Super Bowl LV ist nur noch wenige Stunden entfernt. Die Kansas City Chiefs wollen ihren Titel verteidigen, müssen dafür aber die Tampa Bay Buccaneers in ihrem Stadion schlagen. Die Bucs scheinen gerade in einem Bereich einen klaren Vorteil zu haben. Aber wird das reichen gegen Mahomes und Co.? SPOX macht den Head-to-Head-Vergleich.
Quarterbacks
Tom Brady (Buccaneers) vs. Patrick Mahomes (Chiefs)
Es ist so etwas wie das Treffen der Generationen. Die lebende Legende Tom Brady trifft in Patrick Mahomes auf den wohl spektakulärsten Quarterback der Gegenwart und Zukunft. Doch wer hat in Super Bowl LV die besseren Karten?
Basierend auf ihren Leistungen in der laufenden Spielzeit kann es nur eine Antwort geben: Mahomes! Der 25-Jährige liegt in allen relevanten Metriken klar vor Brady, speziell was DYAR, DVOA, QBR oder EPA/Play angeht. Brady warf letztlich mehr Touchdown-Pässe, spielte aber auch alle 16 Partien der Regular Season sowie ein Playoff-Spiel mehr.
Dennoch ist die Antwort auf den Super Bowl bezogen gar nicht mal so einfach, denn hier kommt dann Bradys enorme Erfahrung und seine Tendenz, in den ganz großen Momenten auf ein anderes Level zu schalten, ins Spiel.
Beide kommen sie gut mit Druck klar, genauso verstehen sie es sehr gut, das Spiel zu lesen, obgleich Brady hier weiterhin der Goldstandard ist. Beide bewiesen sie 2020, dass sie genügend Kraft im Arm haben, um auch die tiefen Pässe anzubringen, doch während Brady entgegen seiner früheren Tendenzen in New England deutlich häufiger tief warf (9,1 Intended Air Yards pro Passversuch, Rang 1 der NFL), ging es bei Mahomes in die andere Richtung: Er wirft kürzer als in den vergangenen paar Jahren (8,4 IAY/PA, Rang 13).
Kategorie | Brady | Liga-Rang | Mahomes | Liga-Rang |
DYAR | 1518 | 3 | 1720 | 1 |
DVOA (Prozent) | 25 | 4 | 31,7 | 2 |
EPA/Play | 0,301 | 5 | 0,312 | 3 |
Adjusted Net Yards per Attempt | 7,53 | 8 | 8,33 | 2 |
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Das hat zur Folge, dass sich der Anteil seiner Risikopässe klar reduzierte - und seine Receiver sind ohnehin in der Lage, auch nach dem Catch noch zahlreiche Yards zu produzieren (5,8 Yards after Catch pro Completion). Bradys derzeitige Receiver hingegen sind da weitaus weniger gefährlich nach dem Catch (4,5 YAC/Cmp).
Unterm Strich bleibt aber Mahomes der QB mit dem höchsten Potenzial, ein Spiel mit einem Play auf den Kopf zu stellen, zumal er in bestimmten Situationen auch mit den Füßen gefährlich sein kann. Insgesamt macht ihn das auf dem Papier zum besseren der beiden QBs.
Vorteil: Kansas City.
Running Backs Buccaneers vs. Linebacker Chiefs
Leonard Fournette, Ronald Jones, Ke'Shawn Vaughn vs. Anthony Hitchens und Damien Wilson
Die Bucs haben über die gesamte Saison (inklusive Playoffs) in neutralen Situationen - also solchen, in denen das Ergebnis noch nicht in irgendeiner Richtung außer Reichweite ist - eine Pass-Rate von 55,4 Prozent in early (1st, 2nd) Downs. Damit liegen sie ligaweit auf Rang 9.
Das heißt: Sie laufen noch verhältnismäßig oft in early Downs und stehen sich damit meist selbst im Weg (-0,062 EPA/Play). In aller Regel bringen die Laufspielzüge von Fournette oder Jones recht wenig in diesen Situationen. Der Grund, warum die Bucs dennoch darauf setzen, ist, dass sie darauf hoffen, wie im Spiel gegen die Packers eben doch mal einen längeren Run zu bekommen. Fournette lief da für einen 20-Yard-Touchdown.
Grundsätzlich jedoch sind weder Fournette noch Jones Spieler, auf die man ein Offensivkonzept aufbauen sollte. Das liegt vor allem daran, dass sie keine guten Receiver sind, was zahlreiche Drops von beiden bewiesen.
