Die Kansas City Chiefs wirken derzeit nahezu unschlagbar, der zweite Titel in Serie liegt in der Luft. Wie ist dem Team beizukommen? Und welche Chancen haben die New Orleans Saints im direkten Duell am Sonntag?
Kansas City stand in meinen Rankings seit Saisonstart nie woanders als auf Platz 1, und gefühlt ist der Abstand zum Rest der Liga eher noch größer geworden. Es ist die mit Abstand gefährlichste Offense der Liga, mit dem besten Quarterback, dem gefährlichsten Waffenarsenal und dem besten offensiven Trainerstab.
Mit dieser Begründung landeten die Chiefs auch im jüngsten SPOX Power Ranking auf Platz 1. Seitdem hat Kansas City die Broncos und Dolphins geschlagen, während die Seahawks, Steelers und Saints allesamt Federn ließen. Der angesprochene Abstand zum Rest der Liga dürfte also einmal mehr gewachsen sein - auch wenn die Packers in dem Zeitraum die Eagles und Lions schlugen.
Die Dolphins bereiteten den Chiefs am Wochenende defensiv sogar so viele Probleme wie bislang noch kein Team in der laufenden Saison. Miami forcierte vier Turnover sowie obendrein einen 30-Yard-Sack und verlor dennoch - und das nicht mal allzu knapp. Zu Beginn des vierten Viertels hatten die Chiefs bereits wieder mit 30:10 geführt.
Wie ist Kansas City also zu schlagen? Was muss alles klappen, um die Chiefs zumindest an den Rand einer Niederlage bringen zu können? Wir nennen vier Punkte, die Teams wenigstens eine Chance auf den Sieg einbringen können.
Punkt eins: Pressure durch den Four-Men-Rush
Patrick Mahomes ist der vielleicht beste Quarterback gegen Pressure überhaupt und dennoch müssen Defenses es schaffen, ihn unter Druck zu setzen - andernfalls haben sie gegen die Chiefs wohl keine Chance. Das unterstreicht die absurde Klasse der Chiefs-Offense, sowie die Dilemmata, in denen sich Defenses gegen sie befinden, gut.
Selbst mit Pressure wird man Mahomes nicht gänzlich aus dem Spiel nehmen können, überhaupt scheint dies praktisch unmöglich. Selbst Mahomes' schlechteste Spiele, wie das am vergangenen Wochenende gegen die Dolphins, entsprechen immer noch der Leistung eines durchschnittlichen Quarterbacks. Für Defenses geht es somit schlicht und ergreifend darum, das nahezu grenzenlose Potenzial von Kansas Citys Offense zu begrenzen.
Das muss allerdings vermutlich über den Four-Men-Rush gelingen. Mahomes ist der ligaweit gefährlichste Quarterback gegen den Blitz, mit Tyreek Hill, Travis Kelce, Clyde Edwards-Helaire und Co. verfügen die Chiefs obendrein über zu viele Spieler, die im Eins-gegen-eins schnell Separation kreieren können. Eine Erfahrung, die unter anderem die Baltimore Ravens mit ihrem sehr aggressiven Defensiv-Ansatz in Woche drei machten.
Die Offensive Line ist am ehesten so etwas wie die Achillesferse der Chiefs-Offense, auch wenn Mahomes durch sein Pocket-Verhalten viel Druck von seinen Blockern nehmen kann und die bevorstehende Rückkehr von Mitchell Schwartz der Line helfen wird. Teams mit einem starken Pass-Rush können die Chiefs durchaus vor so manches Problem stellen. In dieser Spielzeit gelang dies beispielsweise den Chargers und den Dolphins sowie zumindest streckenweise auch den Broncos.
Punkt zwei: Wenige Defensiv-Ressourcen gegen den Run
Die Passing Offense rund um Mahomes ist die größte Stärke und gefährlichste Waffe der Chiefs, das dürfte jedem Defensive Coordinator in der Liga bewusst sein. Dementsprechend viele Ressourcen müssen Defenses in ihre Pass-Verteidigung stecken, um Mahomes, Hill, Kelce und Co. zumindest etwas bremsen zu können. Das wiederum bedeutet, dass mehr Defensive Backs auf dem Feld stehen und Defenses mit mehr leichten Boxen spielen müssen, sie also automatisch anfälliger gegen den Run werden.
