Deshaun Watson ist jüngsten Medienberichten zufolge in Houston offenbar äußerst unglücklich. Grund dafür soll unter anderem das Vorgehen der Texans bei der Suche nach einem neuen General Manager und einem neuen Head Coach sein. Was sind die genauen Hintergründe? Und könnte der Superstar tatsächlich getradet werden? SPOX liefert die Antworten.
NFL: Was ist passiert?
Die Houston Texans stehen vor einer richtungsweisenden Offseason. Seit der Entlassung von Bill O'Brien zu Beginn der kürzlich beendeten Regular Season sind bei der Franchise sowohl der Posten des Head Coaches als auch der des General Managers vakant. Die Besetzung der beiden Positionen wird fraglos einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Texans in den kommenden Jahren haben.
Aufgrund der Tragweite dieser Entscheidungen sprach sich Deshaun Watson - als langfristig unter Vertrag stehender Quarterback immerhin das Gesicht der Franchise - gegenüber Teambesitzer Cal McNair dafür aus, in die beiden Prozesse mit einbezogen zu werden. Watson selbst wollte damit sicherstellen, dass auch die Meinungen der Spieler gehört werden. McNair stimmte zu und sicherte seinem Superstar zu, an den Entscheidungen aktiv beteiligt zu werden. Das berichten verschiedene US-amerikanische Medien übereinstimmend.
Dieses Versprechen scheint von der obersten Führungsriege der Texans allerdings gebrochen worden zu sein. In der Nacht auf Donnerstag verpflichtete Houston Nick Caserio als seinen neuen General Manager, ohne die von Watson empfohlenen Kandidaten interviewt oder diese auch nur kontaktiert zu haben.
Jack Easterby, der in Houston den Titel des Executive Vice President of Football Operations trägt und in der Vergangenheit bereits mit Caserio bei den Patriots zusammen gearbeitet hat, setzte seinen Wunschkandidaten offenbar bei McNair durch. Laut Lance Zierlein von nfl.com stimmte dieser der Verpflichtung von Caserio letztlich zu, obwohl das Team noch gar nicht alle potenziellen Kandidaten interviewt hatte - und sich somit eigentlich noch mitten im Prozess der GM-Suche befand.
"Manche Dinge ändern sich nie...", hatte Watson deshalb am Dienstag auf Twitter geschrieben - der Tweet ist mittlerweile wieder gelöscht - und damit auf die vergangene Offseason angespielt. Damals hatte der ehemalige Clemson-Star aus den Medien vom Trade von Deandre Hopkins erfahren. Ein Vorgang, der sich bei der GM-Suche nun offenbar wiederholt hat.
NFL: Fordert Watson einen Trade von den Texans?
Ian Rapoport vom NFL Network berichtet passend dazu, dass Watson keine Probleme mit Caserio als Person habe, über den Ablauf der GM-Suche allerdings äußerst unglücklich sei. Ein Gefühl, dass durch den Prozess bei der Verpflichtung des Head Coaches nur noch weiter verstärkt werden dürfte.
Watson soll sich für Eric Bieniemy als neuen Head Coach der Texans ausgesprochen haben, nachdem Patrick Mahomes den Offensive Coordinator der Chiefs gegenüber Watson offenbar wärmstens empfohlen hatte. Auch in diesem Fall lud Houston Watsons Favoriten allerdings nicht mal zu einem Interview ein.
Bieniemys Fall ist besonders bemerkenswert, da die Texans als einziges der sechs Teams mit einem vakanten Head-Coaching-Posten auf ein Interview mit dem 51-Jährigen verzichteten. Alle anderen fünf Franchises - die Lions, Falcons, Jaguars, Jets und Chargers - hatten Bieniemy zu einem Gespräch eingeladen oder dieses zumindest angefragt.
