Kein Team sorgte am Montag zum Start der "Legal Tampering Period", also der Phase, in der Teams zwar mit Free Agents verhandeln, aber noch keine Verträge unterschreiben können, für so viel Aufsehen wie die Patriots. Nachdem bereits in den vergangenen Tagen die Offensive Line mit Trent Brown verstärkt wurde und mit Quarterback Cam Newton die QB-Frage zumindest mal kurzfristig beantwortet wurde, legte General Manager Bill Belichick so richtig los.
Die seit Gronkowskis zwischenzeitlichem Karriereende 2018 klaffende Lücke auf der Tight-End-Position wurde mit dem Topathleten Jonnu Smith (Titans) beachtlich geschlossen. Der zuletzt eher brachliegende Pass Rush bekam mit Matt Judon (Ravens) ein sehenswertes Upgrade. Zudem wurden kleinere Baustellen mit den Defensive Linemen Davon Godchaux (Dolphins) und Henry Anderson (jets) sowie Defensive Back Jalen Mills (Eagles) in der Defensive geschlossen.
Offensiv kamen mit Deep Threat Nelson Agholor (Raiders) und Kendrick Bourne (49ers) immerhin vorzeigbare Sekundärwaffen dazu. Dass vor allem Guard Joe Thuney (Chiefs) das Team verließ, war hingegen keineswegs überraschend. Zu umkämpft war sein Markt. Der Abgang allerdings wurde bereits indirekt durch Brown kompensiert.
Mit all diesen Neuzugängen - und die Patriots werden sicherlich noch nicht fertig sein mit ihren Transferaktivitäten - wurde das Gesamtniveau des im Vorjahr eher schwächeren Kaders umfassend erhöht. Keine Frage. Doch reicht das auch, um an die Spitze zurückzukehren, was unterm Strich das Ziel dieser so erfolgreichen Organisation (Rekordmeister mit sechs Super-Bowl-Titeln) sein muss?
Oberflächlich betrachtet wahrscheinlich nicht. Und das liegt nicht nur an der Tatsache, dass weiterhin offen ist, ob Center David Andrews zurückkehren wird. Die restliche Offensive Line steht in welcher Konfiguration auch immer - Brown könnte rechts oder links spielen, davon abhängend wird Michael Onwenu Left Guard oder Right Tackle spielen.
Patriots: Quarterback-Frage weiter ungeklärt
Vielmehr bereitet weiterhin der Quarterback-Posten Kopfzerbrechen. Newton bleibt, doch lassen sich die Patriots mit der Art seines Vertrags ungewohnt deutlich in die Karten schauen. Sein Deal enthält Garantien in Höhe von gerade mal 3,5 Millionen Dollar. Der Rest sind diverse Boni. Will heißen: wir reden hier über einen handelsüblichen Kontrakt für einen Backup.
Ein Backup, der nur im Falle eines Notfalls zu vielen Einsätzen kommt und somit größeres Geld verdient - im absoluten Erfolgsfall bis zu 14 Millionen Dollar. Dieser Fall beinhaltet allerdings einen Super-Bowl-Sieg sowie MVP- und Pro-Bowl-Ehren für Newton, der im Vorjahr mehr Interceptions (10) als Touchdowns (8) warf.
Insofern ist die Quarterback-Personalie keineswegs geklärt. Newton ist lediglich ein Platzhalter, der den Free Agents dort draußen signalisieren sollte, dass immerhin ein gewisser Plan vorhanden ist. Obgleich letzten Endes wohl vor allem die üppigen Beträge bei den Angeboten die größte Überzeugungsarbeit geleistet haben dürften.
Doch wie löst man nun die QB-Frage? Erwartungsgemäß nicht in der Free Agency, wo schlicht kein adäquates Upgrade gegenüber Newton zu finden war. Im Raum steht weiter ein Trade, mutmaßlich für Jimmy Garoppolo von den 49ers, doch jene wiegeln weiter ab. Das könnte sich freilich ändern, sollten sie am Drafttag ihren QB der Zukunft finden, sei es Trey Lance (North Dakota State) oder auch Mac Jones (Alabama).
