Die erste Woche der Free Agency liegt hinter uns, zahlreiche Spieler haben sich neuen Teams angeschlossen. Welche Teams konnten besonders gute Deals einfädeln? Und für wen verliefen die Tage eher enttäuschend? Die Gewinner und Verlierer nach der ersten Welle der Free Agency.
Bucs, Herbert, Washington: Die Gewinner der Free Agency
Tampa Bay Buccaneers
Der Super-Bowl-Hangover ist im NFL-Kosmos ein weit verbreiteter Begriff. Es ist unheimlich schwer, den eigenen Kader nach einem Super-Bowl-Sieg beisammen zu halten. In dieser Offseason - mit einem drastisch reduzierten Cap - galt dies umso mehr. Mit Chris Godwin, Lavonte David und Shaq Barrett sollten zudem gleich drei Leistungsträger des Champions Free Agents werden. Und doch gelang es Bucs-GM Jason Licht alle drei zu halten.
Godwin erhielt den Franchise Tag, David verlängerte noch vor Beginn der Free Agency. Nur wenige Minuten nach der Öffnung des offiziellen Verhandlungsfensters am Montag zog dann auch Barrett nach. Der Deal des Pass-Rushers kann dabei obendrein als durchaus teamfreundlich beschrieben werden, Barrett unterschrieb für deutlich weniger als vergleichbare Spieler wie Joey Bosa oder Myles Garrett.
Einen Tag später unterschrieb auch Rob Gronkowski einen neuen Vertrag in Tampa Bay. Bei Ndamukong Suh, Antonio Brown und Leonard Fournette scheinen die Bucs obendrein gute Karten zu haben. Es stimmt, in drei, vier Jahren dürfte die Franchise in Form von Dead Money mit den Folgen der diesjährigen Offseason zu kämpfen haben und wird sich dann in der Post-Brady-Ära ohnehin neu aufstellen müssen. Für den Moment gilt jedoch: Tampa Bay verfügt über einen der besten Kader der NFL, daran wird sich in dieser Offseason nichts ändern.
Justin Herbert
Herberts Rookie-Saison zählte zu den größten Überraschungen der vergangenen Saison. Innerhalb weniger Monate verwandelte sich der 23-Jährige von einem jungen Quarterback, den viele Draft-Experten äußerst kritisch beäugt hatten, zu einem der größten Talente der NFL. Im Rennen um den Offensive Rookie of the Year stach er sogar den sensationell aufspielenden Justin Jefferson aus.
Herberts Leistungen waren besonders eindrucksvoll, weil er bei den Chargers hinter einer der schwächsten Offensive Lines der Liga spielte und eigentlich viel zu häufig unter Druck stand. Diese Baustelle mussten die Chargers in diesem Frühjahr also angehen, um die Entwicklung ihres jungen Stars bestmöglich zu unterstützen. Und genau das haben die Chargers getan.
Corey Linsley war kein Schnäppchen, sein Preis jedoch angemessen. Als einer der besten Center der Liga sollte er Los Angeles' O-Line sofort auf ein neues Level heben. Dazu kommt Matt Feiler, ein solider und flexibler Blocker, ebenfalls zu einem zu einem akzeptablen Preis. Angesichts der Verletzungsprobleme von Right Tackle Bryan Bulaga ist insbesondere Feilers Variabilität Gold wert. Mit Tight End Jared Cook verpflichteten die Chargers zudem einen guten Ersatz für Hunter Henry.
Noch fehlt ein weiterer guter Tackle, für den Moment kann Herbert aber mehr als zufrieden mit seiner Franchise sein. Gut denkbar, dass L.A. diese Position jetzt nochmal hoch im Draft adressiert.
Washington Football Team
Als Washington im Januar Marty Hurney als seinen neuen Football-Vizepräsidenten vorstellte, überwog in den Augen der meisten Beobachter Skepsis. War der 65-Jährige, der gerade erst bei den Panthers entlassen worden war, tatsächlich der richtige Mann, um das Football Team in eine erfolgreiche Zukunft zu führen? Nach der ersten Woche der Free Agency muss festgehalten werden: Die ersten Schritte sind vielversprechend.
Mit Wide Receiver Curtis Samuel holte Washington endlich die zweite gute Waffe an die Seite von Terry McLaurin. Samuel braucht eine auf ihn zugeschnittene Rolle in der Offense, bringt jedoch Fähigkeiten mit, über die nur wenige Spieler in der NFL verfügen. Zudem ist er erst 24 Jahre alt. William Jackson III könnte in der Secondary zudem ein Upgrade gegenüber dem abgewanderten Ronald Darby sein - und das zu einem angemessenen Preis.
