Die 17:45-Klatsche bei den Tampa Bay Buccaneers am vergangenen Sonntag markierte nicht nur die nächste deutliche Pleite - es war bereits die vierte Niederlage in Serie für die Miami Dolphins. Es war zugleich die schlechteste Defensiv-Vorstellung dieses Teams seit dem Season-Opener 2019 gegen die Baltimore Ravens (10:59). Jenes Spiel war die Premiere für Head Coach Brian Flores und der offizielle Beginn eines langen Neuaufbaus.
Seit jeher predigte vor allem General Manager Chris Grier Geduld und verwies aufs große Ganze. Der Prozess, der seinerzeit begonnen wurde, sei ein langwieriger und die Zukunft stehe im Vordergrund, während etwaige Rückschläge der Gegenwart in Kauf zu nehmen seien.
Dieses Mantra galt für 2019 wie auch für 2020. Doch in der laufenden Spielzeit könnte die Geduld allmählich enden.
2019 gelang es einer massiv abgerüsteten Resterampe immerhin, fünf Achtungserfolge einzufahren. Für ein Team, das gemeinhin als klarer Kandidat auf den Nummer-1-Pick in jene Saison gegangen war, ein Erfolg.
Gleichzeitig gelang es, mit der Trennung von einigen Leistungsträgern Draft-Picks für die Zukunft zu akquirieren. 2020 dann standen letztlich sogar zehn Siege zu Buche, was zwar nicht für die Playoffs reichte, aber unterstrich, wie weit der Neuaufbau schon vorangeschritten war.
Miami Dolphins: Ryan Fitzpatrick sorgte für Aufschwung 2020
Dass ein Grund für den etwas überraschenden Aufschwung des Vorjahres Quarterback Ryan Fitzpatrick und seine beherzten Einsätze als Aushilfe für Rookie Tua Tagovailoa war, wurde zwar registriert, aber auch nicht überbewertet. Vielmehr war klar: Tua ist unser Mann, sodass Fitzmagic nach Washington abwanderte und Miami alles auf den Hawaiianer setzte.
Nach fünf Wochen und vier Niederlagen - Tua wirkte verletzungsbedingt nur in den ersten beiden Partien mit - muss man neben mehreren Entscheidungen auch diese kritisch unter die Lupe nehmen.
Bis zuletzt zeigte die Offense mit Backup Jacoby Brissett nur phasenweise bessere Vorstellungen, sodass die Dolphins darauf hoffen, Tagovailoa bereits am kommenden Sonntag in London gegen die Jacksonville Jaguars zurückzubekommen. Doch der junge QB überzeugte bislang auch nicht. Wie schon im Vorjahr präsentiert er sich zu zögerlich, sobald sein erster Read nicht da ist. Ebenso hält er weiterhin den Ball zu lange und wird leicht nervös. Selbst beim Auftaktsieg in New England stand bis auf zwei gut geskriptete Drives zu Beginn jeder Halbzeit nicht viel Gutes auf dem Zettel.
Die Offense machte also eher nicht den erhofften nächsten Schritt, um vollends konkurrenzfähig zu sein. Das Überraschende für Miami dürfte aber vielmehr sein, dass auch die Defense nicht allzu stabil daherkommt.
Der 40-Burger in Tampa war kein Einzelfall. Die Dolphins kassierten damit schon zum dritten Mal in dieser Spielzeit mindestens 30 Punkte - nach nur fünf Spielen. Kein gutes Zeugnis für ein Team, dessen Defense eigentlich die Stärke sein sollte.
Maimi Dolphins: Brian Flores ist "besorgt"
Ein Fakt, der auch Flores nicht verborgen blieb. "Ich bin besorgt. Wir sind in vielen Bereichen nicht im Gleichklang - Run Defense, Pass Defense, Pass-Rush", listete der Head Coach nach der Bucs-Klatsche auf. "Wir sind immer einen Schritt hinterher, würde ich sagen. Wir müssen einige Korrekturen vornehmen, es gibt einige Dinge, die wir angehen müssen." Doch Flores gab auch zu: "Wir haben das bereits getan und einige Dinge angesprochen, jedoch sehen wir die Production nicht auf dem Feld und das ist das, was zählt."
Besonders frustrierend dürfte die Tatsache sein, dass Defense der Bereich ist, in den besonders viele Ressourcen im Laufe des Rebuilds gesteckt wurden. Im diesjährigen Draft wurde mit Edge-Rusher Jaelan Phillips ein Erstrundenpick und dann mit Safety Jevon Holland ein Zweitrundenpick investiert. Ein Jahr zuvor kam Cornerback Noah Igbinoghene per Erstrundenpick. Darüber hinaus wurde auch viel Cash investiert, etwa für Corner Byron Jones. Das Ergebnis jedoch ist nach Lichtblicken im Vorjahr ernüchternd.
Stellt man nun die Frage, woran das alles liegen mag - warum der positive Trend der Vorsaison nicht zu halten war und das Team dem Abgrund entgegen steuert, kommen wir unweigerlich doch wieder auf Tua zurück.
