SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt Euch am Montag mit seinen zehn wichtigsten Punkten und Einschätzungen zum vergangenen NFL-Wochenende auf Stand.
1. Können die Ravens mit Lamar Jackson einen Titel gewinnen?
Zumindest die "Lamar Jackson kann keine Playoff-Spiele gewinnen"-Storyline bleibt den Ravens nach dem Sieg am Wildcard-Wochenende in Tennessee erspart. Ein anderes Narrativ aber wird sich beharrlich halten: Baltimore bekommt Probleme, wenn die Ravens über den Pass kommen müssen. Ergo: Wenn Lamar Jackson werfen muss.
Und man kann - nein: man muss - hier in Nuancen diskutieren, und dazu kommen wir auch gleich. Aber wenn wir von Narrativen reden, ist auch klar, dass die Sicht auf die Ravens ohne einen starken Schlussspurt in der Regular Season nochmal ganz anders ausfallen würde. Baltimore gewann seine letzten fünf Spiele in der Regular Season, abgesehen von den Cleveland Browns war da aber kein Gegner mit dabei, der als Gradmesser für ein derart ambitioniertes Team fungieren sollte.
Außerdem war die Geschichte dieser Saison vor allem das wiederentdeckte Run Game. Die Ravens walzten am Boden nur so über zahlreiche Defenses - während Jackson seit Woche 11, inklusive Playoffs, genau ein Mal mehr als 190 Passing-Yards auflegte: 243 gegen die Jaguars.
Auch dafür gibt es selbstredend mehrere Erklärungen: Er musste nämlich gar nicht mehr werfen, zu dominant war Baltimore am Boden sowie in den meisten Spielen auch defensiv. Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Probleme im Passspiel - welche Baltimores erste Saisonhälfte prägten, als man gegen stärkere Gegner eben mehr auf das eigene Passspiel angewiesen war - nicht einfach verschwunden waren. Sie waren nur vorübergehend in den Hintergrund gerückt.
Das Playoff-Aus in Buffalo unterstrich abermals die nach wie vor vorhandenen Defizite. Dabei war der Wind zweifellos ein Faktor, aber die Bills stellten das strukturelle Problem in Baltimores Passing-Offense gnadenlos heraus: Buffalo blitzte die Ravens sehr aggressiv und forderte Baltimore heraus, den Ball dagegen mit einem konstanten Kurzpassspiel zu bewegen. Die Ravens waren der Herausforderung nicht gewachsen.
Nur sehr vereinzelt konnten Jackson und Co. den Ball über schnelle Pässe, etwa über Willie Snead, bewegen. Ironischerweise mit am besten bei dem Drive, der mit dem wohl spielentscheidenden Pick Six endete.
Ravens und Lamar Jackson: Mehr Waffen - neuer Offensive Coordinator?
Ich hatte meine Takeaways zu den Titans nach der Niederlage gegen Baltimore am Wildcard-Wochenende mit dem Ansatz begonnen, dass es für Teams lehrreich sein kann, zu überprüfen, ob man die für das Playoff-Aus maßgeblichen Gründe auf die ganze Saison übertragen kann - und falls dem so ist, wie gravierend diese Probleme sind und welche Schlüsse gezogen werden müssen.
Bei den Titans war das vor allem die Sturheit, mit welcher das Run Game durchgezogen wurde, selbst wenn Henry immer wieder in eine Wand lief. Bei den Ravens ist es die übergreifende Frage: Kann Baltimore in seiner aktuellen Konstellation auch nachhaltigen Erfolg über das Passspiel haben? Denn so einzigartig die Ravens-Offense für NFL-Verhältnisse auch ist, und so groß der X-Faktor ist, den Jackson selbst darstellt: Ohne ein Passspiel, das besser ist als jenes, was die Ravens dieses Jahr hatten, wird der Traum vom Titel ein Traum bleiben.
Die dafür notwendigen Maßnahmen führen in die Nuancen. Da ist einmal Jackson selbst, der als Passer einfach noch inkonstant ist. Fantastisch platzierte tiefe Out-Routes und Highlight-Pässe spät im Down wechseln sich mit verpassten Würfen und Plays, bei denen er unsägliche Sacks kassiert, ab. Jackson wird sich als Passer weiterentwickeln müssen, aber die Ansätze sind ohne jeden Zweifel da.
