Der Draft 2021 ist endlich da - und auch ein Deutsch-Amerikaner dürfte über die ersten beiden Draft-Tage sein neues Team finden: Amon-Ra St. Brown, Bruder von Packers-Receiver Equanimeous St. Brown, blickt im Interview voraus auf den Draft und gewährt Einblicke in den Weg über die vergangenen Monate und seine Erfahrungen während des Draft-Prozesses.
Im Interview mit SPOX und DAZN spricht der Deutsch-Amerikaner über die Vorbereitung auf den Pro Day, die ungewöhnliche Saison während Corona und seinen Touchdown-Rekord - den er zunächst gar nicht mitbekommen hatte.
Außerdem verrät St. Brown, wo er gerne spielen würde und mit wie vielen Teams er im Vorfeld des Drafts gesprochen hat.
Wie geht es Ihnen so kurz vor dem Draft? Sind die Nerven so langsam da, oder sind Sie noch komplett entspannt?
Amon-Ra St. Brown: Ich würde sagen, ich bin schon noch komplett entspannt. Ich habe noch etwas Zeit, ich trainiere noch, mit meinem Bruder hier in Newport Beach, ich bin noch nicht zu nervös.
Sie haben natürlich keinen direkten Vergleichswert, aber sicher haben Sie ja ein wenig bei Ihrem Bruder miterlebt: Hatten Sie den Eindruck, dass es dieses Jahr mit Corona ein merkwürdiger Draft-Prozess war, oder war es letztlich gar nicht so sehr anders als Sie es sich vorgestellt hatten?
St. Brown: Es war schon ein bisschen anders dieses Jahr mit Corona. Normalerweise gibt es die Combine, dann den Pro Day. Die Combine ist normalerweise Ende Februar, das gab es dieses Jahr nicht. Ich hatte dadurch etwas mehr Zeit, um mich vorzubereiten, aber alles war fokussiert auf den Pro Day. Das war die einzige Chance, um sich den Teams zu zeigen. Alles war darauf ausgerichtet, und nach dem Pro Day war ich fertig mit den athletischen Tests für die Teams. Das war insofern schön, dass ich es nur einmal machen musste, aber es war schon ein wenig anders. Mein Bruder hat mir erzählt, dass es bei der Combine viel mehr Druck war, man muss ganz früh aufstehen, dann muss man den Drogentest machen, die medizinischen Tests, und so weiter.
Hat das auch etwas mit den vereinzelt überraschend positiven Tests einiger Spieler zu tun? Gerade bei den 40-Yard-Sprints gab es bei den Pro Days einige überraschend schnelle Zeiten, sehen Sie da einen Zusammenhang damit, dass man "nur" den Pro Day absolvieren musste und sich darauf konzentrieren konnte?
St. Brown: Ja, ganz klar. Und ich denke, ein großer Teil dieser schnellen Zeiten war die Tatsache, dass es handgestoppte Zeiten waren. Bei der Combine gibt es eine Laser-Messung und jeder Run wird gleich gemessen. Dieses Jahr war es etwas anders und die Teams schauen darauf, aber am Ende des Tages muss man immer noch Football spielen.
St. Brown vor dem Draft: "Habe mit 29 Teams gesprochen"
Wie unterschiedlich ist das Training in dieser Zeit des Jahres? Manchmal hört man von Spielern, wie deutlich sich die Vorbereitung auf die Combine oder den Pro Day von ihrem regulären, eigentlichen Football-Training unterscheidet.
St. Brown: Ja, es ist ganz anders. Man muss diese guten Zeiten abliefern können, denn die Scouts achten darauf. Ich habe jetzt in Vorbereitung auf den Pro Day viel Speed-Training gemacht, ich bin immer montags, mittwochs und freitags früh aufgestanden und habe nur Sprints trainiert. Um 14 Uhr an den gleichen Tagen hatte ich Gewichtstraining für die Beine und dienstags und donnerstags standen Shuttle-Drill und 3-Cone-Drill auf dem Programm, die man ebenfalls beim Pro Day zeigen muss. Also das Training ist ganz anders für den Pro Day als für die Saison, denn man muss die entsprechenden Zahlen haben, aber danach muss man wieder Football spielen, Routes laufen, Bälle fangen, am Release arbeiten. Das ist dann wieder ganz anders, wenn man mit dem Pro Day fertig ist.