Das größte Upgrade gelang dem Football Team allerdings auf der wichtigsten Position: Neuer Starting Quarterback wird 2021 Ryan Fitzpatrick. Der 38-Jährige ist kein Top-Quarterback, bewies sein Starterniveau über die vergangenen Saisons jedoch eindrucksvoll. Mit Fitzpatrick erhöht sich das Ceiling dieser Offense gegenüber Alex Smith eindeutig. Noch fehlen dem Team einige Puzzleteile, insbesondere eine langfristige Lösung auf der QB-Position. Die vergangenen Tage waren allerdings erfolgversprechend.
New York Jets
Seit Jahren zählen die Jets jeden Frühling aufs Neue zu den Teams mit dem meisten Cap Space und den meisten Needs. Immer wieder händigte die Franchise einige der höchstdotierten Verträge aus, häufig bezahlte das Team dabei zu viel, zum Beispiel für Spieler wie C.J. Mosley, Le'Veon Bell oder Trumaine Johnson. Unter dem neuen GM Joe Douglas befanden sich die Jets 2021 erneut in einer solchen Situation - die Strategie hat sich jedoch offensichtlich geändert.
Mit Carl Lawson und Corey Davis verpflichtete New York zwar erneut durchaus kostspielige Spieler, beide adressieren allerdings echte Needs und dürften die Jets besser machen. Darüber hinaus bezahlte Douglas nicht zu viel: Davis unterschrieb für ähnlich viel Geld wie Nelson Agholor, der zu den Patriots ging, Lawson war günstiger als beispielsweise Leonard Floyd und Bud Dupree.
In den vergangenen Tagen verpflichtete das Team zudem Keelan Cole und Lamarcus Joyner mit günstigen Einjahresverträgen, auch diese könnten in der richtigen Rolle eine echte Verstärkung für das Team von Robert Saleh sein. Die Jets sind nach wie vor weit von einem Super-Bowl- oder sogar einen Division-Titel entfernt. Es scheint jedoch, als hätte Gang Green endlich eine nachhaltigere Offseason-Strategie gefunden.
Arizona Cardinals
Man muss nicht alle Entscheidungen der Cardinals über die vergangenen Tage unterschreiben. Inwieweit A.J. Green die Offense in diesem Stadium seiner Karriere wirklich verstärken kann, ist fragwürdig. Ein Drittrundenpick für einen teuren und bald 32 Jahre alten Rodney Hudson war ein stolzer Preis. Zudem wäre die Cornerback-Position Stand heute ein klarer Schwachpunkt im Team. Insgesamt muss jedoch festgehalten werden: Die Cardinals scheinen ein besseres Team als noch 2021 zu haben. Und das, ohne ungerechtfertigte Ressourcen investiert zu haben.
J.J. Watt war zwar teuer, könnte Arizonas Defensive Line jedoch kurzfristig auf ein neues Level heben. Das Zusammenspiel mit Chandler Jones dürfte beiden Stars entgegenkommen, zudem konnte Markus Golden kostengünstig gehalten werden - ein echter Steal.
Ähnliches gilt in der Offense, wo Hudson zwar kein Schnäppchen war, für die Offensive Line jedoch ein klares Upgrade sein sollte. Kelvin Beachum, der als Right Tackle gehalten wurde, ist mit seinem spottbilligen Zweijahresvertrag zudem eine der besten Verpflichtungen der Free Agency. Von diesen Deals dürfte auch Kyler Murray profitieren.
Noch dürfen sich die Cardinals nicht am Ende ihrer Offseason sehen: Es fehlt noch mindestens ein Cornerback, im besten Fall kommt zudem noch ein weiterer Receiver. Die ersten Schritte zu einer klaren Verbesserung gegenüber der Vorsaison sind jedoch bereits getan. Darauf lässt sich aufbauen.
Jameis Winston
Rund ein Jahr ist es her, da galt Winston noch als einer der großen Verlierer der Offseason 2020. Nachdem der Quarterback für die Bucs in einer Saison 30 Interceptions geworfen hatte, wollte ihn niemand mehr als Starter haben. Winston unterschrieb schließlich für kümmerliche 1,1 Millionen Dollar bei den Saints - ein Schritt, der sich zwölf Monate später auszuzahlen scheint.
Winston kam in New Orleans zwar nie über den Status des Backups hinaus, konnte jedoch ein Jahr lang unter Drew Brees und Sean Peyton lernen. Nach Brees' Karriereende hat Winston nun beste Chancen bei den Saints als Starting Quarterback übernehmen zu dürfen. Eine große Chance für den 27-Jährigen.