Was die Chiefs-Defense als Ganzes angeht, ist diese allerdings auch nicht eben stabil gegen den Run. Mit 2,6 Prozent DVOA gegen den Lauf belegen sie Rang 31 der Liga. Stoppen werden sie also in aller Regel niemanden. Ein großer Faktor dürfte das Laufspiel in dieser Partie aber ohnehin nicht werden.
Ausgeglichen.
SPOXRunning Backs Chiefs vs. Linebacker der Buccaneers
Clyde Edwards-Helaire, Le'Veon Bell, Darrel Williams und Anthony Sherman vs. Devin White und Lavonte David
Edwards-Helaire und Bell gehören der moderneren Kategorie der Running Backs an - beide sind sehr gute Receiver aus dem Backfield. Zudem sind sie extrem wendig und können auch auf dem Boden für Schaden sorgen, speziell dann, wenn der Gegner mit leichter Box agiert, was die Bucs in der Regel tun.
Allerdings verfügen die Bucs auch über eines der besten Linebacker-Duos der Liga. Sie sind sowohl gegen den Run als auch in Coverage exzellent, weil sie nicht nur die nötige Power mitbringen, sondern auch sehr schnell sind, was sehr wichtig werden kann, gerade gegen die Backs der Chiefs in Space - etwa bei Screens. Darüber hinaus stellen die Bucs die beste Rush-Defense der NFL (-31,4 Prozent DVOA).
Sicherlich wird gerade White auch in der Coverage von Travis Kelce mithelfen, aber mit Blick auf die Running Backs geben er und David den Bucs eine echte Chance, den Schaden gerade in Short-Yardage-Situationen, in denen Edwars-Helaire so gefährlich wa, in Grenzen zu halten.
Vorteil: Tampa Bay.
Receiver/Tight Ends Buccaneers vs. Secondary Chiefs
Mike Evans, Chris Godwin, Scotty Miller, Antonio Brown, Rob Gronkowski und Cameron Brate vs. Charvarius Ward, Bashaud Breeland, L'Jarius Sneed, Tyrann Mathieu und Daniel Sorensen
Evans gab Brady in dieser Saison etwas, was er seit geraumer Zeit nicht mehr hatte: einen echten X-Receiver. Die klare Nummer 1 im Passspiel der Bucs dürfte nach zwei schwierigen Matchups gegen Marshon Lattimore (Saints) und Jaire Alexander (Packers) im Super Bowl wieder mehr Freiheiten genießen, weil die Chiefs nicht über einen klaren Shutdown-Corner verfügen.
Speziell in der Red Zone ist Evans aufgrund seiner Größe und Athletik kaum zu halten. Hinzu kommt mit Chris Godwin ein verkappter Deep Threat im Slot, der zwar des Öfteren mit Butterfingern zu kämpfen, sich aber insgesamt mittlerweile auch Bradys Vertrauen erarbeitet hat.
Football-Begriffe im Überblick: Das NFL-Glossar!
Scotty Miller ist der etatmäßige Speedster des Teams und Antonio Brown, der noch auf der Kippe steht, wäre so etwas wie der X-Faktor. Vom Talent her gehört er immer noch zum oberen Drittel der Liga, die Frage ist jedoch, wie groß seine Rolle im Super Bowl sein wird.
Gleiches gilt auch für die Tight Ends: Speziell Gronkowski war zuletzt meist nur ein sehr effektiver Blocker, doch zeigte seine 29-Yard-Reception in Green Bay, dass er auch in diesem Bereich immer noch brandgefährlich ist.
Und die Chiefs-Secondary? Die wird alle Hände voll zu tun haben, gerade mit den Outside-Receivern. Hier herrscht durchaus ein Mismatch auf beiden Seiten. Die größte Gefahr geht hier allerdings von Safety Mathieu aus. Er wird versuchen, seine Ballhawk-Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Gleichzeitig aber ist er eine gefährliche Blitz-Option für die Chiefs.
Vorteil: Tampa Bay.