Danach gab es dann ja vermutlich auch für Sie jede Menge Meetings mit Scouts und Coaches. Wie lief das aus Ihrer Perspektive ab, was war Ihr Eindruck von diesem gesamten Prozess, ist man als Spieler irgendwann auch ein wenig erschlagen, wenn man mit dem zehnten Team gesprochen hat?
St. Brown: Ich habe mit 29 Teams gesprochen, also mit fast jedem Team. Das war meistens via Zoom, manche rufen auch direkt an. Die Scouts wollen dann Hintergrund-Infos wissen - warum ich Football spiele, warum ich mich damals für USC entschieden habe, was meine Familie so macht, ob ich schon mal bei einem Drogentest durchgefallen bin, solche Sachen. Die Receiver-Coaches reden dann nur über Football, also einzelne Plays, wie schlau ich auf dem Feld bin, warum ich bestimmte Dinge mache. Die Head Coaches und GMs stellen ab und zu auch eine Frage, aber die hören meistens eher mit rein und sagen nicht allzu viel.
Gab es eine Situation, bei der Sie im ersten Moment komplett überrascht waren? Eagles-Coach Nick Sirianni hat ja beispielsweise jüngst verraten, dass er mit Prospects "Schere, Stein, Papier" gespielt hat - hatten Sie eine solche Situation ebenfalls?
St. Brown: Das habe ich auch gesehen, ein Freund hat mir das auf Twitter geschickt. Nein, ich hatte keine so verrückte Situation, kein "Schere, Stein, Papier". (lacht)
Haben Sie im Zuge dieser Gespräche ein Gefühl dafür bekommen, wo Sie vielleicht spätestens gedraftet werden, eine Art Floor, oder ist das für Sie noch eine komplette Wundertüte?
St. Brown: Für mich ist es eine komplette Wundertüte. Man weiß nie, was im Draft passiert. Die einen sagen das, andere schreiben etwas anderes. Man kann auf die Mock Drafts schauen, man kann machen was man will - aber wenn der Tag kommt, dann passieren immer Dinge, die niemand erwartet hat. Manche Spieler, die dachten, dass sie in der ersten Runde gehen, gehen in der dritten Runde und manche Spieler, die dachten, dass sie in der dritten Runde gehen, gehen in der ersten Runde. Ich habe keine Idee. Ich habe mit 29 Teams gesprochen, das ist gut denke ich. Das ist aber auch alles, was ich sagen kann.
Die College-Statistiken von Amon-Ra St. Brown im Überblick:
Jahr | Spiele | Catches | Yards | Touchdowns |
2018 | 11 | 60 | 750 | 3 |
2019 | 13 | 77 | 1.042 | 6 |
2020 | 6 | 41 | 478 | 7 |
Lassen Sie uns mal noch einen Schritt zurückgehen, die vergangene Saison war ja mindestens genauso ungewöhnlich wie der Draft-Prozess. Gerade auch für in Ihrer Conference war es durch Corona schwierig, was die Spiele anging. Sie hatten sechs Saisonspiele, wie haben Sie die Saison mit allem was im Vorfeld passiert ist - wo lange nicht klar war, ob gespielt wird oder nicht, dann haben viele Spieler den Opt-Out gewählt - wie haben Sie diese Saison wahrgenommen im Alltag?
St. Brown: Ich wollte die Saison unbedingt spielen. Wir hatten eine gute Mannschaft, wir haben fünf der sechs Spiele gewonnen und dann leider im Championship Game verloren. Aber ich wusste, dass wir eine gute Mannschaft haben und ich wollte mehr Tape für die NFL produzieren. Und ja, erst wurde die Saison abgesagt, dann aber hieß es, dass wir eine Sechs-Spiele-Saison haben und dass wir spielen können. Ein Opt-Out war nie in meinem Kopf, das wollte ich nie machen. Ich habe gespielt, ich habe gut gespielt, ich wünschte, dass wir eine längere Saison hätten haben können, denn wir hatten eine gute Mannschaft. Aber wir hatten eine gute Saison.
