Spektakulärer Auftakt in die NFL-Saison 2021! Die Tampa Bay Buccaneers schlagen die Dallas Cowboys mit 31:29 - doch es brauchte einen dramatischen Schluss-Drive von Tom Brady, um die Partie spät wieder zu drehen. In einem packenden Duell, das gute Offense, aber auch einige kritische Fehler auf beiden Seiten bot, verlangte die Cowboys-Offense der Bucs-Defense alles ab, am Ende lag die Verantwortung für die Niederlage aber auch in der Herangehensweise des eigenen Coaches.
Nachdem beide Defenses den jeweils ersten Drive mit Pressure-Packages bei Third Down noch hatten stoppen können, schien der gemeinhin erwartete Shootout in vollem Gange: Der erste Touchdown der Saison gehörte den Bucs, die bei ihrem zweiten Drive mehr aufs Tempo drückten und sich deutlich stärker aufs Passspiel verlagerten, am Ende fand Brady (32/50, 379 YDS, 4 TD, 2 INT) Godwin in der Endzone.
Doch Dallas antwortete schnell. Abermals sah das Passspiel eindrucksvoll gut aus, Dallas attackierte auch wieder nahezu ausschließlich durch die Luft - und die Cowboys griffen regelmäßig in die Trickkiste. So auch beim Touchdown-Pass von Prescott (42/58, 403 YDS, 3 TD, INT) zu CeeDee Lamb, der zunächst einen Screen antäuschte, und dann plötzlich Downfield explodierte.
Einen richtigen offensiven Rhythmus fand das Spiel jedoch nicht, Punts inklusive Special-Team-Strafen wechselten sich zwischenzeitlich ab. Auffällig war hier auch die Vorsicht beider Coaches: Bruce Arians ließ bei Vierter-und-Fünf in der gegnerischen Hälfte punten, wenig später ließ Mike McCarthy bei Vierter-und-Drei von der gegnerischen 13-Yard-Line das Field Goal kicken - und Zuerlein vergab den Kick.
Wenn Tampa das Spiel aber konsequent durch die Luft aufzog, hatte die Cowboys-Defense keine Chance. Das war auch das Thema beim nächsten Touchdown-Drive, abgeschlossen von Brady per Play-Action-Rollout zu Gronk in der Red Zone. Fast folgerichtig waren es die Running Backs, die die Wende einleiteten: Ein Fumble von Ronald Jones, gefolgt von einem Drop von Fournette welcher direkt zu einer Interception führte, brachten die Cowboys mit zwei kurzen Drives zu zehn Punkten. Nach Fournettes Fehler wählte Dallas abermals das kurze Field Goal, eine Entscheidung, die Brady zwei Plays später mit einem 47-Yard-Touchdown zu Antonio Brown direkt ad absurdum führte.
Cowboys bleiben dran - dramatisches Finish für Brady
Die Cowboys starteten gut in die zweite Hälfte, wählten jedoch abermals kurz vor der gegnerischen Endzone das Field Goal. Dallas verkürzte so zwar auf 19:21, blieb aber eben im Rückstand - und musste weiter aufholen: Eine Prescott-Interception - die allerdings auf das Konto von CeeDee Lamb ging - gab Brady den Ball tief in der gegnerischen Hälfte, er fand abermals Gronk über die Mitte zum Touchdown, dieses Mal gegen Cover 0 bei einem exzellenten Play-Design. Aber Dallas antwortete, Prescott sezierte die Bucs-Defense beim nächsten Drive einmal mehr, gekrönt von einem perfekt getimten Touchdown-Pass auf Cooper.
Der extreme Shootout brach aber weiterhin nicht aus, auch weil beide Offenses zwischen konservativerem und aggressiverem Play-Calling schwankten - und Fehler machten. Dallas vergab zunächst die Gelegenheit, mit dem Drive zu Beginn des Schlussviertels in Führung zu gehen - doch Prescott erhielt noch eine Gelegenheit: Godwin fumbelte den Ball an Dallas' 1-Yard-Line, und die Cowboys hatten plötzlich die Chance auf den späten Game-Winning-Drive.
Prescott brachte Dallas in Field-Goal-Range, und nach mehreren Fehlschüssen behielt Zuerlein dieses Mal die Nerven. Doch es war noch mehr als eine Minute auf der Uhr, als Brady den Ball zurückbekam: Big Plays zu Gronk und Godwin - der sich dabei am Catch Point an den Grenzen des Erlaubten bewegte - brachten die Bucs blitzartig in Field-Goal-Reichweite, und aus 36-Yards verwandelte Succop den Game Winner.
