NFL: Sind die Los Angeles Rams jetzt ein Contender? Fragen und Antworten zum Trade von Matthew Stafford

Jan Dafeld
31. Januar 202113:48
Matthew Stafford verlässt die Detroit Lions.getty
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Die Los Angeles Rams haben Matthew Stafford per Trade von den Detroit Lions geholt. Die Franchise greift nach dem Super-Bowl-Titel, opfert dafür aber womöglich die eigene Zukunft. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um den Trade.

NFL: Was bedeutet der Trade für die Rams?

Los Angeles setzt alles auf die Super-Bowl-Karte. Die Rams sehen sich mit Stafford offensichtlich als Contender und wollen den ersten Titel seit den Jahren der "Greatest Show on Turf" mit dem Triumph in Super Bowl XXXIV einfahren.

Und warum auch nicht? In der vergangenen Regular Season spielte das Team mit einer deutlich vereinfachten Offense um die Spitze der NFC mit, trotz zwei verletzter Quarterbacks schlug Los Angeles in der Wildcard-Runde die Seahawks und fuhr einen Playoff-Sieg ein. Mit Stafford will die Franchise den nächsten Schritt gehen.

Das Fundament dafür ist gelegt: Sean McVay gilt als einer der besten offensiven Playcaller der Liga, mit Cooper Kupp, Robert Woods und Co. verfügen die Rams obendrein über ein schlagkräftiges Waffenarsenal. Mit Stafford, der ein klares Upgrade gegenüber Goff sein soll, könnte Los Angeles wieder zu den besten Offenses der Liga zählen.

Die Defense gehörte 2020 zudem zur Creme de la Creme der NFL. Mit Aaron Donald und Jalen Ramsey verfügt L.A. über die zwei vielleicht besten Verteidiger der NFL. An Star-Power mangelt es den Rams also definitiv nicht.

Dennoch ist der Trade für die Rams auch mit einigen Risiken verbunden. Los Angeles gibt für Stafford (mal wieder) wertvolle Picks ab. 2023 wird das siebte (!) Jahr in Folge ohne Erstrundenpick sein, der letzte Rams-Pick in der ersten Runde war Jared Goff im Jahr 2016.

Der 2017er Pick wurde 2016 abgegeben, um im Draft an die erste Position springen zu können. Für Brandin Cooks wurde der Pick 2018 fällig, 2019 tradete Los Angeles seinen Erst- und Sechstrundenpick für den Zweit- und Drittrundenpick der Falcons. Die Picks 2020, 2021, 2022 und 2023 wurden dann für Ramsey und Stafford abgegeben.

Ein solches Verschleudern von Erstrundenpicks ist in der NFL praktisch beispiellos, ein langfristiges Fundament aufzubauen erscheint angesichts dieses Vorgehens nahezu unmöglich. Teams sind auf günstige Rookie-Verträge angewiesen, um sich teure Superstars wie Donald oder Ramsey leisten zu können.

Die Rams befinden sich in den kommenden Jahr somit im Alles-oder-Nichts-Modus. Findet sich Stafford in McVays System wie erhofft zurecht, könnte das Team in den kommenden Jahren zu den Top-Teams in der NFL zählen. Die fernere Zukunft droht allerdings unangenehm zu werden.

Die Karriere-Statistiken von Matthew Stafford

JahrSpieleYardsCmp %TouchdownsInterceptions
200910226753,31320
2010353559,461
201116503863,54116
201216496759,82017
201316465058,52919
201416425760,32212
201516426267,23213
201616432765,32410
201716444665,72910
201816377766,12111
20198249964,3195
202016408464,22610

NFL: Was bedeutet der Trade für die Lions?

Detroit befindet sich am Anfang eines einschneidenden Rebuilds, das wurde in den vergangenen Tagen und Wochen immer deutlicher. Der neue Head Coach Dan Campbell wurde mit einem Sechsjahresvertrag ausgestattet, der neue General Manager Brad Holmes unterschrieb für fünf Jahre. Zusammen sollen sie ein neues Team in der Motor City aufbauen.