Also sind Sie persönlich auch zufrieden mit Ihrer Saison und mit der Entscheidung, zu spielen?
St. Brown: Ja, klar. In meinen ersten beiden Jahren habe ich mehr im Slot gespielt, letztes Jahr habe ich eher außen gespielt. Ich habe den Teams gezeigt, dass ich auch außen spielen kann, das ist ganz wichtig. Die Teams fragen mich auch immer, ob ich innen oder außen spielen will und ich sage immer: Ich liebe beide Positionen.
Das hatte ich auch gesehen, auch die Snap-Anzahl innen und außen war ja wirklich deutlich verändert. Sie haben gerade schon gesagt, dass Sie beides gerne machen, daher vielleicht mal anders gefragt: Wie unterscheidet sich die Art und Weise, wie man die jeweilige Position spielt? Es sind ja unterschiedliche Rollen und nicht jeder Receiver kann beides spielen.
St. Brown: Außen spiele ich gerne, weil ich mehr Eins-gegen-Eins-Gelegenheiten gegen einen Defensive Back bekomme. Innen geht es mehr gegen den Nickel, gegen Linebacker, gegen Safeties. Außen bekomme ich mehr Eins-gegen-Eins-Situationen, und das liebe ich als Receiver. Ich bin sehr kompetitiv und ich denke immer, dass ich ein Eins-gegen-Eins nicht verliere. Im Slot geht es mehr auch um das Spielverständnis. Ich habe da ein gutes Gefühl für die Coverage Zones und kann die Schwachstellen zwischen den Zones nutzen. Und die Nickels und Linebacker und Safeties sind nicht so schnell wie die Cornerbacks.
Gibt es einen Receiver, an dem Sie sich über die Jahre orientiert haben, eine Art sportliches Vorbild?
St. Brown: Da mein Bruder bei den Packers spielt, schaue ich viele Packers-Spiele und Davante Adams ist wirklich gut. Keenan Allen von den Chargers und Stefon Diggs von den Buffalo Bills, das sind die drei Receiver, die ich mir häufig anschaue. Ein Receiver, der nicht mehr spielt, aber den ich sehr mochte, war Steve Smith von den Carolina Panthers. Seine Mentalität war wirklich beeindruckend.
St. Brown: "Wäre ein Traum, mit meinem Bruder zu spielen"
Smith war auch ein sehr physischer Spieler, ist das auch etwas, das Sie gerne mögen, wenn Sie als Receiver etwas physischer spielen können?
St. Brown: Ja, er hatte jede Menge Feuer, er war immer - man könnte sagen, immer "angepisst". Und diese Energie, das liebe ich bei ihm.
Haben Sie eine Art offensive Philosophie, einen offensiven Stil, den Sie besonders mögen?
St. Brown: Unsere Offense bei der USC war die Air Raid, wir haben den Ball glaube ich etwa bei 70 Prozent der Plays geworfen. Aber in der NFL ist es ganz anders, die meisten Teams sind etwa ausgeglichen im Run-Pass-Verhältnis. Das ist anders als im College. Die meisten Offenses in der NFL sind in der West Coast zuhause, also laufen den Ball und spielen Play Action. Ich habe da keine richtige Philosophie, die ich besonders mag, denn das ähnelt sich dann fast alles sehr.
Sie hatten in der vergangenen Saison ein offensichtliches Highlight-Spiel, mit den vier Touchdowns gegen Washington State - nicht nur in einem Spiel, sondern alle im ersten Viertel. Jetzt spielen Sie natürlich schon seit einer Weile Football, haben Sie so etwas schon mal erlebt, auf irgendeinem Level?