Das Team, das diesen Ansatz bislang am stärksten umsetzte, waren die Buffalo Bills in Woche sechs. Entgegen ihrer gewohnten offensiven Ausrichtung liefen die Chiefs damals mehr Run- als Pass-Plays. Den Bills war es somit gelungen, Mahomes zumindest ein wenig aus dem Spiel zu nehmen, einfach weil dieser den Ball häufiger aus seinen Händen gab.
Der Haken an der Taktik der Bills: Durch die Vernachlässigung der Run-Defense liefen die Chiefs für mehr als 5 Yards pro Run und verbuchten bei ihren Läufen sehr starke 0,18 EPA (Expected Points Added) pro Play. Zudem konnte Buffalo auch das Passspiel der Chiefs keineswegs bremsen - trotz ihrer eigentlich vorteilhaften defensiven Ausrichtung.
Auch wenn die Strategie der Bills im Oktober nicht aufgegangen war, so könnte diese doch eine Vorlage für so manch andere Defense gegen die Chiefs geliefert haben. Defenses werden sich gegen Kansas City auf den Pass konzentrieren müssen und können dafür auch leichtere Boxes in Kauf nehmen, die Umsetzung dieser Strategie muss nur besser werden.
Die Rams schafften es in dieser Spielzeit zum Beispiel bereits häufiger, Early Downs mit Sub-Packages und leichten Boxes zu spielen und den Run dennoch noch effektiv zu verteidigen. Das erste Team, dem das auch gegen Kansas City gelingt, könnte sogar die Chiefs offensiv ausbremsen - zumindest ein wenig.
Punkt drei: Lange und konstante Drives
Teams, die gegen die Chiefs gewinnen wollen, müssen punkten, und das nicht zu knapp. Das dürfte mittlerweile ohnehin klar sein. In dieser Saison erzielten die Chiefs bislang in jedem Spiel mindestens 22 Punkte, und das obwohl sie den Fuß mehrfach gar nicht erst richtig aufs Gaspedal setzen mussten.
In seiner bislang einzigen Niederlage erzielte Kansas City 32 Zähler - und das obwohl es in dem Spiel vier Plays über mehr als 20 Yards und zwei Touchdowns wegen Strafen zurückgepfiffen bekamen. Knapp 30 Zähler scheinen gegen KC also Pflicht zu sein, wenn man Chancen auf den Sieg haben möchte - mindestens.
Gleichzeitig sind lange und zeitfressende Drives für jeden Gegner der Chiefs allerdings besonders wertvoll. Aufgrund der limitierten Anzahl von Situationen mit Ballbesitz - deutlich weniger als zum Beispiel im Basketball - ist Football ein Sport, in dem einzelne Nuancen einen deutlich größeren Einfluss auf ein Spiel haben können als es in den meisten anderen Sportarten der Fall ist.
Glück und Pech können in der NFL mit Blick auf ein einzelnes Spiel somit entscheidend sein. Und je weniger Situationen mit Ballbesitz es gibt, desto größer wird die Wirkung einzelner Plays. Gelingt es Teams also, die Anzahl der Drives in einem Spiel insgesamt durch lange und zeitfressende Drives zu verringern, spielt das dem Team mit weniger Qualität in die Karten. In Spielen gegen die Chiefs dürfte das für gewöhnlich das gegnerische Team sein.
Teams wie die Rams, die Titans oder die Ravens, die ihre Drives häufig über ihr Run-Game und/oder ihr Kurzpassspiel aufziehen, könnten Kansas City weniger offensive Drives ermöglichen und damit indirekt den Einfluss des Zufalls auf das Spiel vergrößern. Somit könnte die häufig deutlich überschätzte Statistik der Time of Possession in den Playoffs womöglich doch wichtig werden.