Dass Stafford kein Teil dieses Rebuilds sein würde, wurde bereits unmittelbar nach dem Ende der Regular Season klar. Nach Jahren der Erfolgslosigkeit wollte sich Stafford einem stärkeren Team anschließen, die Lions wiederum bevorzugten es, die Zukunft mit einem jüngeren Quarterback anzugehen. Die Trennung verlief somit einvernehmlich.

Ohne Stafford könnten Lions-Fans in der kommenden Saison allerdings (mal wieder) einige bittere Spiele erwarten. Die Defense zählte in den vergangenen Spielzeiten zu den schlechtesten in der NFL, ohne ihren Quarterback droht 2021 nun auch noch die Offense einzubrechen.

Mit Kenny Golladay und Marvin Jones Jr. werden die zwei besten Receiver des Teams in diesem Sommer zudem Free Agents. Gut möglich, dass Detroit beide ziehen lässt - Golladay womöglich per Tag-and-Trade - und sein Team mithilfe von Draft-Picks rund um junge Talente wie Tight End T.J. Hockenson neu aufbaut, ähnlich wie beispielsweise die Miami Dolphins in den vergangenen Jahren.

Für die Lions kommt der Trade mit den Rams somit beinahe einem Best-Case-Szenario gleich. Dass die Erstrundenpicks, die Detroit in dem Trade erhält, erst in den Jahren 2022 und 2023 zum Einsatz kommen, ist für die Franchise womöglich sogar von Vorteil, schließlich scheint die kommende Saison für die Lions ohnehin ein Übergangsjahr zu werden.

Goff verschafft Detroit außerdem weitere Variabilität. Der Quarterback wird 2021 aller Voraussicht nach Starting Quarterback in der Motor City, alles darüber hinaus steht in den Sternen. Die Lions könnten Goff 2022 theoretisch mit 15,5 Millionen Dollar Dead Cap entlassen, zwingend sind sie also nicht langfristig an den 26-Jähren gebunden.

Detroit kann seine Quarterback-Situation somit ganz entspannt angehen. Überzeugt Goff im Lions-Dress, könnte das Team ihn als Quarterback behalten oder Goff erneut traden. Sollte deutlich werden, dass er nicht die Lösung als Quarterback ist, könnte man sich relativ schmerzlos von dem einstigen Nummer-eins-Pick trennen.

NFL: Was bedeutet der Trade für Matthew Stafford?

Zwölf Jahre spielt Stafford nun schon in der NFL. Der 32-Jährige war der Nummer-eins-Pick im Jahr 2009, er wurde in den Pro Bowl gewählt und als Comeback Player of the Year ausgezeichnet. Nur ein Playoff-Spiel konnte Stafford noch nie gewinnen.

Obwohl Stafford seit seinem Eintritt in die Liga fast durchgängig ein überdurchschnittlich guter Starting Quarterback war, gewann Detroit in dieser Zeit nur zweimal mehr als neun Spiele, acht Spielzeiten wurden mit einer negativen Bilanz abgeschlossen, kein einziges Mal gewann die Franchise die eigene Division. Diese Pleitenserie soll in Los Angeles nun endlich zu Ende gehen.

Sean McVay ist es gelungen, mit einem klar limitierten Quarterback wie Goff, der wenig bis gar nicht über das Scheme hinaus produzieren kann, in vier Jahren 43 Spiele zu gewinnen, dreimal in die Playoffs und einmal in den Super Bowl einzuziehen. Mit Stafford wird das Team nochmal einen klaren Schritt nach vorne machen - das ist zumindest die Hoffnung in Los Angeles.

Stafford könnte somit erstmals in seiner Karriere bei einem Playoff-Contender spielen und somit seinen ersten Playoff-Sieg, womöglich sogar seinen ersten Super-Bowl-Ring, einfahren.