Die Ravens haben es verpasst, in der vergangenen Offseason ihr Waffenarsenal aufzustocken. Das hat sich schon früh in der Saison als massives Handicap herauskristallisiert, und dieses konnte Baltimore nie überwinden. Es fehlten schlicht die Outside-Waffen, ein echter X-Receiver, mehr Tight-End-Optionen. Defenses konnten das Feld gegen die Ravens zu häufig komprimieren und sich auf die Mitte des Feldes fokussieren, was Baltimore auch im Run Game wiederum Probleme bereitete.
Das muss die oberste Priorität für die anstehende Offseason sein. Und dann ist da der vielleicht größte Punkt, der Teil der Gleichung, bei dem der größte Umbruch stattfinden könnte: Der Posten des Offensive Coordinators.
Baltimore braucht mehr Kreativität im gesamten Passspiel
Die Defizite im Receiving Corps, die wackligere Offensive Line und Jacksons Inkonstanz, all das muss man bedenken. Doch umso wichtiger wäre es eben auch gewesen, dass Greg Roman ein Passspiel entworfen hätte, welches den Spielern und gerade Jackson mehr hilft.
So hat man zu häufig den Eindruck, dass die Routes isoliert stattfinden, dass Roman darauf baut, dass einzelne Spieler ihre Matchups gewinnen und dass Vielseitigkeit, Präzision und Kreativität in den Passing Designs zu häufig einfach komplett fehlten. Baltimore braucht mehr Qualität im Passspiel, sie brauchen mehr Konstanz von Jackson, aber in meinen Augen brauchen sie in erster Linie mehr von ihren Passing Designs. Mehr Route-Kombinationen, die sich unterstützen.
Greg Roman hat nicht zum ersten Mal in seiner Karriere genau damit Probleme. Bei den 49ers mit Colin Kaepernick gelang es ihm nicht, auf dem fantastischen frühen Erfolg im Run Game ein Passing Game weiter zu entwickeln. Auch die Bills blieben unter ihm zumeist eindimensional und lebten vor allem vom Option Run Game und darauf aufbauenden Deep Shots.
Lamar Jackson ist talentiert genug, um als Passer noch einen merklichen Sprung zu machen. Aber Roman hilft ihm aktuell überhaupt nicht dabei, sich weiterzuentwickeln. Das Option Run Game ist natürlich ein elementarer Bestandteil dieser Offense, und das ist auch Romans große Stärke.
Vielleicht wäre es der richtige Weg, ihm einen externen Passing Game Coordinator mit einer stärkeren Stimme zur Seite zu stellen, als das von außen betrachtet David Culley im Moment ist. Denn in der aktuellen Konstellation befürchte ich, dass wir die beste Version dieser Offense schon gesehen haben und die Probleme eher zunehmen werden.
2. Drew Brees: Glanzloser Abschied einer glanzvollen Karriere
Wenige Minuten vor dem Kickoff zum Spiel zwischen den New Orleans Saints und den Tampa Bay Buccaneers geriet die Meldung in Umlauf, die viele bereits seit einigen Wochen vermutet hatten: Jay Glazer von Fox vermeldete, dass Brees nach dieser Saison seine Karriere beenden wird. Die Zeit, um Brees' spektakuläre, von Rekorden gepflasterte Karriere zu würdigen, wird kommen - die Entscheidung aber ist in erster Linie gut nachvollziehbar, denn die Zeit war mehr als reif.
Brees hatte bereits in der vergangenen Offseason intensiv über das Karriereende nachgedacht, der Job in der TV-Kabine wartet. Und diese Saison unterstrich nochmal seine rapide wachsenden Limitierungen. Das stellte das Spiel gegen die Bucs zum Leidwesen der Saints eindrucksvoll unter Beweis.
Brees' Arm, man muss es so klar sagen, wirkte komplett fertig. Da war keine Power hinter den Würfen, alles musste über Timing, Touch und Präzision im Kurzpassspiel funktionieren und das führt eben zu einer sehr eindimensionalen Offense ohne jeglichen Spielraum für Fehler. Tampa spielte zunehmend mehr Man Coverage und blitzte Brees aggressiver, wohlwissend, dass man sich keine Big Plays einfangen wird. Der einzige Deep Shot kam über Jameis Winston beim von den Bears aus der Vorwoche geklauten Trick Play.