Sicherlich muss sich Grier Kritik für seinen Kaderbau insgesamt gefallen lassen. Seine Manöver in der O-Line, die er nun schon mehrfach umgekrempelt hat, gingen bislang nicht auf. 2020 etwa investierte er einen seiner drei Erstrundenpicks in Left Tackle Austin Jackson, der damals als Projekt und im Grunde als Reach galt. Bis heute etablierte er sich nicht.
Guard Ereck Flowers wurde nach ordentlicher Saison in Miami bereits wieder abgegeben und auch Center Ted Karras hielt es nicht länger in Südflorida. Stattdessen starten nun drei Spieler, die in ihrer ersten oder zweiten Saison sind. Und auch dahinter findet sich kaum Erfahrung.
Miami Dolphins: Tua Tagovailoa als Wendepunkt
Doch Tua bleibt wohl der Wendepunkt für diese Franchise - die Entscheidung, ihn mit dem fünften Pick im Draft 2020 zu ziehen, hat Konsequenzen.
Mit dem heutigen Wissen schmerzt es sicher besonders, dass der sechste Pick ausgerechnet ein gewisser Justin Herbert war, der mit den Los Angeles Chargers derzeit die AFC West spektakulär anführt und wie der nächste Superstar aussieht. Doch wer hätte diese kometenhafte Entwicklung damals schon erahnen können, zumal Tua vor seiner schweren Hüftverletzung auf dem College als bester QB seiner Klasse und Heisman-Favorit galt.
Vorwerfen muss man den Verantwortlichen in Miami aber sehr wohl, nach Tuas durchwachsener Rookie-Saison dennoch auf ein Sicherheitsnetz verzichtet zu haben. Man vertraute ihm im Grunde blind, setzte alles auf eine Karte.
Brissett ist erwiesenermaßen kein Starter, mit dem sich vieles gewinnen ließe, ergo konnte die Antwort nur Tua lauten. Erschwerend für die Dolphins kommt jetzt noch dazu, dass sie ohne große Not durch ihre Moves im Draft 2021 direkt noch ihre unmittelbare Zukunft verpfändet haben. Im Grunde haben sie beinahe das gemacht, wovon sie zuletzt zu Lasten der Houston Texans profitierten. Sie gaben ihren Erstrundenpick ab, der sie schlimmstenfalls immerhin für eine schwache eigene Saison entschädigt hätte.
Die Dolphins tradeten damals den dritten Pick insgesamt - von den Texans - nach San Francisco (für Trey Lance). Parallel dazu aber beschlossen sie, mithilfe des von den 49ers erhaltenen Pick, unter anderem im Paket mit dem eigenen Erstrundenpick 2022, zurück in die Top 10 zu traden, um dann Wide Receiver Jaylen Waddle zu holen. Den 2022er Pick halten nun die Eagles.
Ganz abgesehen davon, dass Miami mit diesem Manöver die Chance liegen ließ, sich einen besseren QB als Tagovailoa im vergangenen Draft zu holen, gaben sie zugleich auch noch viel Flexibilität für die Zukunft ab. Das heißt: Wenn die Saison für Miami so weiterläuft wie bisher, sind die Eagles der lachende Dritte, während Miami nur noch den ersten Pick der 49ers hält, der mutmaßlich nicht allzu hoch ausfallen wird.
Dolphins: Bewertung von Tua Tagovailoa als letztes Ziel 2021
Ob bereits damals der Plan B ein möglicher Trade für Deshaun Watson gewesen sein mag, lässt sich schwer sagen. Sollte Watson in den Überlegungen der Verantwortlichen eine Rolle spielen, ist das auch weiterhin denkbar. Dessen rechtliche Probleme machen eine Verpflichtung aber auf absehbare Zeit eher unwahrscheinlich.
Die Dolphins stehen bei 1-4 und zeigten bisher zu häufig kaum Konkurrenzfähigkeit. Vielmehr wurden sie gleich mehrfach überrollt. Jedoch ist noch nicht alles verloren. Ein Blick auf die kommenden Aufgaben lässt zumindest mal hoffen. Von den kommenden vier Gegnern haben nur die Bills an Halloween eine positive Bilanz. Die Jaguars und Falcons zeigten zwar zuletzt positive Tendenzen, sind jedoch nicht unüberwindbar.
Mit einem starken Zwischenspurt wäre dann zumindest mal die Rückkehr in die Respektabilität drin. Vielmehr scheint nach diesem Saisonstart ohnehin nicht mehr möglich zu sein, sodass es einmal mehr nur noch darum geht zu sehen, ob Tua Tagovailoa am Ende doch die Antwort sein kann - oder man sich anderweitig umsehen muss.
Und dann müsste wohl der gesamte bisherige Prozess auf den Prüfstand.
Miami Dolphins: Die kommenden Gegner
Woche | Datum | Uhrzeit | Gegner |
6 | Sonntag, 17. Oktober | 15.30 Uhr | vs. Jaguars (London) |
7 | Sonntag, 24. Oktober | 19 Uhr | vs. Falcons |
8 | Sonntag, 31. Oktober | 18 Uhr | @ Bills |
9 | Sonntag, 7. November | 19 Uhr | vs. Texans |
10 | Freitag, 12. November | 2.20 Uhr | vs. Ravens |