Die Atlanta Falcons befinden sich in einer prekären Salary-Cap-Situation. Ein Weg raus aus den Problemen wäre ein Trade von Superstar-Receiver Julio Jones. Doch wie ließe sich so ein Trade begründen? Und welche Teams wären potenzielle Abnehmer?
Bereits seit Wochen kursieren Gerüchte in Atlanta, dass die Falcons ihren Superstar-Receiver Julio Jones traden könnten. Der neue General Manager des Teams, Terry Fontenot, bestätigte schon mehrfach, dass er sich alle möglichen Trade-Angebote für jeden Spieler des Kaders anhören würde - inklusive Jones.
"Unsere Teamführung hat bis hierhin exzellente Arbeit geleistet, um uns in eine Position zu bringen, den Cap zu managen. Aber wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns", sagte Fontenot noch in der Woche vor dem Draft. "Wenn also Teams wegen irgendeines Spielers anfragen, dass müssen wir uns das anhören und für uns abwägen, was das Beste für unsere Organisation ist."
Die Cap-Situation dürfte dabei grundsätzlich in diesem Jahr die treibende Kraft sein. Die Falcons gehörten zu den Teams, die in den vergangenen Jahren sehr aggressiv gewirtschaftet und einen steten Anstieg der Gehaltsobergrenze in der Liga als gegeben hingenommen haben. Der deutliche Cap-Rückgang zur kommenden Spielzeit sorgt daher nun für arge Schwierigkeiten in der Planung der Falcons.
Das geht sogar soweit, dass die Falcons in den Draft gegangen sind mit dem Wissen, dass sie zum damaligen Zeitpunkt - und das gilt nach wie vor - nicht mal in der Lage waren, ihre Draftklasse unter Vertrag zu nehmen!
Die Falcons haben derzeit einen Cap Space in Höhe von rund 600.000 Dollar - das Minimalgehalt von Rookies liegt 2021 jedoch bei 660.000 Dollar.
gettyAtlanta Falcons: Es gibt noch sehr viel zu tun
Der effektive Cap Space, also der, der zu Buche schlägt, wenn nicht nur die Top-51-Gehälter eines Kaders zum Tragen kommen - diese Regel greift nur in der Offseason -, liegt derweil bei Minus 6,5 Millionen Dollar. Insofern hat Fontenot Recht - es gibt noch sehr viel zu tun!
Nimmt man diese Zahlen zur Grundlage, dann würde ein Trade von Julio Jones schon sehr viel Sinn ergeben, schließlich verfügt der Wide Receiver über einen der fragwürdigsten Verträge, die in den letzten paar Jahren ausgehändigt wurden.
Der Deal war eine Vertragsverlängerung, die die Falcons und Jones 2019 ausgehandelt hatten. Das Gesamtvolumen: 66 Millionen Dollar über drei Jahre. 64 Millionen davon waren garantiert! In dieser Saison allein ist das Basisgehalt in Höhe von 15,3 Millionen Dollar voll garantiert, 2022 kommen noch zwei garantierte Millionen hinzu.
Klar ist zudem, dass ein Trade von Jones vor dem 1. Juni ausgeschlossen ist, denn ein solcher brächte Dead Money in Höhe von mehr als 23 Millionen Dollar mit sich, was die Falcons über den Salary Cap befördern würde und somit unzulässig wäre. So bliebe nur ein Deal nach dem 1. Juni. Ein solcher brächte unterm Strich Cap-Ersparnisse in Höhe von 15,3 Millionen Dollar, womit dann mindestens mal die Draftklasse und etwaige weitere Spieler bezahlt werden könnten.
Rein finanziell ist ein Jones-Trade somit zumindest mal mit rationalen Argumenten zu begründen. Besonders wenn man bedenkt, dass der einzige andere Abgang eines Spielers, der ähnlich schnell die akute Cap-Problematik beheben könnte, der von Defensive Tackle Grady Jarrett wäre. Und hier ist zu bedenken, dass dieser bei einem Cut lediglich neun Millionen Dollar an frischem Cap Space brächte, wodurch die Lage äußerst angespannt bliebe. Ein Trade würde 13,5 Millionen Dollar einbringen - jeweils nach dem 1. Juni -, doch stellt sich schon die Frage, wie hoch dessen Trade Value aktuell ist.
