4. Kenneth Gainwell, Memphis
Stärken:
- Die Aussage, wonach ein Running Back "auch Receiver spielen könnte", wird zunehmend gerne genutzt - selten trifft sie tatsächlich zu. Bei Gainwell kann man diese Vermutung durchaus berechtigt anbringen: Wurde bei Memphis regelmäßig im Slot aufgestellt, fängt den Ball komplett problemlos weg vom Körper.
- Findet den Ball auch Downfield, extrem schneller Übergang vom Catch-Point zum Runner. Backshoulder-Catches, sichert den Ball bei vollem Tempo, Angle-Routes aus dem Backfield sind ein Linebacker-Albtraum. Variiert seinen Release auch bereits und kann so schon an der Line of Scrimmage gewinnen. PFF listet ihn bei drei Drops über 60 fangbare Targets. Der beste Receiving-Back, den ich in dieser Klasse gesehen habe. Traue ihm in der richtigen Offense als Rookie 50+ Catches zu.
- Bewegungen sind extrem fließend, kann auf engstem Raum die Richtung wechseln und behält dabei sein Tempo sowie seine Balance.
- Beschleunigung ist gut, kommt bei Outside-Runs "um die Ecke". Navigiert zudem gut durch die Mitte.
- High-School-Quarterback, wäre mit dem richtigen Offensive Coordinator in der NFL ein "Trick-Play waiting to happen". Hat im College auch einige Wildcat-QB-Snaps genommen.
Schwächen:
- Vision als Runner ist mein größtes Fragezeichen bei Gainwell. Hatte bei Memphis häufig exzellentes Blocking und kam so ohne Probleme auf das zweite Level der Defense. Aber wenn er Verteidiger und Blocks wirklich lesen musste, fiel das auf nahezu jedem Tape das ich gesehen habe negativ auf. Hat da regelmäßig falsche Entscheidungen getroffen, falsche Cuts gesetzt und lief sich so unnötig fest.
- Hatte auch Probleme damit, Second-Level-Verteidiger aus dem Backfield zu lesen, geschweige denn zu manipulieren. Da fand ich Carter und Hill etwa klar besser. Ich hatte bei Gainwell den Eindruck, dass er auch noch kein ideales Gefühl für den Raum hat, in dem er sich bewegt
- Hatte die Tendenz, Runs vorschnell nach außen zu tragen. Zudem einige Male sorglos mit dem Ball.
- Das alles führt zu einer übergreifenden Frage: Was genau wird seine Rolle auf dem NFL-Level sein? Ist es eher ein Gadget-Waffe wie Cordarrelle Patterson? Oder kann er ein konstanter Runner werden und sich so zu einer Elite-Matchup-Waffe entwickeln?
- Agilitätstests beim Pro Day waren überraschend schlecht. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Gainwell die 2020er Saison ausgesetzt hat, hätte man hier eher noch leicht verbesserte Werte erwartet. Stattdessen schwache Werte beim 3-Cone und beim Shuttle.
SPOX Draft-Runden-Empfehlung: 3. Runde
3. Javonte Williams, North Carolina
Stärken:
- Bulldozer. Wenn man den Back in dieser Klasse sucht, der dem physischen Spielstil von Derrick Henry am nächsten kommt, dann wäre das vermutlich Javonte Williams. Bringt enorme Power mit, Füße sind immer in Bewegung. Tackling-Versuche machen ihn häufig kaum langsamer.
- Williams bringt hier einerseits eine beachtliche Physis mit, aber er verfügt zusätzlich über eine spektakuläre Contact-Balance. Das macht ihn in diesem Bereich im Gesamtpaket so stark. Überraschend für mich war dann, dass er zusätzlich noch super auf engem Raum bewegt und da auch jede Menge Beweglichkeit mitbringt. Extrem gute Agilität, nicht nur für seine Statur.
- Die Folge: 75 Forced Missed Tackles und 831 Yards nach Kontakt. Damit lag er laut PFF auf Rang 1, beziehungsweise Rang 4 in der vergangenen College Saison.