In New Orleans wird Winston hinter einer der besten Offensive Lines und in einem durchaus Quarterback-freundlichen Scheme spielen können, davon ausgehend, dass er sich gegen Taysom Hill durchsetzt. Möglich, dass der einstige Nummer-eins-Pick sein immenses Potenzial unter diesen Umständen endlich abrufen können wird. Allzu viel verdienen wird Winston in New Orleans zwar erneut nicht, die langfristige Perspektive sieht jedoch ausgezeichnet aus. Nun liegt es an ihm, diese Chance zu nutzen.
Chicago, Titans - Burrow? Die Verlierer der Free Agency
Chicago Bears
Mangelnden Einsatz kann man den Bears nach dem enttäuschenden Ende der Trubisky-Ära nicht vorwerfen. Chicago versuchte mit allen Mitteln, endlich einen starken Quarterback in die Windy City zu lotsen. Den Seahawks soll die Franchise drei Erstrundenpick, einen Drittrundenpick und zwei Starter angeboten haben - doch Seattle lehnte ab, die Bears gingen leer aus. Auch im Wettbieten um Trent Williams zog Chicago den Kürzeren und bei Kenny Golladay waren die Bears ebenfalls bis zum Schluss mit dabei.
Umso enttäuschender dürfte der Verlauf der Free Agency letztlich für Bears-Fans gewesen sein. Mit Andy Dalton wurde wie schon im Vorjahr ein unterdurchschnittlich guter Starter als neuer Starting Quarterback vorgestellt. Ist Dalton ein Upgrade gegenüber Nick Foles und Mitchell Trubisky? Womöglich ja. Kann er die Bears in den Kreis der Contender heben? Klares Nein.
Daltons Verpflichtung führt die Franchise somit nirgendwo hin. Chicago steckt seit Jahren im Mittelmaß fest, daran dürfte sich in der kommenden Saison wenig ändern. Besonders frustrierend für Bears-Fans zudem: Um Platz für Dalton unter dem Cap zu schaffen, entließ das Team sogar Cornerback Kyle Fuller.
Las Vegas Raiders
Welchen Plan haben die Raiders? Ein echtes Konzept lässt sich in der Offseason des Teams selbst mit Wohlwollen kaum feststellen. Las Vegas tradete drei Starting Offensive Linemen und verwandelte die große Stärke des Teams somit innerhalb weniger Tage in eine große Baustelle. Eine der namhaftesten Verpflichtungen wurde wenig später Running Back Kenyan Drake - und das trotz Josh Jacobs als klarem Lead Back.
Ein Fokus der Raiders lag ganz offensichtlich in der Stärkung der Defensive Line. Eine Problemzone, die mit soliden bis guten Verpflichtungen von Yannick Ngakoue, Quinton Jefferson und Solomon Thomas sogar zufriedenstellend angegangen wurde. Doch zu welchem Preis?
Das Waffenarsenal in der Offense wirkt trotz der Schnäppchen-Verpflichtung von John Brown wenig furchteinflößend, die Offensive Line dürfte 2021 zudem deutlich schlechter sein. Ein echtes Problem, vor allem weil Quarterback Derek Carr in der Vergangenheit meist Unterstützung brauchte, um wirklich gut aussehen zu können. Unterstützung, die Carr in der kommenden Saison wohl nicht haben wird. Stand heute scheint es kaum vorstellbar, dass den Raiders in der kommenden Saison ein Schritt nach vorne gelingen wird.
Joe Burrow
Kaum ein Quarterback hatte in der vergangenen Saison unter einer so schwachen Offensive Line zu leiden wie Joe Burrow in Cincinnati. Dass Burrows Saison unter diesen Umständen aufgrund einer schweren Verletzung vorzeitig beendet wurde, überraschte nicht wirklich. Der Nummer-eins-Pick braucht in Zukunft dringend eine bessere Pass-Protection.
In der Free Agency wurde dafür allerdings kaum Unterstützung geholt. Und dabei kann man den Bengals nicht mal einen großen Vorwurf machen: Brandon Scherff und Taylor Moton kamen gar nicht erst auf den Markt, Trent Williams und Joe Thuney unterschrieben absolute Monsterdeals. Mit Ausnahme von Corey Linsley und vielleicht noch Ex-Bengal Kevin Zeitler blieben somit schlicht keine wirklich eindrucksvollen Optionen mehr übrig.
Für Burrow dürfte das allerdings nur ein schwacher Trost sein. Riley Reiff ist zwar eine solide Verpflichtung, auf ein neues Level kann er die Offensive Line als Right Tackle aber wahrscheinlich auch nicht heben. Stand heute startet Burrow 2021 hinter einer O-Line aus Jonah Williams, Michael Jordan, Trey Hopkins, Xavier Su'a-Filo und Reiff. Hier muss sich noch etwas tun!