Atlanta Falcons: Jones-Abgang gar nicht so abwegig
Aus sportlicher Sicht hingegen wäre ein Abgang Jones' natürlich nur schwer zu akzeptieren. Jones gehörte in den vergangenen fünf Jahren zu den besten Wide Receivern der NFL. Laut Football Outsiders gehörte er in Sachen DYAR mit Ausnahme des Vorjahres immer zu den zehn besten Receivern und nach DVOA war er stets Top 20 - im Vorjahr sogar auf Platz 2. Er ist ein klarer X-Receiver und so dominant wie nur wenige andere.
Zudem landete Julio Jones nur hinter Davante Adams bei den am höchsten bewerteten Wide Receivern seit 2019 laut Pro Football Focus.
Zwar verfügen die Falcons mit Calvin Ridley über einen legitimen zukünftigen Nachfolger, doch bislang war jener eben auch nur als Nummer 2 im Schatten Julios gefragt. Was letztlich aber doch zu einem Trade von Jones führen könnte, ist die Ankunft von Tight End Kyle Pitts, der sicherlich eine Vielzahl der Targets bekommen - und auch schultern - könnte, die bislang auf Jones entfielen.
Pitts könnte mit all seinem Talent zum Fixpunkt dieser neuen Offense werden und ist zudem variabel einsetzbar, muss also nicht zwangsläufig an der Line positioniert werden. Er ist kein X-Receiver, kann aber die gegnerische Aufmerksamkeit von einem Receiver wie Ridley auf sich ziehen.
Julio Jones in DYAR und DVOA seit 2016
Saison | DVOA | Liga-Rang | DYAR | Rang |
2020 | 29,8 | 2. | 231 | 16. |
2019 | 11,6 | 20. | 299 | 7. |
2018 | 15,9 | 17. | 382 | 6. |
2017 | 13,7 | 18. | 313 | 7. |
2016 | 31,7 | 2. | 458 | 1. |
Erklärungen zu DVOA, DYAR und weiteren Analytics im Football findet Ihr hier!
Darüber hinaus ist Ridley schon jetzt der bevorzugte Deep Threat der Falcons. Im Vorjahr entfielen im Schnitt 14,9 Intended Air Yards auf ihn - laut Next Gen Stats sind das 39,88 Prozent aller Intended Air Yards des Teams - der mit Abstand größte Anteil in der NFL.
Gehen wir nun davon aus, dass Jones auch häufiger im Slot unterwegs war, darf schon argumentiert werden, dass Pitts diese Rolle in Teilen übernehmen könnte, sodass ein Trade - sogar sportlich - gar nicht mal mehr ganz so abwegig erscheint.
Sollte es tatsächlich zum Entschluss der Falcons kommen, ihren Superstar abzugeben, kämen gar nicht mal so viele Teams infrage. Es müsste schon ein Team sein, das genügend Cap Space mitbringt - das Gehalt in Höhe von 15,3 Millionen Dollar ist bekanntlich garantiert und daher nicht ohne Weiteres wegzubekommen.
Und dann sollte es nach Möglichkeit auch einen gewissen Gegenwert in Form von Draftpicks bieten können, obgleich argumentiert werden kann, dass die garantierten mehr als 17 Millionen Dollar, die der Vertrag noch enthält, hier den Preis etwas senken könnten.
Da am Salary Cap nicht zu rütteln ist, schränkt dies die möglichen Interessenten schon mal ein. Lediglich acht Teams hätten einen effektiven Cap Space, der es ihnen ermöglichen würde, für Jones zu traden. Die immer noch nach Receivern suchenden Patriots oder 49ers gehören nicht dazu.