Receiver/Tight Ends Chiefs vs. Secondary Buccaneers
Tyreek Hill, Mecole Hardman, Demarcus Robinson, Sammy Watkins und Travis Kelce vs. Carlton Davis, Jamel Dean, Sean Murphy-Bunting, Antoine Winfield Jr. und Jordan Whitehead
Hill zerstörte die Bucs und Cornerback Carlton Davis in Woche 12 und kam auf 269 Yards (13 REC) und 3 Touchdowns. Er erzielte 17 Total Touchdowns in der Regular Season und ist genau wie Teamkollege Hardman auch äußerst gefährlich im Run Game bei Jet Sweeps und dergleichen.
Der Fokus der Bucs-Defense wird darauf liegen, seine Explosivität einzudämmen. Zone Coverage mit tiefen Safetys zur Absicherung dürfte angesagt sein. In der Regular Season waren die Bucs schließlich kläglich mit Man Coverage gescheitert.
Der aber wohl wichtigste Spieler dieser Gruppe ist Tight End Kelce, der zumeist im Slot oder außen aufgestellt ist und damit ein laufendes Mismatch ist. Auch seine Bewachung steht im Fokus. Hier kommen dann einer der Linebacker und ein Safety - wohl Winfield - ins Spiel.
Insgesamt aber dürfte es kaum möglich sein, diese ausgezeichneten Playmaker allesamt zu stoppen, zumal Robinson und Watkins auch noch da sind und den Bucs irgendwann schlichtweg die Leute ausgehen, um all diese Qualität adäquat zu covern.
Vorteil: Kansas City.
Offensive Line Buccaneers vs. Defensive Front Chiefs
Donovan Smith, Ali Marpet, Ryan Jensen, Aaron Stinnie, Tristan Wirfs vs. Tanoh Kpassagnon, Chris Jones, Derrick Nnadi, Frank Clark und Alex Okafor
Die Offensive Line der Bucs gehört zum Besten, was die NFL in dieser Saison auf die Beine gestellt hat. Mit ihrer Adjusted Sack Rate von 4,3 Prozent (22 Sacks) belegt sie Platz 3 der NFL. Speziell Rookie-Right-Tackle Wirfs entwickelte sich schnell sehr gut und ist zu einer echten Bank geworden.
Im Super Bowl steht jedoch ganz klar die Interior Line im Fokus, denn hier liegt die größte Gefahr für Brady - Chris Jones! Der Defensive Tackle zählt zu den besten Inside-Pass-Rushern der Liga und kam in dieser Spielzeit auf 7,5 Sacks und 44 Pressures. Wollen die Chiefs, die als Gesamt-Line auf eine Adjusted Sack Rate von gerade mal 6,2 Prozent (32 Sacks) kommen, den QB unter Druck setzen, muss das vor allem von Jones ausgehen.
Ebenfalls im Fokus stehen wird aber auch Edge Rusher Frank Clark, der in dieser Saison eher schwache Leistungen zeigte, im Championship Game gegen die Bills jedoch erwachte und 2 Sacks erzielte. Eine ähnliche Leistung im Super Bowl wäre sehr wichtig für KC.
Vorteil: Tampa Bay.
Offensive Line Chiefs vs. Defensive Front Buccaneers
Mike Remmers, Nick Allegretti, Austin Reiter, Stefen Wisniewski, Andrew Wylie vs. Jason Pierre-Paul, Ndamukong Suh, Vita Vea, William Gholston, Shaquil Barrett
Die Personalsituation der Chiefs in ihrer Offensive Line ist bedenklich. Ein einziger nomineller Starter vom Saisonstart blieb im Laufe der Spielzeit vom Verletzungspech verschont (Center Reiter). besonders auf den Tackle-Positionen muss tief in die Depth Chart gegriffen werden.
Remmers, der über weite Strecken für den verletzten Mitchell Schwartz auf Right Tackle startete, muss nun erstmals seit ein paar Jahren wieder Left Tackle spielen. Und der neue Right Tackle Wylie ist eigentlich Guard.
Ein gefundenes Fressen eigentlich für die Bucs-Front, die bereits einer angeschlagenen Packers-O-Line (5 Sacks) ordentlich zugesetzt hatte und davor auch gegen die Saints sehr effektiv auftrat. Speziell Pierre-Paul und Barrett stehen im Mittelpunkt, haben sie doch die vermeintlich direkten Duelle mit den Ersatz-Tackles. Allerdings ist hier zu erwarten, dass gerade gegen Barrett Double-Teams gestellt werden.
Letzteres reißt dann aber Lücken für Suh und Vea in der Mitte, was ebenfalls zu größeren Problemen führen wird. Wollen die Bucs die Chiefs-Offense zumindest mal stören, muss der Druck aus der Front kommen.