Watson fühlt sich von seiner eigenen Franchise nun offenbar hintergangen. Der Superstar der Texans soll mit mehreren Mitspielern offen darüber gesprochen haben, unter Umständen einen Trade zu fordern. Die weitere Entwicklung der Coaching-Suche in Houston dürfte in dieser Frage entscheidend werden.
NFL: Welche Optionen hat Deshaun Watson?
Aus rein vertragsrechtlicher Sicht sind Watson in Houston vorerst die Hände gebunden. Der 25-Jährige verlängerte seinen Vertrag bei den Texans unmittelbar vor Saisonbeginn um vier Jahre und 156 Millionen Dollar. Sein aktuelles Arbeitspapier läuft somit bis zum Ende der Saison 2025. Die Chance auf eine vorzeitige Kündigung durch die Spielerseite gibt es nicht.
Durch seinen erst kürzlich unterzeichneten Monstervertrag nimmt Watson innerhalb der Franchise allerdings auch automatisch eine machtvolle Position ein. Der Quarterback belastet den Cap der Texans über die kommenden fünf Jahre mit mehr als 170 Millionen Dollar. Sein Einfluss auf Houstons Erfolg in diesem Zeitraum ist somit automatisch gewaltig.
Dementsprechend naheliegend wäre es aus Sicht der Texans, einen Coach zu verpflichten, dem Watson positiv gegenüber eingestellt ist. Ein schlechtes Verhältnis zwischen einem neuen Head Coach und dem besten Spieler des Teams beim Amtsantritt des neuen Trainers wäre ohne jede Frage kontraproduktiv. Dem sollten sich auch McNair, Easterby und Co. bewusst sein.
NFL: Watson kann enormen Druck auf die Texans ausüben
Legt es Watson tatsächlich auf eine Trennung von den Texans an, sind seine Möglichkeiten in der Theorie sehr beschränkt, in der Praxis sieht es allerdings doch etwas anders aus. Sollte der einstige Erstrundenpick seinen Wechselwunsch öffentlich kundtun, könnte er damit für Chaos in Houston sorgen und enormen Druck auf seine Franchise ausüben.
Trainingsstreiks, konfrontative Social-Media-Postings und sogar direkte Attacken gegen die Führungsetage des eigenen Teams hat es in der Vergangenheit alles schon gegeben. In der Vorsaison wurde Wide Receiver Stefon Diggs auch deshalb getradet, Antonio Brown aus vergleichbaren Gründen entlassen.
Ob Watson es tatsächlich so weit kommen lassen würde, muss allerdings bezweifelt werden. Ein, zwei kryptische Tweets würden sicherlich nicht ausreichen, um Houston zu einem Trade seines Superstars zu bewegen. Eine öffentliche Schlammschlacht würde Watsons Ruf obendrein nicht guttun.
Welche Optionen haben die Texans?
Durch die erst vor vier Monaten erfolgte Vertragsverlängerung von Watson halten die Texans vorerst alle Trümpfe in der Hand. Solange sie den 25-Jährigen nicht abgeben wollen, müssen sie dies auch nicht tun. Das gilt bis einschließlich 2025, für NFL-Verhältnisse eine kleine Ewigkeit.
Dennoch kann den Texans auch nicht daran gelegen sein, Watson ausdrücklich gegen dessen Willen an sich zu binden. Das gilt sowohl aus sportlicher als auch aus PR-Sicht. Denn unter beiden Gesichtspunkten stehen die Texans aktuell nicht allzu gut dar.
Die vergangenen Monate mit den äußerst fragwürdige Trades für Laremy Tunsil und von DeAndre Hopkins sowie dem miserablen Abschneiden in der vergangenen Saison, von dem im Draft obendrein auch noch die Miami Dolphins - und nicht die Texans - profitieren, werfen kein gutes Licht auf die Franchise. Aktuell ist Watson als einer der besten Quarterbacks der Liga wohl der einzige Grund für Optimismus in Houston.
NFL: Gigantische Trade-Angebot an die Texans?
