Als die Tampa Bay Buccaneers und Green Bay Packers letztmals aufeinandertrafen, gab es am Gewinner keinen Zweifel - und das bereits zur Halbzeit.
Die Packers hatten Mitte Oktober in Tampa einen sehr guten Start erwischt und nach zwei langen Drives 10:0 geführt.
Dann allerdings ging es für die damaligen Gäste im Raymond James Stadium, der Spielstätte von Super Bowl LV in knapp zwei Wochen, gehörig den Bach runter. Quarterback Aaron Rodgers warf einen Pick-Six - es war der erst dritte Pick-Six seiner Karriere.
Und nur einen Drive später warf er direkt eine weitere Interception, die Mike Edwards bis an die 2-Yard-Linie returnierte. Anschließend ging Tampa Bay durch einen Touchdown von Ronald Jones in Führung und hatte die Partie in Windeseile gedreht.
Insgesamt erzielten die Bucs in jenem zweiten Viertel 28 Punkte in Serie und gewannen die Partie sogar 38:10. Doch welche Bedeutung hat die damalige Niederlage im Hinblick auf das anstehende NFC Championship Game im Lambeau Field?
Packers: LaFleur will Pleite in Tampa nicht überbewerten
"Wenn Sie diesen Teil des Jahres erreicht haben, ist das egal", sagte Packers-Coach Matt LaFleur, der fortfuhr: "Du bist in den Playoffs. Du musst Dich also auf das konzentrieren, was vor Dir liegt, Gutes wie Schlechtes. Und wir konzentrieren uns ohnehin immer auf die Zukunft."
Dennoch kommen weder die Packers noch die Bucs drumherum, das erste Matchup der Teams in diesem Jahr nochmal zu betrachten. Zu eindeutig war die Partie, als dass man sie komplett ignorieren könnte.
Der Bucs-Erfolg war so eindeutig, dass Bucs-Linebacker Devin White nach dem Spiel über die Packers sagte: "Sie hatten es nicht verdient, mit uns auf dem Feld zu stehen." Eine Aussage, die sicherlich nochmal zur Sprache gekommen sein dürfte im Vorfeld des zweiten Spiels.
LaFleur wollte dem nicht allzu viel Bedeutung beimessen: "Wir reden über das NFC Championship Game mit der Chance, den Super Bowl zu erreichen. Ich denke, das ist genug an Motivation." LaFleur räumte sogar ein: "Wissen Sie was? Er hatte recht. Sie haben uns zerstört. Es macht aber keinen Sinn, weiter darüber zu reden."
Betrachtet man die Ursachen für die damalige Pleite, stehen White und Rodgers direkt wieder im Mittelpunkt. Rodgers hatte gegen Ende der Regular Season einen Faktor besonders hervorgehoben, der die Packers-Offense vom Vorjahr unterschied - besserer Rhythmus. Die Offense war über weite Strecken der Saison im Rhythmus und ermöglichte es Rodgers, eine wahrscheinlich dritte MVP-Saison hinzulegen.
Packers: Rodgers in Tampa unter enormem Druck
Doch in Woche 6 gelang es den Bucs eben, jenen Rhythmus zu stören. Unterm Strich standen da 13 QB-Hits, 5 Sacks - vier gegen Rodgers, einer gegen Backup Tim Boyle, der in den Schlussminuten ran durfte - sowie die besagten zwei Interceptions. Es waren im Übrigens Rodgers' erste Picks der Saison.
Der Schlüssel zu diesem Erfolg war die aggressive Spielweise von Defensive Coordinator Todd Bowles, der sich mit Blitzen nicht zurückhielt. Während das Spiel noch nicht entschieden war, schickte Bowles Blitzer - also zusätzliche Pass-Rusher - bei 50 Prozent von Rodgers' Dropbacks. Damit stand der Quarterback laut Pro Football Focus 18-mal unter Druck, oder 30,8 Prozent seiner Passspielzüge. Es war der höchste Wert gegen Rodgers in dieser Saison.