"Es gibt viel zu verbessern", konstatierte Brady hinterher: "Ryan Succop hat am Ende einen großen Kick gelandet und die Defense hat einige wirklich starke Stopps gemacht. Aber wir müssen wieder an die Arbeit gehen."
NFL Season Opener 2021 in der Analyse
Tampa Bay Buccaneers - Dallas Cowboys
Ergebnis: 31:29 (7:7, 14:9, 7:10, 3:3) BOXSCORE
Buccaneers vs. Cowboys - die wichtigsten Statistiken
- Beide Teams hatten wenig Interesse daran, ein Run Game aufzuziehen: Brady und Prescott kamen zusammengerechnet auf 108 Pässe und auf 783 Passing-Yards - beide Teams liefen den Ball je unter 20 Mal und für je unter 60 Yards.
- CeeDee Lamb war für viele im Vorfeld der Saison bereit, um Amari Cooper als Top-Receiver abzulösen. In Woche 1 war das definitiv nicht der Fall: Cooper sah ein Target mehr als Lamb (16:15), fing aber vor allem sechs Pässe mehr als der Second-Year-Receiver. Beide knackten die 100 Yards.
- Bei den Bucs war Chris Godwin mit 14 Targets klar Bradys Nummer-1-Anspielstation. Antonio Brown erhielt die Hälfte, wurde aber deutlich vertikaler angespielt. Mike Evans (6 Targets, 3 Catches, 24 YDS) war etwas außen vor, hatte es allerdings auch fast durchweg mit Cowboys-Top-Corner Trevon Diggs zu tun. Die Matchups für Brady waren heute woanders.
- Am Ende verlor Tampa die Turnover-Battle mit -3 und hatte fast doppelt so viele Penalty-Yards (106:55) wie die Cowboys. Umso bitterer für Dallas, dass man den Upset zum Auftakt nicht eintüten konnte. Mehr noch: Tampa ist das erste Team aller Zeiten, das die Turnover-Battle mit mindestens drei Turnovern unterschied verliert, die 100 Penalty-Yards knackt, 450 Yards zulässt und dennoch das Spiel gewinnt.
- Für Brady steht mit dem Saisonauftakt ein weiterer Meilenstein: Es war sein 300. Regular-Season-Start, er baut jetzt seinen Rekord vor Brett Favre (298) weiter aus.
- Antonio Brown war in der ersten Hälfte so etwas wie der Dosenöffner in Tampas Waffenarsenal. Er knackte die 100-Receiving-Yards in Halbzeit eins, es war seine 19. Karriere-Halbzeit mit mindestens 100 Receiving-Yards. Damit liegt er jetzt seit 2010 - Browns Rookie-Saison - gemeinsam mit Julio Jones auf dem geteilten ersten Platz in dieser Kategorie.
Der Star des Spiels: Tom Brady (Quarterback, Buccaneers)
Die Total Stats werden Bradys Auftritt nur bedingt gerecht: Die erste Interception ging in erster Linie auf Leonard Fournette, der einen Screen nicht unter Kontrolle brachte, die zweite kam beim Hail Mary in den Schlusssekunden der ersten Hälfte. Brady legte sich die Cowboys-Defense regelmäßig zurecht, er attackierte immer wieder tief, und sein Arm wirkte fast noch besser als letztes Jahr, und der Game-Winning-Drive war ein klassischer Brady. Während die Receiver auf beiden Seiten einige Wackler hatten, waren die beiden Quarterbacks die besten Spieler auf dem Platz.
Der Flop des Spiels: Mike McCarthy (Head Coach, Cowboys)
Man konnte nicht von den Cowboys-Cornerbacks erwarten, dass sie mit dieser Receiver-Gruppe mithalten können - und das sah man dann auch mehrfach. Umso mehr, weil die Front gegen Tampas O-Line kaum einen Stich sah. Deswegen taucht auch hier auch kein Cowboys-Verteidiger auf, und dass es auf der Seite des Balls deutlich werden könnte, muss auch Mike McCarthy bei der Erstellung seines Game Plans gewusst haben. Die Umsetzung allerdings wirft dahingehend Fragen auf: Die Cowboys wählten Field Goals bei Vierter-und-Sechs an der gegnerischen 17-Yard-Line, bei Vierter-und-Drei an der gegnerischen 13-Yard-Line, bei Vierter-und-Goal an der 3-Yard-Line - während man Brady kurz vor der Halbzeitpause mit der kuriosen Entscheidung, aus 60 Yards ein Field Goal zu versuchen, den Ball nochmal zum Hail Mary servierte. Auch kurz vor dem Ende spielte man klar auf das Field Goal. Aus übergreifender Sicht hätte es einen Game Plan mit mehr Aggressivität gebraucht und das war mitentscheidend dafür, dass Dallas das Spiel verloren hat.