- Ein Runner, der geduldig ist, aber offene Gaps nicht ungenutzt lässt. Sollte in der NFL auch in Short-Yardage-Situationen sehr konstant das Maximum rausholen können.
- Als Route-Runner - wenn er das mal gemacht hat - hat er mich teilweise überrascht. Hat auch hier schnelle Füße und ließ vereinzelt Linebacker komplett aussteigen.
Schwächen:
- Teilweise ist mir sein Spielstil fast zu physisch. Da würde ich mir mitunter wünschen, dass er einen schärferen Cut setzen und so einen neuen Winkel kreieren kann. Er ist zwar agil, aber nicht übermäßig quick auf engem Raum.
- Kein Speedster. Tendenz eher Richtung 4.6er Zeit über 40 Yards.
- Balance durch Kontakt ist exzellent, aber die Balance und die Körperkontrolle im Raum fand ich häufig eher durchschnittlich.
- Value als Receiver ist für mich das größte Fragezeichen. War inkonstant am Catch Point, hatte einige Drops. Gut möglich, dass viel mehr als eine reine Komplementär-Rolle in der Hinsicht für ihn nicht drin ist, letztlich haben wir es aber von ihm einfach noch nicht gesehen.
- Das gilt auch für sein Gesamt-Volume. Williams hatte nie mehr als 166 Carries in einer Saison - wie effizient bleibt sein physischer Stil als Runner, wenn er sich - dann gegen NFL-Verteidiger - auf 200, 250 Carries zubewegt?
SPOX Draft-Runden-Empfehlung: 3. Runde
2. Najee Harris, Alabama
Stärken:
- Ein echter 3-Down-Back, das ist klar das beste Argument für Harris. Und in dem Zusammenhang würde ich auch im Passspiel beginnen: Harris ist kein "Slot-Receiver im Backfield", wie man höchstens bei Gainwell und Felton argumentieren könnte. Aber man kann ihn überall Routes laufen lassen, er zeigt gute Cuts, kreiert konstant Separation und ist vor allem extrem gut am Catch Point.
- Heißt konkret: Harris gewinnt auch Jump Balls, er fängt den Ball mühelos weg vom Körper und das unabhängig davon, ob er aus dem Backfield in die Flat oder aus dem Slot eine vertikale Route läuft. Beachtlicher Catch-Radius, vermutlich in der Hinsicht die Nummer 1 dieser Running-Back-Klasse.
- Hat schnelle Füße, gerade für seine Größe. Jump Cuts, Spin Moves, generell Agilität im Raum ist überraschend gut.
- Konstant positive Plays. Das ist eine Auffälligkeit in Harris' Spiel, er hat einerseits die Highlights - nicht zuletzt natürlich mit den Sprüngen über Verteidiger - aber er wird auch kaum einmal "selbstverschuldet" im Backfield gestoppt. Folgt seinen Blockern - Harris dürfte eher in einem Power-Scheme zuhause sein -, holt was da ist und packt dann mit seiner überraschenden Leichtfüßigkeit und der generellen Athletik jede Menge nach erstem Kontakt obendrauf.
Schwächen:
- Harris in der Summe ist für mich nicht mehr als ein durchschnittlicher Runner. Er hat keinen Top-Speed, wird also kein Homerun-Hitter auf dem nächsten Level sein. Er hat keine Elite-Agilität und gerade bei Zone Runs lief er sich doch häufiger fest. Da war seine Vision mindestens mal inkonstant. Nimmt dann teilweise eher den Kopf runter - genau wie auch in Pass-Protection.
- Teilweise wirkte er auch zögerlich ein seinen Reads und er ist - trotz seiner Statur - kein Power Back im Stile eines Derrick Henry, der durch Verteidiger durchläuft. Harris läuft sehr aufrecht, wodurch sein ganzes Spiel zu wenig kompakt ist und er macht sich anfälliger für Hits. Hat aber eben auch nicht die Beschleunigung, um Runs blitzartig nach außen zu bouncen und so neue Situationen zu kreieren.
- Short-Area-Quickness ist überschaubar. Er arbeitet gut durch Kontakt, aber ich frage mich bei Harris, wie viel "mehr" er im Run Game konstant liefern wird. Ich sehe in ihm tendenziell er keinen Back, der im Run Game konstant Räume kreiert.