Das brachte Rodgers so dermaßen aus dem Konzept, dass er selbst aus einer sauberen Pocket einen rabenschwarzen Tag erlebte. Am Ende komplettierte er nur 3 Pässe mit einer Distanz von mehr als 10 Air Yards - seine 5 Deep Balls (20+ Air Yards) gingen allesamt daneben.
Warum das so war, lässt sich freilich nicht zweifelsfrei klären, aber ein wichtiger Faktor hier war der Ausfall von All-Pro-Left-Tackle David Bakhtiari, der im Laufe des Spiels von Rick Wagner ersetzt werden musste, was nicht von Erfolg gekrönt war. Doch lag es nicht nur am Qualitätsverlust auf Rodgers' Blindside - der Druck kam schlicht von überall!
Aaron Rodgers: Statistiken 2020
Passquote | Yards | Touchdowns | Interceptions | QBR | EPA/Play | EPA/Play ohne Blitz | EPA/Play vs. Blitz |
70,7 Prozent | 4299 | 48 | 10 | 84,3 | 0,382 | 0,4 | 0,19 |
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Packers: Ausfall von Bakhtiari als größeres Problem
"Ich habe Coach Bowles gesagt, dass er mich von der Leine lassen soll", erklärte White nach dem Spiel. Von den 13 QB-Hits gingen drei auf Edge-Rusher Jason Pierre-Paul und drei auf 3-Technique-Defensive-End William Gholston, der hauptsächlich als Run-Stopper bekannt ist. Beide Inside Linebacker, White und Lavonte David, sammelten je zwei QB-Hits und kamen insgesamt auf 2,5 Sacks über die diversen Blitzes.
Allerdings haben die Packers ihre O-Line-Probleme seither einigermaßen in den Griff bekommen. Zwar fehlt ihnen Bakhtiari verletzungsbedingt inzwischen komplett, doch wurde die linke Seite mit dem etatmäßigen Right Tackle Billy Turner stabilisiert. Wagner ist damit nach rechts gerückt. Die Feuertaufe dieses Konstrukts jedenfalls glückte. Gegen die starke Rams-Defense gab die Line nur einen QB-Hit und keinen Sack ab.
Ebenfalls problematisch für die Packers war in Tampa das eigene Run Game. Auch wenn LaFleur in diesem Jahr dazu überging, hauptsächlich auf den Pass zu setzen, gerade bei Early Downs, ist das Run Game doch immer noch so etwas wie das Rückgrat seiner offensiven Philosophie. Umso problematischer war es, dass es über weite Strecken gegen die Bucs nicht funktionierte.
Die Packers setzten häufiger auf Outside-Zone-Konzepte, die aber gegen die schnellen Linebacker White und David kaum Erfolg brachten. Wenn sie Erfolg hatten, dann durch die Mitte. Die zwei längsten Runs im Spiel gelangen Jamaal Williams (25 YDS) und Rookie A.J. Dillon (20 YDS). Unbezwingbar ist die effizienteste Run Defense der Liga (-31,4 Prozent DVOA lauf Football Outsiders) also nicht.
Dennoch war es den Packers gelungen, auch damals mit 10:0 in Führung zu gehen, nach zwei langen Drives (11 und 10 Plays) obendrein. Der Film riss dann erst, als die Turnover losgingen. Rodgers' seltene Interceptions brachten das Team merklich aus dem Konzept und sie erholten sich davon nicht. Wie wahrscheinlich ist es, dass sich das wiederholt? Falls derartige Fehler sich nicht wiederholen, wird Tampa Bay mehr aus eigener Kraft von der eigenen Offense brauchen.
Packers: Zu viele eigene Fehler
Die Bucs-Offense, die bis dahin auch zu kämpfen hatte, bekam einen Kickstart, wenn man so will. Nachdem die Defense die ersten Punkte noch per Pick Six komplett selbst erzielte, leistete sie für den zweiten Touchdown die essenzielle Vorarbeit. Von der 2-Yard-Linie nach der zweiten Interception hatte die Offense leichtes Spiel.