NFL: Teams, die genügend Cap Space für Julio Jones hätten
Team | Effektiver Cap Space (Dollar) |
Jacksonville Jaguars | 29.533.908 |
Denver Broncos | 20.339.211 |
Indianapolis Colts | 19.758.393 |
Cleveland Browns | 17.971.558 |
Detroit Lions | 17.171.874 |
Cincinnati Bengals | 16.839.406 |
Los Angeles Chargers | 16.649.870 |
New York Jets | 15.549.152 |
Die Chargers oder Browns könnten sich den Spaß leisten, verfügen aber bereits über X-Receiver, die ihrerseits teuer sind. Die Colts jedoch wären eine Option, zumal Carson Wentz so viel Hilfe wie möglich brauchen kann. Sie verfügen über acht Picks im Draft 2022, aber keinen Erstrundenpick, was jedoch wohl ohnehin kaum zur Debatte stünde für Jones.
Sportlich wäre Jones ein Upgrade gegenüber dem vorhandenen Personal in Person von T.Y. Hilton, Michael Pittman und Parris Campbell.
Ebenso müsste man die Jaguars, die auch generell über den größten Cap Space verfügen, ins Auge fassen mit Rookie-QB Trevor Lawrence in den Startlöchern. Sie ergänzten ihre Vorjahresgruppe um DJ Chark und Laviska Shenault zwar schon mit Marvin Jones, doch ein Julio Jones wäre dann doch noch eine andere Kategorie.
Es wäre die Chance, ihren Rookie-QB mit einem äußerst erfahrenen Top-Receiver zusammenzubringen, wovon Ersterer sicherlich über Jahre hinweg profitieren könnte. Zudem stehen den Jaguars neun Draftpicks 2022 zur Verfügung, darunter alle sieben eigenen und ein zusätzlicher in Runde 5.
Julio Jones: Tennessee Titans als Dark Horse für einen Trade
Ein Team, das derzeit nicht über den nötigen Cap Space verfügt, sind derweil die Tennessee Titans. Sie könnten jedoch mit ein paar Umstrukturierungen Platz schaffen. Konkret könnten sie, wenn sie die Jahresgehälter von Quarterback Ryan Tannehill und Running Back Derrick Henry als Signing Bonus auszahlen würden, rund 22 Millionen Dollar an Cap Space generieren und hätten dann den nötigen Spielraum für Jones.
Und rein sportlich würde dies auch Sinn ergeben, schließlich war der Aderlass im Receiving Corps der Titans groß - Wide Receiver Corey Davis und Tight End Jonnu Smith haben sich in der Free Agency verabschiedet. Außer A.J. Brown und Josh Reynolds im Slot stehen Tannehill daher nicht mehr allzu viele verlässliche Passempfänger zur Verfügung. Jones wäre hier ein enormes Upgrade. In puncto Draftpicks stehen den Titans derweil aktuell sieben Picks für 2022 zur Verfügung, darunter potenziell zwei Viertrundenpicks.
Und in Sachen Kompensation reden wir bei Jones, dessen Vertrag (noch drei Jahre Laufzeit, 17,3 Millionen garantiert), der dann möglicherweise noch anstehenden Verlängerung sowie seinem Alter (32), von irgendwas im Bereich mehrerer Draftpicks zwischen Runde 3 und 5 - vielleicht lässt sogar jemand einen Zweitrundenpick springen.
gettyFalcons: Wenig Spielraum für einen Verbleib von Julio Jones
Ob es tatsächlich zu einem Trade kommt, kann aktuell noch keiner abschließend sagen. Auch wäre es möglich, einen Teil von Jones' Gehalt zu einem Signing Bonus zu machen, um somit die Cap-Probleme zu verringern. Doch auch auf diesem Wege ließen sich nur neun Millionen Dollar an Cap Space generieren. Generell sind die Falcons derzeit so aufgestellt, dass nur wenige Spieler über Verträge verfügen, die sich auf diese Weise gewinnbringend anpassen ließen.
Doch kommt es zu einem Trade, spricht vieles für eines der drei genannten Teams aus der AFC South, obgleich die Titans wohl am ehesten dadurch ihre kurzfristigen Titelchancen verbessern würden, weshalb ihre Motivation wohl am größten sein dürfte.