Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 8 in der NFL

Von Adrian Franke
01. November 202110:24
SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 8 in der NFL.getty
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Die NFL marschiert auf die Halbzeitmarke zu, das Playoff-Bild wird klarer: Können die Patriots in der Postseason doch noch mitmischen? Welche AFC-Teams sind eigentlich wirklich gut? Wie sollten die Colts mit Carson Wentz verfahren? Außerdem: Das wichtige Thema Calvin Ridley. SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf den NFL-Spieltag.

Als Bears-Verteidiger Akiem Hicks nach der Niederlage gegen die 49ers auf Justin Fields angesprochen wurde, gab Hicks eine deutliche Antwort: "Ich will damit anfangen, dass ich kein Quarterback-Analyst bin. Aber das kann ich sagen: Er ist Elite. Es macht Spaß, ihm zuzuschauen. Ich erinnere mich an ein Play, wo er einen kleinen Spin Move eingelegt hat und dann nochmal für zehn Yards gelaufen ist."

Hicks mag kein Quarterback-Analyst sein, aber hier brachte er ein Thema auf den Punkt: Fields kann Spaß machen, und nach einigen Spielen, wo er jetzt überfordert war, ganz besonders mit dem Spieltempo und damit, wie er eine NFL-Pocket spielen muss, hatte er ausgerechnet gegen die starke Niners-Front eine Art Breakout-Spiel. Das lag teilweise daran, dass die Bears ihn gut aus der Pocket bewegten, aber auch aus der Pocket ein besseres Quick-Passing-Game aufzogen als zuletzt.

Die Highlights - wie der von Hicks angesprochene Run, wie der erste Touchdown-Pass, wo er den Ball ideal vom Verteidiger weg platziert, die Pässe aus der Bewegung, die Athletik, die Fähigkeit, Plays zu retten - all das gibt Bears-Fans Hoffnung für die Zukunft. Ich hoffe, dass wir mehr solcher Game Plans wie gegen die Niners sehen, und dann wird Fields auch weiter Fortschritte und Plays für die Bears machen.

Dass die NFL aber eine "Week-to-Week"-Liga ist - sprich: jede Woche ist alles möglich -, wird wohl durch kein Team besser verkörpert als durch die New York Jets, deren beide Saisonsiege bislang gegen Tennessee und diese Woche gegen die Bengals kamen.

Also gegen das Team, das in diesen Spieltag als Nummer-1-Seed der AFC gegangen war und gegen das Team, welches jetzt als Top-Seed in der AFC übernimmt. Und das mit Backup-Quarterback Mike White, welcher einer bisher so überzeugenden Cincy-Defense 400 Yards und drei Touchdowns einschenkte.

Die Lektion ist, dass Trap Games sehr real sind in der heutigen NFL, und das auch nur ein paar Prozentpunkte weniger Konzentration dazu führen können, dass man gegen einen vermeintlich klaren Underdog ein sehr böses Erwachen erlebt. Das gilt für Top-Teams, es gilt für aufstrebende Teams, und es gilt für Teams, die vielleicht gerade einen emotionalen Sieg eingefahren haben.

Los geht's aber mit den Patriots, und der Frage: Könnte New England doch noch ein Playoff-Team sein?

1. Haben die Patriots noch Playoff-Chancen?

Wenn man ein Argument für die Patriots entwerfen will, dann ist das auf jeden Fall da: Der überdeutliche Kantersieg gegen ein schlechtes Jets-Team, gefolgt von jetzt einem Auswärtssieg bei einem Playoff-Anwärter. Der Sieg über die Chargers war der erste Pats-Sieg gegen ein Team mit positivem Record. Der Trend geht also zumindest in die richtige Richtung, und während die Defense zwar gegen den Run einmal mehr riesige Lücken offenbarte, machte New England jede Menge Plays in der Pass-Defense.

Der Pass-Rush der Patriots setzte Herbert unter Druck und störte so auch den Rhythmus der Offense, dahinter kam New England zu Big Plays in Form von Turnovern. Das ist natürlich nicht stabil, aber was mir umso besser gefällt, ist die Entwicklung der Offense.