Patriots: Die bisherigen Free-Agent-Deals 2021
Spieler | Position | Vorheriges Team | Vertragslänge (Jahre) | Gesamtgehalt (Dollar) |
Matt Judon | Edge Rusher | Ravens | 4 | 56.000.000 |
Jonnu Smith | Tight End | Titans | 4 | 50.000.000 |
Jalen Mills | Defensive Back | Eagles | 4 | 24.000.000 |
Nelson Agholor | Wide Receiver | Raiders | 2 | 22.000.000 |
Deatrich Wise Jr. | Edge Rusher | Patriots | 4 | 22.000.000 |
Davon Godchaux | Defensive Tackle | JDolphins | 2 | 16.000.000 |
Kendrick Bourne | Wide Receiver | 49ers | 3 | 15.000.000 |
Henry Anderson | Defensive Lineman | Jets | 2 | 7.000.000 |
Gleichzeitig jedoch darf nicht ausgeschlossen werden, dass die Patriots selbst auf den Draft schielen, um einen von den Genannten zu ziehen. Allerdings bräuchte es auch in diesem Szenario mindestens einen Trade, um von Position 15 in die Top 10 zu springen.
Die bisherigen Transaktionen in dieser Free Agency jedoch lassen auch die Möglichkeit offen, dass im Draft das Receiving Corps weiter verbessert werden könnte. Es gibt nicht wenige, die Newtons Vorjahresprobleme mit vor allem zwei Faktoren begründen. Zum einen die Corona-bedingt fehlende Offseason und zum anderen die wenig verheißungsvollen Waffen.
Der zweimalige All-Pro, Colts-Linebacker Darius Leonard, umschrieb diese Theorie recht treffend auf Twitter: "Ich kann es kaum erwarten, Cam Newton diese Saison an die Arbeit gehen zu sehen mit einer vollen Offseason mit den Patriots. Der Typ ist ein Baller, Ihr seid alle verrückt!"
Mit Smith hat Newton nun endlich ein veritables Target über die Mitte. Tight End Greg Olsen hatte seine besten Jahre in der NFL mit Newton als Quarterback in Carolina und war anschließend nur noch ein Schatten seiner selbst. Womöglich hilft Newton der neue Tight End auf ähnliche Weise. Was fehlt, ist ein klarer Nummer-eins-Receiver, zumal Julian Edelmans Zukunft aufgrund seiner Knieproblematik in den Sternen steht.
Patriots: Hilft verbessertes Waffenarsenal Cam Newton?
Doch immerhin sieht das Receiving Corps schon zu Beginn dieser Free Agency deutlich flexibler und hochwertiger aus als im Vorjahr, als noch darauf gesetzt wurde, dass der 2019er Erstrundenpick N'Keal Harry in seiner zweiten Saison den Durchbruch schaffe und zur verlässlichen Nummer 2 gegenüber von Edelman werden würde. Mittlerweile ist es wahrscheinlicher, dass Harry, aktuell wohl nur noch Option Nummer 5 in der Depth Chart, via Trade oder Cut abgegeben wird.
Die Patriots haben also schon früh die Situation auf beiden Seiten des Balls verbessert. Was fehlt, ist etwa noch ein 3rd-Down-Running-Back mit dem drohenden Abgang von James White. Ebenso muss die Linebacker-Crew aufgefrischt werden, um gerade dem Run Game defensiv wieder kompetenter Herr zu werden. Für beide Planstellen bieten sich allerdings im Draft interessante Optionen an, sodass hier kein teures Free-Agent-Geld erforderlich sein sollte.
Doch auch mit all diesen Upgrades bleibt der zentrale Punkt, dass Newton realistisch betrachtet weiter nur die Übergangslösung ist. Bis den Patriots auf welche Weise auch immer der nächste Franchise-Quarterback in den Schoß fällt. Und wer keinen Franchise-Quarterback hat, braucht bekanntermaßen dringend einen.
Wann das sein wird, ist unklar, sodass es falsch wäre, die Patriots nur aufgrund ihrer immensen Investitionen zum Start dieser Free Agency wieder in den Favoritenkreis aufzunehmen.