Punkt vier: Aggressivität und Mut
Teams müssen gegen die Chiefs punkten und eigene Drives am Leben erhalten, das hatten wir bereits im vergangenen Abschnitt geklärt. Diese Maxime sollte umso mehr bei Fourth-Down-Entscheidungen gelten.
Kansas City ist offensiv das explosivste Team der Liga: Tyreek Hill ist in praktisch jeder Situation immer für einen Touchdown gut und auch Mecole Hardman und Sammy Watkins können mit Mahomes als Quarterback jederzeit für ein Monster-Play sorgen. Ob man seinen Drive an der eigenen 20- oder an der 50-Yard-Linie beginnt, dürfte für kein Team eine untergeordnetere Rolle spielen als für die Chiefs.
Coaches, die sich mehrfach dafür entscheiden, die Feldposition der Chance auf eigenen Ballbesitz überzuordnen oder die häufig ihrer eigenen Defense vertrauen, um die gegnerische Offense zu stoppen, dürften mit diesen Ansätzen gegen Kansas City langfristig nur verlieren können. Teams sollten versuchen das Spiel gegen die durchschnittliche Defense der Chiefs, nicht ihre herausragende Offense, zu gewinnen - selbst wenn das bedeutet mehr Fourth Downs auszuspielen.
Das in dieser Hinsicht mit Abstand aggressivste Team sind in der laufenden Saison die Green Bay Packers, die rund 80 Prozent der vom Analytics-Modell der New York Times empfohlenen Situationen ausspielen. Im direkten Duell mit den Chiefs zeigten sich allerdings auch Teams wie die Las Vegas Raiders oder die Carolina Panthers, die beide mehrere Fourth Downs ausspielten, mutiger.
New Orleans Saints: Defense als Problem für die Chiefs?
Inwieweit entsprechen die Saints, die am Sonntagabend in einem echten Topspiel auf die Chiefs treffen, nun diesen Punkten? Zumindest defensiv erfüllt New Orleans gleich mehrere der Anforderungen.
Der Four-Men-Rush der Saints ist exzellent und definitiv in der Lage, auch ohne Blitzing Druck auf den Quarterback auszuüben. Cameron Jordan, Trey Hendrickson und Marcus Davenport bilden eine starke Edge-Rotation, zudem ist David Onyemata ein unterschätzter Interior Pass-Rusher. In puncto Adjusted Sack Rate führt das Team die Liga an.
Mit Demario Davis verfügen die Saints zudem über einen der besten Linebacker der NFL - eine gute Voraussetzung gegen die häufig genutzten RPOs der Chiefs. Defensiv verfügt New Orleans somit zumindest theoretisch über das Personal, um Kansas Citys Offense vor das eine oder andere Problem zu stellen.
New Orleans Saints: Offense mangelt es an Explosivität
In der Offense der Saints gibt es derweil allerdings noch einige Fragezeichen. Mit Taysom Hill als Quarterback stotterte die Offense des Teams merklich, bislang kam New Orleans mit Hill als Starter noch nie auf mehr als 0,1 EPA/Play in einem Spiel. Zum Vergleich: Mit Ausnahme des Dolphins-Spiels, in dem Mahomes drei Interceptions warf und einen 30-Yard-Sack kassierte, erreichten die Chiefs in ihren letzten sechs Spielen immer mindestens 0,15 EPA/Play.
Darüber hinaus zählt Sean Payton in dieser Saison etwas überraschend zu den konservativeren Coaches in der NFL, der 56-Jährige lässt also nur selten Fourth Downs in verlockenden Situationen ausspielen. Gegen die Chiefs könnte Payton diesen Ansatz allerdings auch anpassen, er wäre nicht der erste Coach, der gegen Kansas City riskantere Entscheidungen trifft.
Mit Hill als Quarterback scheint es der Offense jedoch schlicht an Explosivität zu fehlen, um mit ihren Gegnern Schritt halten zu können, selbst wenn es der Defense gelingen sollte, Mahomes und Co. halbwegs in Schach zu sollten. Mit einem Drew Brees, der nahe der 100 Prozent ist, könnte sich das allerdings wieder ändern - und in einem möglichen Super Bowl somit womöglich schon wieder etwas anders aussehen.