Vorteil: Tampa Bay.
Special Teams: Buccaneers vs. Chiefs
Ryan Succop (Kicker), Bradley Pinion (Punter), Jaydon Mickens (Returner) vs. Harrison Butker (Kicker), Tommy Townsend (Punter), Mecole Hardman (Returner)
Grundsätzlich sollte für beide Teams das Ziel sein, die eigenen Special Teams so selten wir möglich aufs Feld schicken zu müssen. Bedeutet: Field Goals werden diese Partie nicht entscheiden, ebenso wenig sollte allzu viel gepuntet werden aus Sicht der jeweiligen Offense.
Was die beiden Teams im Einzelnen angeht, lässt sich feststellen, dass beide Units durchwachsene Spielzeiten hatten. Und sie nehmen sich auch nicht viel bei genauerer Betrachtung. Beide Kicker waren einigermaßen zuverlässig, vergaben aber auch etwa gleich viele Field Goals und Extrapunkte.
Auch im Return-Game gab es nur marginale Unterschiede, obgleich gerade Bucs-Returner Mickens in den Playoffs durchaus gute Leistungen zeigte.
Ausgeglichen.
Coaches: Buccaneers vs. Chiefs
Bruce Arians (Head Coach), Byron Leftwich (Offensive Coordinator), Todd Bowles (Defensive Coordinator) vs. Andy Reid (Head Coach), Eric Bieniemy (Offensive Coordinator), Steve Spagnuolo (Defensive Coordinator)
Sehen wir hier das vielleicht größte Mismatch im Spiel? Während Arians erstmals im Super Bowl steht, ist es für Reid bereits der dritte Anlauf. Doch das ist kaum relevant, abgesehen von der Gameday-Routine.
In den vergangenen paar Jahren hat wohl kein Coaching Staff offensiv ein schlüssigeres, flüssigeres und explosiveres Scheme auf die Beine gestellt als die Coaches der Chiefs. Sie sind nicht nur das Team, das mit Abstand am häufigsten in early Downs wirft und entsprechend effizient ist, sie vertrauen auch wohl am meisten auf ihr Scheme.
Alles wirkt inhaltlich schlüssig, alles baut aufeinander auf. Selbst bei 4. Versuchen gibt es kein Zögern, stattdessen steht direkt der nächste Spielzug parat.
Bei den Bucs dagegen scheint das Grundprinzip zu häufig zu lauten, sich auf die individuelle Klasse der Spieler zu verlassen. Zudem wird hohes Risiko gegangen, was aber auch Folge der eigenen Philosophie ist. Zu oft bringt sich das Team mit unnötigen Läufen in early Downs unter Druck, sodass lange 3rd Downs mit langen, riskanten Pässen korrigiert werden müssen.
Brady und seinen Receivern gelingt das zwar häufg, aber auf Dauer scheint das kein allzu tragfähiges Konzept zu sein. Die Bucs-Offense ist eine klare Boom-or-Bust-Offense, die entweder das Big Play schafft oder schnell wieder vom Feld geht. Die Offensive der Chiefs dagegen setzt mehr auf Ballkontrolle mit kürzeren Pässen, die aber aufgrund der individuellen Stärken der Waffen dennoch stets gefährlich ist.
Vorteil: Kansas City.
Super Bowl LV: Prognose
Es ist oft die Rede davon, dass Tagesform höhere Klasse schlagen kann. Genauso gewinnt man mit guter Defense Meisterschaften und so weiter. Noch dazu habe ich vor der Saison auf einen Super-Bowl-Sieg der Buccaneers getippt - wenn auch gegen Baltimore. Doch letztlich scheint es schwer vorstellbar, dass die Bucs wirklich den ganz großen Wurf schaffen.
Ja, sie haben den GOAT als Quarterback. Und ja, sie haben wohl den Vorteil an der Line of Scrimmage - auf beiden Seiten, was per se ein Pfund ist. Doch wird das wirklich relevant sein? Letztlich ist die Offense der Chiefs einfach extrem stark und Mahomes und seine Anspielstationen eine Klasse für sich.
Für die Bucs müsste alles richtig laufen, was schon aufgrund des Play Callings, das auch in den vergangenen Wochen immer mal wieder für Kopfschütteln sorgte, eher unwahrscheinlich erscheint. Daher: 34:24 Kansas City.