Das Talent des 32-Jährigen war in der NFL seit seiner Rookie-Saison stets offensichtlich. Stafford ist in der Lage, jeden Wurf auf dem Feld zu treffen, er verfügt über einen starken Arm und eine sehr gute Genauigkeit. In den Augen vieler Beobachter zählt Stafford seit Jahren zu den unterschätzten Quarterbacks in der NFL.

Für den Veteranen geht es in Los Angeles somit neben der Chance auf Teamerfolge auch um sein eigenes Vermächtnis. Bleibt Stafford als ein Quarterback unter vielen im Gedächtnis? Oder steigt er nach mehr als zehn Jahren in der Liga nochmal in den Kreis der absoluten Top-QBs auf?

Goff wurde 2018, in der erfolgreichsten Saison der Rams unter McVay, zwischenzeitlich als MVP-Kandidat gehandelt. Stafford ist der bessere und talentiertere Quarterback. Kann ihm dieses Kunststück in neuem Umfeld also auch gelingen? Es wäre das erste Mal in seiner Karriere, dass er in solche Sphären aufsteigt.

NFL: Was bedeutet der Trade für Jared Goff?

Goff verkörpert die Kurzlebigkeit von Erfolg in der NFL wie kaum ein zweiter Spieler. Als Nummer-eins-Pick und Heilsbringer zu den Rams gekommen, spielte Goff eine schreckliche Rookie-Saison (fünf Touchdowns, sieben Interceptions). Unter Sean McVay blühte Goff dann jedoch auf und zauberte zwei (zumindest statistisch) herausragende Saisons auf den Rasen.

Die Rams erreichten mit Goff als Quarterback in dessen dritter Saison den Super Bowl, das Timing hätte für ihn besser nicht sein können: Goff unterschrieb eine Vertragsverlängerung um vier weitere Jahre für 134 Millionen Dollar und stieg zu einem der bestbezahlten Quarterbacks der Liga auf.

Hinter einer schwächeren O-Line konnte der Rams-Quarterback seine Leistungen allerdings nicht konservieren. Goff wackelte bedenklich, in den Playoffs wollte sich McVay nicht eindeutig auf ihn als Starting Quarterback festlegen, nach dem Saisonaus entzog auch General Manager Les Snead seinem Quarterback öffentlich das Vertrauen.

In Detroit wird es für Goff somit nun darum gehen, seinen Ruf wiederherzustellen und sich zumindest als solider Starting Quarterback präsentieren zu können. Andernfalls droht ihm schon in naher Zukunft eine Entlassung und womöglich ein Dasein als Backup.

Die Frage ist, wie wahrscheinlich dieser Schritt nach vorne in Detroit ist. Das Outside-Zone-Scheme, das McVay in Los Angeles installierte, zählt zu den Quarterback-freundlichsten in der NFL. Baker Mayfield spielte in einem ähnlichen System unter Kevin Stefanski in Cleveland groß auf, auch Mitchell Trubisky in Chicago und Jimmy Garoppolo in San Francisco profitierten davon.

Anthony Lynn, der neue Offensive Coordinator der Lions, setzt allerdings auf ein anderes System. Goff wird wahrscheinlich mehr klassische Dropbacks mit komplexeren Reads und weniger offenen Receivern spielen müssen. Ob er auch unter diesen Umständen überzeugen kann, bleibt abzuwarten.

Ein Vorteil für Goff: Lions-GM Holmes galt in der Vergangenheit als großer Fan des Quarterbacks. 2016, als die Rams Goff mit dem ersten Pick des Drafts auswählten, war Holmes als Scouting-Direktor des Teams für diese Entscheidung mitverantwortlich. Womöglich hofft Holmes also tatsächlich, dass Goff in Detroit noch zu einem guten Quarterback reifen kann. Mehr als ein Jahr, um sich zu beweisen, wird dieser bei seinem neuen Team allerdings wohl kaum bekommen.