Die Green Bay Packers starten als Topfavorit der NFC in die Divisional Playoffs. Dort erwischen sie jedoch mit den Los Angeles Rams einen Gegner, der womöglich genau die richtigen Qualitäten hat, um die überragende Offense um Quarterback Aaron Rodgers zu stoppen.
Wenn die Green Bay Packers am kommenden Samstag auf die Los Angeles Rams treffen, wird es eines dieser Duelle werden, in der zwei krasse Gegensätze aufeinandertreffen werden. Auf der einen Seite steht die in diesem Jahr effizienteste Offense, auf der anderen Seite eine der am schwersten zu spielenden Defenses.
Die Packers gehen freilich als Favorit ins Duell, der aktuelle Spread in Vegas liegt bei -6,5 Punkten aus Sicht der Packers. Ein Spaziergang wird es aber keineswegs für Green Bay. Grund dafür ist die Defense von Rookie-Defensive-Coordinator Brandon Staley, die schon Russell Wilson in dieser Saison - und in der Wildcard Round - das Leben schwer machte.
Jener Staley, der einen kometenhaften Aufstieg hingelegt hat und nun sogar auf dem Zettel von so manchen Teams steht, wenn es um einen offenen Head-Coaching-Job steht. Staley übernahm vor der laufenden Spielzeit von seinem legendären Vorgänger Wade Phillips und ist "noch verrückter als ich selbst" in Sachen Football, wie Head Coach Sean McVay kürzlich verriet.
Staley coachte bis 2016 ausschließlich im Collegebereich und war von 2015 bis 2016 am Division-III-College John Carroll University tätig. Als Defensive Coordinator entwickelte er seinerzeit das Defensiv-Scheme, das er heute in weiten Teilen bei den Rams anwendet.
Schon damals hatte er einen vielseitig verwendbaren Defensive Linemen, der als Schachfigur überall an der Line postiert werden konnte, um Mismatches zu kreieren. Diese Rolle füllt heute Aaron Donald aus. Und er hatte einen Cornerback-Safety-Hybrid, der auch Nickel spielen kann - heutzutage von Jalen Ramsey gespielt.
Rams: Staley von Division-III zum NFL-Head-Coach-Kandidaten
Bevor es Staley nach L.A. schaffte, fungierte er noch drei Jahre als Outside Linebackers Coach unter Vic Fangio. Zunächst zwei Jahre in Chicago, wo Fangio als DC tätig war, und dann 2019 unter jenem als Head Coach in Denver. Und auch wenn Staley auf diesen Stationen den Luxus hatte, mit Superstars wie Khalil Mack oder Von Miller zusammenzuarbeiten, nahm er gewisse Grundlagen mit, die ihm nun helfen, mehr als je zuvor etwa aus Leonard Floyd (Career High 10,5 Sacks) herauszuholen.
Als Staley nach L.A. kam, warf er keineswegs alles um. Wade Phillips' Grundgerüst, die 3-4-Base, blieb bestehen, obgleich die Rams nur selten in Base spielen. Vom Personal her ist in der Regel immer Aaron Donald an der Line anzutreffen, sei es als 3-Technique, 5-Technique oder in seltenen Fällen auch 0-Technique. Donald wird je nach Situation hin und her geschoben.
Gegen Green Bay dürfte es - sollte der zweifache Defensive Player of the Year nach seiner Rippenverletzung aus der Vorwoche einsatzfähig sein - darauf hinauslaufen, dass Donald häufig direkte Duelle gegen Right Guard Lucas Patrick suchen wird. Im Vergleich zu All-Pro-Center Corey Linsley und Pro-Bowl-Left-Guard Elgton Jenkins ist jener wohl das schwächste Glied der Kette.
