, was eigentlich nahelegt, dass die Saints ihm tatsächlich so sehr vertrauen, dass sie ihn zumindest für ein Jahr als echten Starter sehen wollen.

Doch wenn das stimmt - warum ihn dann nicht jetzt starten lassen? Warum ist er ganz offensichtlich abermals nur der Gadget-Spieler und Backup Nummer 3? Warum haben die Saints ihm für 2021 einen derart hoch dotierten Vertrag (Cap Hit: 16,1 Millionen Dollar) gegeben?

Der andere Part: Winston kam nicht etwa rein und die Offense wurde plötzlich auf den Kopf gestellt, im Gegenteil. Der als risikofreudige Gunslinger bekannte Winston warf ganze zwei Pässe, die weiter als elf Yards tief flogen, keiner der beiden kam an. Es waren kurze Pässe, es waren einige merkliche Unsicherheiten und, dass Hill dann doch wieder mehrfach bei Third Down rein kam, dürfte Winstons Rhythmus nicht geholfen haben.

So gut die Saints-Defense und insbesondere die Front gegen San Francisco spielte, die Augen im Big Easy ruhen jetzt auf der Quarterback-Position. Sollte Brees ausfallen und Sean Payton Winston zum Starter erklären, dürfte es mehr Folgefragen als im Vorjahr geben.

9. Browns im Playoff-Rennen - Texans im Nichts

Allzu viele Schlüsse sollte man aus einem Spiel, bei dem es derart stürmte und gewitterte, dass die Partie mit einer guten halben Stunde Verspätung überhaupt erst begann, nicht ziehen. Aber zumindest für Cleveland war das Duell mit den Texans nicht das erste dieser Art, mit einem merklichen Unterschied.

Wo die Browns gegen die Raiders jüngst unter ebenfalls schwierigen Bedingungen so gar nicht das eigene Spiel spielen konnten, gelang das dieses Mal deutlich besser: Cleveland, das ohnehin viel um das Run Game herum aufbaut, lief fast doppelt so häufig (39 Mal) wie Baker Mayfield den Ball warf (20 Mal) - und das mit Erfolg: 231 Rushing-Yards ebneten den Weg für Cleveland, das weiter ein Team mit einigen klaren Schwachstellen bleibt, aber schwächere Gegner in die Knie zwingen kann.

Ein großer Unterschied im Vergleich zum Raiders-Spiel waren die Comebacks von Wyatt Teller in der Offensive Line sowie Nick Chubb im Backfield; das gut designte Run Game in Kombination mit einem simplen Play-Action-Passspiel sowie einem absoluten Superstar in der Defense - auch gegen Houston dominierte Myles Garrett phasenweise die Partie - reicht, um wacklige Teams wie die Texans zu schlagen und im Playoff-Rennen zu bleiben.

Houston auf der anderen Seite steht vor einem gigantischen Scherbenhaufen. Gegen die Browns war schnell klar, dass die vertikale Offense der Texans hier nicht funktionieren würde, und einen wirklichen Plan B haben die Texans offensiv nicht. Doch Houston steuert auf einen drastischen Rebuild zu, und das ohne Erst- oder Zweitrunden-Pick im kommenden Draft. Und die, da muss man kein Prophet sein, werden hoch sein.

10. Green Bays Beinahe-Patzer - Luton vs. Minshew?

Es war ein typisches Trap Game - zuhause, haushoher Favorit, ein Rookie-Quarterback, der gerade erst reingeworfen wurde, und ein Duell mit den deutlich stärkeren Indianapolis Colts vor der Brust. Es war auch Wetter-technisch ein nicht gerade ideales Spiel. Und defensiv fehlte mit Jaire Alexander der mit Abstand beste Spieler.

All das darf aber keine Ausrede sein. Nicht dafür, dass Green Bay gegen diese Jaguars-Defense den Ball nicht laufen konnte. Nicht dafür, dass Aaron Rodgers eine komplett uncharakteristische Interception warf oder, dass Davante Adams mit einem Fumble die Jags im Spiel hielt. Nicht dafür, dass man auch gegen Jacksonville den Run überhaupt nicht stoppen konnte.

Einiges davon deutet auf Unkonzentriertheiten hin, die man sich in der NFL nicht leisten darf - andere Aspekte, allen voran die Run-Defense-Probleme, ziehen sich wie ein roter Faden durch Green Bays Saison.

Und natürlich spricht es irgendwo auch für die Packers, dass sie die Partie am Ende gewannen. Aber es war auch eine Erinnerung daran, dass Green Bay klar definierbare Schwächen und nicht den offensiven Spielraum für Fehler hat, den einige der deutlichen Siege aus der Saison-Frühphase suggerierten.

Nur ein kurzer Gedanke zu den Jaguars: Jake Luton hat seine unterhaltsamen Momente, und zu sagen, dass man ihn bis Saisonende testen möchte, ist in Ordnung. Ist es eine realistische Prognose, dass er besser sein wird als Gardner Minshew? Das halte ich aktuell noch für das unwahrscheinlichere Szenario. Aber realistisch betrachtet geht es in Jacksonville ohnehin primär darum, wer sich für den Backup-Posten nächstes Jahr bewirbt - und vielleicht ist Minshew auch das bessere Trade-Asset.