Tennessee Titans
Dass die Titans nicht völlig unbeschadet aus der diesjährigen Free Agency hervorgehen würden, war bereits vor Beginn der Offseason abzusehen. Zu viele Leistungsträger des Teams wurden Free Agents, zu wenig Cap Space war vorhanden. Das Ausmaß des Qualitätsverlust ist nach der ersten Woche der Free Agency aber doch bemerkenswert.
Mit Corey Davis und Jonnu Smith mussten zwei wichtige offensive Playmaker ziehen gelassen werden, zudem wurde der solide Right Tackle Dennis Kelly entlassen. Defensiv sieht es kaum besser aus: Mehr als die Hälfte der Starting Secondary wurde entlassen, Jadeveon Clowney wird in der Front wohl nicht gehalten. Ja, das Team konnte Linebacker Jayon Brown halten und ja, Janoris Jenkins ist solider Ersatz auf der Cornerback-Position. Dennoch wirft so manche Entscheidung der Titans Fragen auf.
Den ohnehin sehr begrenzten Cap-Spielraum zu großen Teilen in Bud Dupree zu investieren, steht dabei an erster Stelle. Dupree könnte Tennessees Pass-Rush verstärken, in seiner Karriere war er allerdings noch nie als Nummer-eins-Rusher seines Teams gefordert. Erinnerungen an Dante Fowler Jr., der im Vorjahr von den Falcons verpflichtet wurde und stark enttäuschte, werden unweigerlich wach. Die Titans, die zudem einen neuen Offensive Coordinator haben werden, konnten in den letzten beiden Saisons am Contender-Status kratzen, 2021 haben sie allerdings eher einen Schritt zurück als nach vorne gemacht.
Anthony Harris
Der Safety-Markt sorgt jedes Jahr aufs Neue für Überraschungen. Die Safety-Position wird längst nicht von allen Teams geschätzt, viele Coaches und GMs sind der Überzeugung, Abgänge relativ kostengünstig über das eigene Scheme auffangen zu können. So kommt es fast jedes Jahr zu echten Schnäppchen-Deals.
In diesem Jahr ist Harris der Hauptleidtragende dieses Phänomens. Im vergangenen Jahr hatten die Vikings ihren Safety noch unbedingt halten wollen und belegten ihn daher, trotz knapp bemessenem Cap Space, mit dem Franchise Tag. In einer insgesamt enttäuschenden Vikings-Defense konnte Harris seine starke Saison aus dem Jahr 2019 jedoch nicht reproduzieren. Sein Markt litt offensichtlich enorm darunter.
Obwohl Harris laut den Metriken von Pro Football Focus zu den besten Safetys der Liga zählt und obwohl ein John Johnson III von den Browns einen Vertrag über rund elf Millionen Dollar pro Jahr erhielt, unterschrieb Harris letztlich für gerade mal ein Jahr und fünf Millionen Dollar bei den Eagles. Womöglich kann er sich in der Philadelphia-Defense wieder steigern, Harris wird im Oktober allerdings auch schon 30. Möglich, dass seine Chance auf einen großen und langfristigen Vertrag verstrichen ist.
Jacksonville Jaguars
Auch die Jaguars schlugen auf dem Safety-Markt zu. Die Franchise schätzte diesen aber offensichtlich ganz anders ein als der Rest der Liga: Gleich am ersten Tag der Free Agency verpflichtete Jacksonville Rayshawn Jenkins, einen als solide, aber längst nicht herausragend geltenden Safety, für 35 Millionen Dollar über vier Jahre. Jenkins wurde völlig überraschend zu einem der 20 bestbezahlten Safeties der Liga.
Doch Jenkins' Verpflichtung ist keine Ausnahmeerscheinung in der Offseaon der Jaguars: Jacksonville gab innerhalb der vergangenen Tage Verträge mit einem Gesamtvolumen von insgesamt fast 170 Millionen Dollar heraus. Die Empfänger dieser Verträge: Roy Robertson-Harris, Jamal Agnew, Dawuane Smoot, Carlos Hyde, Rayshawn Jenkins, Chris Manhertz, Shaquill Griffin, Tyson Alualu, Marvin Jones Jr. und Jihad Ward. Große Namen sucht man in dieser Gruppe vergeblich. Welche Spieler für das Team im Rebuild tatsächlich eine Verstärkung darstellen können, bleibt abzuwarten.
Dass die Jaguars vor Beginn der Free Agency Cam Robinson, einen unterdurchschnittlichen Left Tackle, per Franchise Tag hielten, passt ins Bild. Echte Unterstützung für den neuen Quarterback des Teams (sehr wahrscheinlich Trevor Lawrence) sieht anders aus.