St. Brown: Nein, das hatte ich noch nie erlebt. Ich wusste gar nicht, dass die alle im ersten Viertel waren. Ich glaube es war schon Halbzeit, da hat mir jemand gesagt, dass die alle vier in einem Viertel waren. Ich wollte einfach gut spielen und mit dem Team gewinnen, aber mir war nicht klar, dass das alles in einem Viertel war. Und dann hat mir jemand gesagt, dass ich einen Rekord eingestellt habe oder etwas in der Richtung. Das ist natürlich komplett verrückt.
War das ein Spiel, bei dem Sie im Vorfeld zumindest vom Matchup her wussten, dass etwas möglich ist, oder haben Sie nach dem zweiten Touchdown gemerkt, dass da gerade etwas passiert?
St. Brown: Es war nur ein Play, bei dem ich wusste, dass das Matchup gut ist. Die anderen drei Touchdowns haben sich sehr natürlich entwickelt. Aber es war nicht unser Game Plan, dass ich vier Touchdowns in einem Viertel habe. (lacht)
Wie haben Sie die Stunden und die Tage nach dem Spiel erlebt, ist das Handy explodiert?
St. Brown: Ich meine, die Pac-12 ist nicht ganz so groß wie die anderen Conferences, der Hype ist nicht ganz so groß. Aber ich hatte ein paar Interviews danach, aber davon abgesehen - es waren natürlich keine Fans im Stadion, es war ein bisschen anders alles. Ich hatte ein paar Nachrichten bekommen von meinen Freunden, aber davon abgesehen war es relativ normal.
Wenn man so ein einzelnes Highlight-Spiel hat, gerade wenn die Saison verkürzt ist - ist das dann etwas, das Teams im Draft-Prozess häufiger ansprechen?
St. Brown: Nein, die Teams sprechen das nicht allzu häufig an. Ich glaube, manche Teams wissen das gar nicht, die schauen nur das Tape und stellen mir danach Fragen. Aber kein Team hat mich konkret zu den vier Touchdowns etwas gefragt.
Haben Sie mit Blick auf den Draft eine Präferenz, vielleicht eine Top 5 was Teams oder auch Städte angeht?
St. Brown: Für mich wäre Green Bay das einzige Team, das ich hier sagen würde, weil mein Bruder dort spielt. Das wäre für mich ein Traum, mit meinem Bruder zu spielen.
Gibt es da schon kleinere Wetten untereinander, wer früher gedraftet wird?
St. Brown: Nein, wir haben keine Wetten. Ich denke schon, dass ich vor ihm gedraftet werde, er war ein Sechstrunden-Pick, ich denke, dass ich früher gepickt werde. Aber man weiß natürlich nie was passiert wird!
Wie werden Sie den Draft schauen? Dieses Jahr gibt es ja wieder einige Spieler, die vor Ort beim Draft in Cleveland sein werden, ich vermute aber, Sie bleiben eher an der Westküste?
St. Brown: Genau, ich werde hier im Haus meiner Freundin in Orange County sein. Ihre Familie wird da sein, meine Familie wird da sein, meine besten Freunde werden da sein und einige Coaches und Leute, die mir geholfen haben, bis an diesen Punkt zu kommen. Ich habe 30 Leute eingeladen für den zweiten Draft-Tag. Am ersten Tag sind nur meine und ihre Familie da, und am zweiten Tag kommen meine Freunde dann auch.
Und vielleicht braucht es den zweiten Tag ja gar nicht mehr, wer weiß!
St. Brown: Hoffentlich! (lacht)
Draft 2021: Die Top-10 im Überblick
Pick | Team | Record 2020 |
1 | Jacksonville Jaguars | 1-15 |
2 | New York Jets | 2-14 |
3 | San Francisco 49ers (via MIA, via HOU) | 6-10 |
4 | Atlanta Falcons | 4-12 |
5 | Cincinnati Bengals | 4-11-1 |
6 | Miami Dolphins (via PHI) | 10-6 |
7 | Detroit Lions | 5-11 |
8 | Carolina Panthers | 5-11 |
9 | Denver Broncos | 5-11 |
10 | Dallas Cowboys | 6-10 |