Die Cincinnati Bengals haben nach nur sechs Wochen der neuen NFL-Saison genauso viele Siege auf dem Konto wie in der kompletten Vorsaison (4) und nebenbei bemerkt damit schon ihre Siegausbeute der Saison 2019 (2) verdoppelt. Ein Hauptgrund dafür ist zweifelsohne Rookie-Wide-Receiver Ja'Marr Chase, der die Offense transformierte und das verkörpert, was die 2021er Version dieses Teams auszeichnet.
Chase gehört nicht nur zu den besten Rookie-Receivern seiner Klasse, er gilt schon jetzt als klarer Favorit auf den Award für den Offensiv-Rookie des Jahres. Mit seinen 553 Receiving Yards nach sechs Spielen legte er sogar den zweitbesten Start eines Rookie-Receivers in der NFL-Geschichte hin - nur Anquan Boldin erzielte 2003 im gleichen Zeitraum mehr Yards (592). Zudem rangiert Chase mit 5 Touchdown-Receptions auf Platz 4 der NFL.
Doch seine Receiving-Leistungen waren nicht das, was besonders seine Teamkollegen beim 34:11-Kantersieg über die Detroit Lions am vergangenen Sonntag beeindruckte - obgleich 4 Receptions für 97 Yards durchaus beeindruckend waren. Was die Kollegen zum Verzücken brachte, war hingegen ein ganz anderes Play.
Die Rede ist von seinem Block während des 40-Yard-Catch-and-Run zum Touchdown von Running Back Joe Mixon gegen Lions-Safety Will Harris. "Ich hab das jetzt schon häufiger gesagt - das ist sein Touchdown", betonte Mixon nach dem Spiel gegenüber Reportern. "Das war nicht meiner. Er hat einen Wahnsinns-Block gestellt. Er hat da einen zu Boden geworfen. Ich hab die Aktion nur zu Ende gebracht."
Bengals: Großes Lob für Ja'Marr Chase
"Das ist die Definition dieses Teams - Selbstlosigkeit", umschrieb Linebacker Logan Wilson, der im Spiel eine Interception fing, Chases Play. Head Coach Zac Taylor stimmte zu und lobte sein Receiving Corps als Ganzes: "Sie sind selbstlos. Sie kümmern sich um ihre Teamkollegen. Und ich konnte in Ja'Marrs Augen sehen, wie sehr er sich über Joe Mixons Touchdown gefreut hat. Und Jungs mit so einer Einstellung zu haben, wird uns noch sehr weit bringen."
Quarterback Joe Burrow ergänzte: "Ich habe ihm nach der Aktion gesagt, dass nicht viele Top-5-Pick-Receiver so etwas machen. Aber das zeigt, was für ein Typ er ist. Er wird einfach weiterhin solche Plays machen. Und das war ein unglaubliches Play. Er hat Joe in die Endzone gebracht. Nicht viele Jungs wollen dieses Play machen und er macht es einfach."
Und Burrow muss es wissen. Er und Chase waren bekanntermaßen Teamkollegen auf dem College bei LSU und gewannen nach einer überragenden Saison gemeinsam die nationale Meisterschaft nach der Saison 2019 - mit Burrow als Heisman-Gewinner und Chase als Top-Receiver des Landes. Beide bildeten schon damals ein dynamisches Duo, das nun offenbar auch auf höchstem Level an die gemeinsame Collegezeit anknüpft.
Burrow verfügt in seiner zweiten Saison in der NFL nun über ein formidables Waffenarsenal mit den Receivern Tee Higgins und Tyler Boyd sowie Mixon und Tight End C.J. Uzomah. Doch mit keinem versteht er sich so gut wie mit Chase, was auch in Detroit wieder deutlich wurde.
Bengals: Schwache erste Hälfte gegen die Lions
Bevor es zum Kantersieg für die Bengals wurde, taten sich die Gäste bei den Lions in der ersten Halbzeit deutlich schwerer als gedacht. Erst ein Deep Ball auf Chase über 34 Yards kurz vor der Pause brachte Cincy in die Spur. Wenig später versenkte Evan McPherson ein Field Goal aus 38 Yards zum 10:0-Pausenstand. Danach rollte die Offense wieder. Und wie: "Wir haben jeden Ballbesitz in der zweiten Hälfte mit Punkten abgeschlossen. Und das ist ein Statement, dass wir machen wollten", erklärte Taylor nach dem Spiel. All das nach einem Big Play zwischen Burrow und Chase.
Und in dieser Spielzeit ist dies wahrlich kein Zufall, sondern hat Methode. Brauchen die Bengals ein explosives, ein Big Play, dann geht Burrow konstant in die Richtung von Chase. Laut Next Gen Stats kommt Chase auf 16 Average Targeted Air Yards - nur bei fünf Receivern der Liga ist dieser Wert höher. Mehr noch: Chases Anteil an den Air Yards der Bengals insgesamt liegt bei 47,47 Prozent - lediglich bei Deep Threat Brandin Cooks von den Texans ist dieser Anteil noch höher (50,82 Prozent).
Chase hat sich bereits nach sechs Spielen als Top-Receiver etabliert und damit das Niveau der gesamten Bengals-Offense gehoben.
Doch wo stehen die Bengals mit dieser Erkenntnis? Wo stehen sie im Gesamtkräfteverhältnis der Liga und speziell der AFC? Aktuell belegen sie Platz 2 der AFC North und sehen aus wie ein Playoff-Anwärter - Playoffs sah man in Cincy seit 2015 nicht mehr.
Bengals: Ravens als echter Gradmesser
Ob die Bengals nach drei mauen und zwei komplett indiskutablen Jahren zuletzt nun allerdings schon wieder zu den besseren Teams zählen, erscheint zumindest noch fraglich. Sie stehen bei 4-2, doch die vier Siege kamen allesamt gegen Teams, die nach Woche 6 bestenfalls eine ausgeglichene Bilanz vorweisen (Vikings, Steelers) sowie zwei Teams mit einem Sieg insgesamt (Jaguars, Lions). Die Niederlagen erlitten sie kurioserweise beide gegen die NFC North, wobei die Pleite gegen Green Bay in Woche 5 ob der Umstände und den vergebenen Siegchancen durch verunglückte Field-Goal-Versuche besonders schmerzen dürfte.
Der nächste und wohl größte Gradmesser der bisherigen Saison folgt nun bereits am kommenden Sonntag, wenn es nach Baltimore zu den Ravens geht. Jenen Ravens, die aktuell wie eines der bedrohlichsten Teams der noch jungen Saison aussehen. Gelingt auch dort ein Sieg, müsste man die Bengals besonders ernst nehmen. Holen sich Burrow, Chase und Co. hingegen eine Niederlage ab, wäre es trotz des guten Saisonauftakts aber keineswegs Business as usual, schließlich sind die Ansprüche in Cincinnati mit Burrow und Chase an der Spitze deutlich gestiegen.
Bengals: Die vergangenen fünf Saisons im Überblick
Saison | Siege | Niederlagen | Unentschieden | Platzierung AFC North |
2016 | 6 | 9 | 1 | 3. |
2017 | 7 | 9 | 0 | 3. |
2018 | 6 | 10 | 0 | 4. |
2019 | 2 | 14 | 0 | 4. |
2020 | 4 | 11 | 1 | 4. |