- Pass-Protection war noch ziemlich wacklig teilweise. Da nimmt er den Kopf mitunter zu schnell runter und springt eher in den Pass-Rusher, als dass er aktiv auf den Füßen bleibt. Verfehlte so mehrfach den Verteidiger auch schlicht.
SPOX Draft-Runden-Empfehlung: 3. Runde
1. Travis Etienne, Clemson
Stärken:
- Speed, Beschleunigung, Explosivität: Etienne ist ein Homerun-Hitter, und das halte ich für eine Qualität, die man bei einem Running Back nicht unterschätzen sollte. Es sollte nicht seine einzige Trumpfkarte sein, aber davon ausgehend, dass Blocking, Qualität des Passspiels und so weiter für das Run Game ohnehin entscheidender sind, dann möchte ich im Idealfall einen Back dahinter haben, der aus einer kleinen Lücke auch einen 60-Yard-Touchdown machen kann.
- Etienne hat mehr als das, sonst wäre er nicht meine - relativ klare - Nummer 1: Er ist agil, er hat schnelle Füße, er kann Verteidiger "austanzen" und bewegt sich gut auf engem Raum. Balance durch Kontakt ist exzellent, er setzt seine Füße neu und nimmt dann blitzartig wieder Geschwindigkeit auf.
- Cuts und Richtungswechsel generell sind exzellent, Etienne kommt durch schmale Gaps mit seiner Balance und kann dann wieder die Explosivität einsetzen. Generell ein hohes Spieltempo.
- Die Verwunderung war groß, als Etienne im Vorjahr verkündete, dass er noch eine Saison für Clemson spielt - ich glaube, dass er sich damit bares Geld verdient hat. Denn der Sprung als Receiver von 2019 auf 2020 war enorm bei ihm: Fing den Ball jetzt exzellent weg vom Körper, zeigt dazu auch scharfe Cuts in den Routes und hat regelmäßig Separation gegen Linebacker kreiert. Wurde hier auch vertikal eingesetzt. Seine 2,26 Yards pro gelaufener Route bedeuteten Platz 9 unter den Running Backs der vergangenen College-Saison.
- Das macht Etienne für mich zum komplettesten Paket dieser Klasse: Ein Homerun-Hitter, der gezeigt hat, dass er echten Value im Passspiel mitbringt.
Schwächen:
- Ich hatte mir mehr Konstanz in seinen Reads im Run Game erhofft. Teilweise lief er unnötigerweise in den Verteidiger rein oder war zu schnell damit, einen Run nach außen zu tragen. War teilweise überhastet oder undiszipliniert in seinen Reads.
- Das geht über in einen weiteren Punkt. Bei allem Lob für Etiennes Big-Play-Qualitäten muss man im Gegenzug damit leben können, dass er mehr negative Plays haben wird als Harris oder Williams, unter anderem. Lässt den "offenen" Raumgewinn durchaus mal liegen, um auf das vermeintliche Big Play zu gehen.
- Kein Back, der viel über Power rausholt. Auch keiner, den ich bevorzugt in Short-Yardage-Situationen auf dem Feld sehen wollen würde.
SPOX Draft-Runden-Empfehlung: 2. Runde
Das Draft Runnnig Back Ranking 2021 im Überblick:
Platzierung | Spieler | College | Rundenempfehlung |
1. | Travis Etienne | Clemson | 2. Runde |
2. | Najee Harris | Alabama | 3. Runde |
3. | Javonte Williams | North Carolina | 3. Runde |
4. | Kenneth Gainwell | Memphis | 3. Runde |
5. | Michael Carter | North Carolina | 4. Runde |
6. | Kylin Hill | Mississippi State | 4. Runde |
7. | Khalil Herbert | Virginia Tech | 4. Runde |
8. | Trey Sermon | Ohio State | 4.-5. Runde |
9. | Demetric Felton | UCLA | 4.-5. Runde |
10. | Kene Nwangwu | Iowa State | 5.-6. Runde |