Die Bucs zogen aber auch deshalb so scheinbar leicht davon, weil sie nicht nur effizient auf beiden seiten des Balls agierten, sondern auch, weil sie Fehler vermieden. Sie leisteten sich erst zum zweiten Mal überhaupt in ihrer Franchise-Geschichte keine angenommene Strafe im Spiel! Die Packers dagegen kamen auf 6 Strafen für 76 Yards. Die gravierendste war eine Pass Interference über 40 Yards, die die Bucs einmal mehr bis in die Red Zone führte. Und in der Red Zone waren sie damals 4/4.
Damit ist auch schon die Defense der Packers im Blickfeld. Jene Unit nämlich war ebenfalls nicht auf der Höhe damals. An der Front waren sie den Bucs heillos unterlegen. Tom Brady sah nur fünfmal Pressure in 27 Pass Plays. Zudem kassierte er keinen Sack und die Bucs als Ganzes leisteten sich keinen Turnover.
Speziell die Pass Protection in Kombination mit meist schnellen Würfen von Brady ist eine Bank in diesem Jahr. Die O-Line kommt auf 4,3 Prozent Adjusted Sack Rate (22 Sacks), was laut Football Outsiders der drittbeste Wert der NFL war in diesem Jahr. Allerdings hinter den Rams, gegen die die Packers erst am vergangenen Samstag sehr effektiv agierten (4 Sacks, 7 QB-Hits).
Dies ist also ein Ansatzpunkt für Defensive Coordinator Mike Pettine. Doch um hier nachhaltig erfolgreich zu sein, muss mehr kommen von den Edge-Rushern Rashan Gary und Za'Darius Smith sowie vor allem auch von der Interior Defensive Line, denn historisch gesehen ist Pressure im Gesicht von Brady deutlich effektiver als von außen.
Packers: Wer covert Evans' Nebenleute?
Abgesehen davon aber muss es den Packers auch gelingen, das Run Game der Bucs, auf das Head Coach Bruce Arians für den Geschmack vieler insbesondere bei First Down viel zu großen Wert legt, zu stoppen. In Woche 6 liefen Ronald Jones und Co. Für 158 Yards (2 TD), gegen die Saints wiederum waren es auch immerhin 127 Yards. Es sollte kein großer Faktor sein, aber zu viele simple Yards sollte man Brady nicht zugestehen.
Und dann wäre da noch die Frage nach der Zuordnung im Passspiel. Wer X-Receiver Mike Evans deckt, dürfte klar sein - Jaire Alexander. Jener hielt Evans in Woche 6 bei 1 Catch für 10 Yards (2 Targets). Problematisch ist eher, wer sich wie um den Rest der gefährlichen Anspielstationen kümmern wird.
Wie die Saints, die dank Marshon Lattimore Evans ebenfalls im Griff hatten (1 REC, 3 YDS, 3 TGTS), bereits zu spüren bekamen, verfügen die Backups über fast endlose Möglichkeiten in diesem Bereich. Top-Receiver im ersten Duell waren Tight End Rob Gronkowski und Slot-Receiver Chris Godwin (je 5 REC). Gegen die Saints dann fing ausgerechnet Running Back Leonard Fournette die meisten Pässe (5 REC).
Die Packers müssen hier entscheiden, was eher zu schaffen ist - all diese Optionen zu covern oder blitzen und darauf hoffen, Brady so aus dem Konzept zu bringen.
Packers: Mehr Produktion von Adams' Kollegen!
Haben die Packers den Ball, müssen sie aber auch offensiv schauen, wie sie das Personal um Davante Adams herum ins Spiel bringen. Adams (6 REC, 61 YDS, 10 TGTS) war im Duell mit Cornerback Carlton Davis zwar präsent, aber nicht explosiv. Ein Plan B wird also auch hier erforderlich sein.
Das NFC Championship Game wird wieder bei Null beginnen, beide Teams haben sich seit damals weiterentwickelt und doch scheinen die Bucs von ihrer generellen Aufmachung her prädestiniert, den Packers erneut wehzutun. Es ist damit an den Packers, dieses Mal bessere Antworten zu finden als noch vor drei Monaten.