Es ist allerdings schwer davon auszugehen, dass die Packers Donald permanent wenigstens ein Doubleteam gegenüberstellen werden. Einer allein reicht in der Regel nicht, um die Pass-Rush-Maschine (13,5 Sacks, 43 Pressures, 24 Prozent Pass Rush Win Rate) in Schach zu halten.
gettyRams setzen auf Team-Defense
Was Staley jedoch von Anfang an betonte, ist, dass dies keine Defense von nur einem einzelnen Star ist - oder zwei, mit Ramsey. Vielmehr ist es eine Team-Defense. Das äußert sich darin, dass neben Donald auch weitere Pass-Rusher für Mismatches sorgen. Der etatmäßige 5-Technique-Defensive-End Michael Brockers etwa stellt sich auch häufig innen auf, um von dort mehr Druck zu erzeugen. Gleiches gilt für Morgan Fox.
Zusätzlich werden die Down-Linemen zumeist von den Outside Linebackern Leonard Floyd, Samson Ebukam und Rookie Terrell Lewis flankiert. Hinzu kommen aus dem Level dahinter immer wieder Linebacker dazu, die blitzen oder Blitzes antäuschen und es verstehen, ihre Assignments und Coverages zu verschleiern.
Dahinter wird zumeist auf Zone Coverage gesetzt. Zwei tiefe Safetys - Jordan Fuller und John Johnson III - spielen allerdings auch extrem variabel, helfen im Run Game und stellen sich bei Bedarf auch nahe der Line auf.
Ramsey allerdings ist der Schlüsselspieler dieser Unit, mehr noch gegen Green Bay. Allgemein darf man erwarten, dass Ramsey hauptsächlich auf Top-Receiver Davante Adams angesetzt werden wird. Jener führte die NFL mit 18 Touchdown-Receptions an - die Rams wiederum ließen nur 17 TD-Pässe zu.
Die Packers dürften somit versuchen, Adams von Ramsey weg zu bewegen, zumal jener im Schnitt keine 24 Receiving-Yards pro Spiel abgab. Adams stur auf einer Seite zu halten, wird somit nicht reichen. Vielmehr könnte er sich in Bewegung setzen, um so irgendwie wegzukommen. Doch Ramsey macht dies in der Regel nichts aus. Je nach Assignment verfolgt er seinen Gegenspieler über den ganzen Platz.
Rams: Ramsey als "Star"-Spieler
Ramsey ist auch derjenige, der die im Rams-System so wichtige "Star"-Position am besten ausfüllt. Trivial formuliert ist dies ein Super-Nickelback, einer, der sowohl als klassischer Slot-Verteidiger agiert, sei es gegen den Mann oder in der Zone, aber auch im Run Game mithilft und somit quasi zum zusätzlichen Linebacker werden kann. Ramseys Präsenz allein sorgte mitunter schon für Stress beim gegnerischen QB, weil nie so recht klar ist, was genau er vorhaben wird.
Schwer berechenbar macht die Packers-Secondary zudem, dass alle drei Corner - Troy Hill und Darious Williams neben Ramsey - im Prinzip alle drei Corner-Spots besetzen können, der Gegner kann sich also nie sicher sein, welches Matchup er konkret bekommen wird.
Was die Rams vor allem ausgezeichnet hat in dieser Saison, ist die Tendenz, kaum explosive Plays zuzulassen. Durch ihren Fokus auf Zone wird es schwer, mit tiefen Pässen an ihnen vorbeizukommen. Auch Scramblings des Quarterbacks sind schwierig, da ihn die Defensive Backs immer im Blickfeld haben. Das beste Mittel sind daher eher die kürzeren Pässe, wenn sich zwischen den Zones eine Lücke ergibt.
Slants sind ein Mittel dagegen. Underneath-Pässe ein anderes. Hier liegt auch die Chance für die Packers, denn in dieser Saison versteht es Rodgers sehr gut, auch mal den einfachen Checkdown zu nehmen, wenn sich das Big Play nicht entwickelt. Er nimmt, was ihm die Defense gibt. Wichtig wird es daher sein, Geduld zu bewahren und nichts zu erzwingen.