Brees in seinem potenziell letzten Spiel zu benchen und so aus einem traurigen Abschied einen Tiefschlag zu machen, schien aber dennoch keine echte Option für Sean Payton zu sein, auch wenn Winston New Orleans in diesem Spiel mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine bessere Chance auf einen Sieg gegeben hätte. Umso spannender wird hier jetzt der Blick auf die kommende Saison sein.
Die Saints haben kaum Cap Space, Taysom Hill wird mit seinem Vertrag definitiv im Team sein. Aber sieht Sean Payton in ihm tatsächlich einen Vollzeit-Starter? Können sie Winston halten und beispielsweise einen First-Round-Quarterback noch hinzufügen, um dann die kommende Saison als eine Art Quarterback-Übergangsjahr anzugehen?
Für Brees ist es ein - so es denn so kommt - trauriger Abschied; nur wenige der ganz großen Spieler bekommen einen Ritt in den Sonnenuntergang mit einem frisch angesteckten Ring am Finger. Für Brees, einen der besten Quarterbacks aller Zeiten, war die Chance darauf in den vergangenen Jahren ein gutes Stück weit besser als in dieser Saison.
3. Wie geht es für die Rams und Goff weiter?
Jared Goff und Carson Wentz waren einst die beiden ersten Picks im Draft, beide verlängerten jüngst ihre Verträge - und in beiden Fällen muss man sich die Frage stellen, ob die Teams diese Entscheidung rückblickend nochmal so treffen würden.
Bei den Eagles wäre die Antwort in einem ehrlichen Moment vermutlich noch deutlicher, auch wenn mögliche Kandidaten für den vakanten Head-Coach-Posten offenbar Wentz vor die Nase gesetzt bekommen.
Aber wie sehen die Rams Goff Stand heute? Am Montagmorgen nach dem Playoff-Aus in Green Bay, bei dem die Rams-Defense fraglos enttäuschte und die größte Story war - aber bei dem Goff selbst auch absolut nichts dazu beitrug, um L.A. eine Chance zu geben. Es war zumindest dahingehend auch ein passendes Saisonaus, denn Goff hat über weite Strecken sehr, sehr durchwachsen gespielt. In einer Offense, die Sean McVay nochmal Quarterback-freundlicher umgestaltet und noch mehr über das Kurzpassspiel aufgebaut hat.
Das ist auch der Kern der Debatte. Das System ist exzellent, Sean McVay ist ein fantastischer Head Coach und Play-Caller, die beiden Receiver passen ideal in das Scheme - ein Game Manager reicht per se, um schon eine hohe offensive Base-Line zu garantieren. Das Problem damit ist, dass dieser Game-Manager keinen Cap Hit über knapp 35 Millionen Dollar haben sollte, so wie Goff es nächstes Jahr hat. Und wenn doch, dann müsste er schon individuell betrachtet noch mehr zusätzlich leisten können - wie Goff es scheinbar nur sehr bedingt kann.
Teams fürchten auf der Quarterback-Position das Unbekannte, die Möglichkeit, dass man sich verschlechtern könnte, wenn man einen mittelmäßigen Quarterback abgibt und erst einmal wieder auf Jahre hin sucht, ehe man zumindest wieder Mittelmaß auf der Position findet. Aber wenn diese Quarterbacks dann Cap Hits jenseits der 30 Millionen Dollar schlucken, sollten dann nicht gerade Teams wie die Rams, die eine so starke offensive Basis haben, sich stärker nach Alternativen umschauen?
Die Rams kommen frühestens nach der 2021er Saison aus Goffs Vertrag raus (Cap Hit: 32,3 Millionen Dollar; Dead Cap: 30,9 Millionen Dollar). Bisher hat McVay die (Backup-)Quarterback-Position nahezu komplett ignoriert, sehen wir hier jetzt eine andere Vorgehensweise und einen echten Konkurrenten für Goff? Oder wird womöglich gar ein hoher Pick in die Position investiert?