Analyse: Buccaneers vs. Cowboys - die Taktiktafel
- Vermutlich kein Spieler wurde individuell mit größerer Spannung erwartet als Dak Prescott. Nach seiner Verletzung früh in der vergangenen Saison hatte er auch große Teile des Training Camps mit Schulterproblemen verpasst - sein Comeback kam mit sehr viel positiven Aspekten, aber auch einer zentralen offenen Frage: Prescott spielte exzellent aus der Pocket, unfassbar ruhig und ohne auch nur ein Anzeichen von Furcht gegen Druck, man sah sein enormes Spielverständnis - abgesehen von einer Beinahe-Interception zu Lavonte David - konstant. Sezierte die Bucs-Defense mehrfach nach Belieben. Aber die Armstärke und generell die Physis waren offensichtlich noch nicht voll da. Das fiel mehrfach deutlich auf, aus Cowboys-Sicht muss man hoffen, dass er hier im Laufe der Saison näher an die 100 Prozent kommt, und die Situation nicht gravierender wird.
- Was die Offense insgesamt anging, hatten die Cowboys einen klaren Plan: Maximale Flexibilität, auch um Prescott Matchups und einfachere Completions zu ermöglichen. Die Cowboys schoben ihre Receiver auffallend mehr herum als in der vergangenen Saison, sie boten beide Running Backs gleichzeitig auf, sie streuten Trick Plays ein. Aus schematischer sowie aus Play-Calling-Sicht war das ein sehr guter Auftritt der Offense, die sich gar nicht die Mühe machte, gegen die herausragende Bucs-Front ein konstantes Run Game aufzuziehen. Auch das war die exakt richtige Entscheidung für dieses Matchup.
- Daran anknüpfend muss man allerdings auch die Bucs kritisieren. Tampa Bay lud immer wieder Eins-gegen-Eins-Matchups gegen die starken Cowboys-Receiver ein, weil die Defense lange in ihrer aggressiven Man Coverage blieb, auch nach der frühen Verletzung von Cornerback Sean Murphy-Bunting. Das führte immer wieder zu Löchern in der Coverage. Generell stand sich Tampa mit Strafen und leichtsinnigen Fehlern noch zu häufig selbst im Weg.
- Tampa Bays Offense derweil ließ die Muskeln bei mehreren Drives spielen. Wenn Brady in die No-Huddle-Offense überging, wenn die Bucs ihre Motion-Sets mit Play Action kombinierten, dann war die Cowboys-Defense weitestgehend komplett überfordert. Die Bucs konnten so immer wieder einen ihrer exzellenten Receiver isolieren und Brady fand diese Matchups natürlich. Insbesondere Godwin wurde auffallend häufig Pre-Snap in Bewegung gesetzt.
- Die Cowboys stellten Elliott und Pollard gleichzeitig häufiger auf als in irgendeinem anderen Spiel zuvor. Dabei war es klar, dass diese Partie - angesichts der gegnerischen Offense und der gegnerischen Front - keine Zeke-Elliott-Partie werden würde. Aber was Elliott fernab aller Stats in Pass Protection machte, war aller Ehren wert.
- CeeDee Lamb hatte eine Achterbahnfahrt von einem Saisonauftakt - trotz des frühen Touchdowns, einem kritischen Third-Down-Play spät im Spiel und guter Total Stats. Lamb ließ mindestens zwei Pässe fallen, für einen dritten könnte man argumentieren. Der zweite Drop führte zur Interception in der zweiten Hälfte, auch wenn es ein schwieriger Catch in Traffic gewesen wäre. Prescott suchte Lamb auffallend häufig, doch Lamb hatte schon letztes Jahr Probleme mit Drops und das setzte sich beim diesjährigen Auftakt fort.