Offensiv mögen die Rams einige Fragezeichen haben, speziell was die Position des Quarterbacks angeht, wo John Wolford gegen Seattle vorzeitig raus musste und Jared Goff nur wenige Tage nach einer Daumenoperation zurückkehrte. Doch defensiv sollten sie zumindest mal mithalten können. Immerhin sind sie eines von nur drei Teams mit Pass-Rush- und Coverage-Grades von über 80 laut Pro Football Focus. In der heutigen NFL ist das so etwas wie der heilige Gral, wenn man herausragend ist in Pass Rush und Coverage. Normalerweise sind Teams froh, wenn sie eines von beidem einigermaßen meistern.
Schlechteste Spieler von Rodgers gegen starken Pass Rush
Und wie es der Zufall so will, scheint elitärer Pass Rush just das zu sein, was gegen Rodgers und die Packers-Offense funktionieren könnte. Der designierte MVP war 2020 so gut, dass er nur in zwei der 16 Spiele ein Passer Rating von unter 100 (!) hatte - gegen die Panthers in Woche 15 (91,6) und bei der krachenden Pleite in Tampa Bay in Woche 6 (35,4), dem schlechtesten Spiel der Packers in dieser Saison (10:38).
Besonders die Bucs schafften es, Rodgers permanent unter Druck zu setzen und ihm wehzutun. Es gelangen 4 Sacks und sage und schreibe 13 QB-Hits! Rodgers warf darüber hinaus 2 Interceptions - so viele wie sonst nie in der Saison. Gegen Carolina war es trotz 5 Sacks nicht ganz so dramatisch, doch zeigten sich auch da gewisse Lücken an der Front.
Die Panthers und auch Bucs spielen freilich andere Schemes als die Rams, doch verfügen beide über dominanten Pass Rush durch die Mitte, ebenso wie die Rams. Und wo die Bucs hauptsächlich über Blitzes zu Rodgers kamen, waren es bei Carolina die Edge-Rusher neben Derrick Brown in der Mitte.
16 Sacks kassierte Russell Wilson in den drei Partien gegen die Rams und gewann auch nur eine davon. Nun verfügt Seattle aber auch nicht über eine sonderlich herausragende Offensive Line - laut Football Outsiders belegten die Seahawks mit einer Adjusted Sack Rate von 8,2 Prozent Rang 30 der NFL mit 48 kassierten Sacks. Die Packers waren hier Sechster (5 Prozent) mit nur 21 erlaubten Sacks.
Packers: Ausfall von David Bakhtiari fordert Umbau
Doch droht den Packers nun dennoch Ungemach, da Left Tackle David Bakhtiari, seines Zeichens First-Team-All-Pro in dieser Saison, ausfällt. Das wird voraussichtlich zu Verschiebungen in der O-Line führen. Right Tackle Billy Turner wechselt wohl nach links und Backup Ricky Wagner übernimmt für Turner auf rechts.
Das allein sollte das Team jedoch nicht entmutigen, denn auch diese beiden spielten herausragende Saisons. Laut ESPN Stats and Info führten die Packers die NFL mit einer Pass Block Win Rate von 74 Prozent an. Und in der individuellen Betrachtung belegten Turner Rang 3 und Wagner Rang 8 aller Offensive Tackles in dieser Statistik - Bakhtiari war Sechster. Zum Vergleich: Die Rams waren Neunter in Pass Rush Win Rate (47 Prozent), Zweiter mit einer Adjusted Sack Rate von 8,6 Prozent (53 Sacks).
Die Packers legen ein sehr hohes Niveau mit ihrer Offense an den Tag, aber es gibt durchaus Lücken. Und gerade ein dominanter Pass Rush - vor allem ohne zu blitzen - ist nicht nur für Rodgers ein Problem. Ein solches Rezept brachte schon ganz andere dominante Offenses in den Playoffs zum Wanken.