Die naheliegendste Option für das Team sollte daher sein, Watson nachträglich doch noch in den Prozess der Head-Coaching-Suche einzubeziehen und das Gemüt des Superstars somit wieder etwas zu besänftigen. Gemeinsam mit einem talentierten neuen Coach ist Watson ein schneller Turnaround nämlich durchaus zuzutrauen.
Sollte Houston sich allerdings tatsächlich dazu entscheiden, Watson abzugeben oder einen Trade zumindest nicht gänzlich ausschließen, dürfte sich Caserio in den kommenden Wochen und Monaten vor Angeboten nicht retten können. Der Gegenwert in einem Tauschgeschäft dürfte gigantisch sein - und somit womöglich einen vollständigen Neuaufbau in Houston ermöglichen.
Wie wahrscheinlich ist ein Trade?
Die Formalia vorab: Anders als beispielsweise die Falcons mit Matt Ryan könnten die Texans Watson zu einem anderen Team traden, ohne den eigenen Spielraum für Spielergehälter mit einer riesigen Summe an "Dead Money" zu belasten. Im Falle eines Trades würde Watsons Cap Hit für die Texans in der kommenden Saison etwa 21,6 Millionen Dollar steigen. Anschließend wäre der Vertrag allerdings auch schon wieder aus den Gehaltsunterlagen des Teams verschwunden.
Auch wenn ein Trade aus rein finanzieller Sicht machbar wäre, so erscheint dieser beim aktuellen Stand der Dinge doch sehr unwahrscheinlich. Teams befinden sich stets auf der Suche nach einem Franchise-Quarterback. Sobald man diesen gefunden hat, gibt man ihn nicht wieder her: Ein Trade von Watson wäre in dieser Form in der Geschichte der NFL beispiellos.
Das Verhältnis zwischen Spieler und Teamführung scheint derzeit noch nicht irreparabel beschädigt zu sein. Noch hat Watson ja nicht einmal um einen Trade gebeten. Houston sollte daher alles daran setzen, die Risse zu kitten, anstatt sich mit der Möglichkeit eines Trades zu befassen.
NFL: Neuer Trade-Rekord für Watson?
Sollte Houston in den kommenden Wochen und Monaten allerdings tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass ein Trade von Watson im besten Interesse der Franchise stünde, so dürfte der NFL ein absoluter Blockbuster-Deal bevorstehen. Mit Ausnahme der wenigen Teams, die über einen jungen Franchise-Quarterback verfügen - beispielsweise die Chiefs, Bills und Chargers - dürfte jedes Team Interesse an dem 25-Jährigen zeigen.
Der diskutierte Gegenwert in einem Tauschgeschäft für Watson reicht vom ersten Pick im kommenden Draft bis hin zu fünf Erstrundenpicks. Im bislang größten Trade der NFL-Geschichte gaben die Minnesota Vikings 1989 drei Erstrunden- und drei Zweitrundenpicks im Tausch für Running Back Herschel Walker ab. Watson könnte diesen Rekord tatsächlich ins Wanken bringen.
Die Texans könnten im Falle eines Trades somit einen groß angelegten Neuaufbau beginnen, wären allerdings auch prompt wieder auf der Suche nach einem neuen Franchise Quarterback. Letztlich dürfte die Entscheidung über einen Trade bei Caserio liegen - ironischerweise also bei der Person, deren Verpflichtung einen Abgang von Watson überhaupt erst ins Spiel brachte.
Deshaun Watson: Statistiken seiner Karriere
Jahr | Spiele | Pass Yards | TD | Int | Cmp% | Y/A |
2017 | 7 | 1699 | 19 | 8 | 61,8 | 8,3 |
2018 | 16 | 4165 | 26 | 9 | 68,3 | 8,2 |
2019 | 15 | 3852 | 26 | 12 | 67,3 | 7,8 |
2020 | 16 | 4823 | 33 | 7 | 70,2 | 8,9 |