Bei Mac Jones können wir förmlich dabei zuschauen, wie er sich weiterentwickelt, wie das Spiel für ihn etwas langsamer wird - und wie er in der Folge auch in seinen Reads vertikaler gehen kann. Das frühe Shot-Play zu Agholor war ein Musterbeispiel dafür, wo Jones ruhig gegen Druck durch die Pocket arbeitet, und den Ball dann tief mit Antizipation anbringt.

Es sind noch vorsichtige Trends, aber Jones spielt eine eindrucksvolle Rookie-Quarterback-Saison bisher. Wenn die Offense jetzt weiter an ihrer Balance im Passspiel schrauben kann, wird das auch das Run Game wieder besser öffnen. Ich denke tatsächlich, dass die Pats "näher dran" sind als man vielleicht erwarten konnte.

Interessant ist außerdem, wie Belichick - der vor zwei Wochen noch einiges an Kritik eingesteckt hatte - sein In-Game-Management angepasst hat: Die Patriots waren zuletzt zumindest ein wenig aggressiver in ihren Fourth-Down-Entscheidungen; und so kleinteilig wie die Patriots-Offense nach wie vor immer wieder funktioniert, ist das vielleicht umso wichtiger.

Die Pats haben als nächstes Carolina, Cleveland, Atlanta und Tennessee auf dem Schedule. Es ist noch eine sehr vorsichtige Entwicklung, aber grundsätzlich ist der Trend gerade in der Offense sehr positiv. Und das sollte dabei helfen, den Pats die Tür für ein Playoff-Ticket offenzuhalten. Denn generell gilt in der AFC - dazu später mehr - dass hier alles weit offen ist. Nicht nur an der Spitze.

Was für ein Team sind die Chargers wirklich?

Die Chargers sind derweil mit Niederlagen gegen die Ravens sowie jetzt nach der Bye Week gegen die Patriots nach zwischenzeitlichem Höhenflug wieder etwas auf dem Boden gelandet. Mit Philadelphia, Minnesota, Pittsburgh und Denver warten jetzt einige machbare Aufgaben, und ich bin auch weit davon entfernt, die Alarmglocken zu leuten.

Ich denke eher, dass L.A. jetzt mehr in dem Rahmen ankommt, in dem das Team realistisch vermutlich immer einzuschätzen war: An der Grenze zum oberen Liga-Drittel, mit gelegentlicher Top-10-Upside, einer sehr realistischen Playoff-Chance, aber eben auch noch klaren Baustellen, welche verhindern, dass die Chargers ultimativ schon jetzt in die oberste Liga-Spitze zählen.

Ein Stück weit ist das auch komplett normal im Rahmen des Umbruchs. Ja, Los Angeles hat in der Offseason sehr intelligent in seine Offensive Line investiert, aber wir reden nicht nur von einem Quarterback in seinem zweiten Jahr, sondern eben auch von einem neuen Coaching Staff, dessen System erst vollends übernommen werden muss.

Defensiv merkt man das vor allem dahingehend, dass Brandon Staley eben nicht ansatzweise die Front hat, die er bei den Rams hatte, was dazu führt, dass aus seiner defensiven Grundstruktur vor allem die Run-Defense wackelt; mehrfach jetzt schon in einem Rahmen, der tatsächlich gravierende Auswirkungen auf das Spiel hatte.

Chargers-Offense noch in der Findungsphase

Aber ich schaue eben auch auf die Offense. Die war bisher up-and-down, und das hat für mich auch strukturelle Hintergründe. Ich hatte zu häufig dieses Jahr den Eindruck, dass Offensive Coordinator Joe Lombardi sehr viel von Herbert verlangt, gerade in puncto schwierige Würfe. Dass die Offense zu wenig konstante Production im Intermediate-Passing-Game hat, dass sie noch zu wenig explosive Plays aus Play Action kreiert.

Und dabei bleibt es weitestgehend auch. Gegen Baltimore war besonders auffällig, wie die Chargers schwierige Matchups vor allem bei Third Down hatten und wenn Herberts Accuracy dann noch gelegentlich ein klein wenig wackelt, kann die herausragende Third-Down-Quote auch mal in den Keller fallen - und plötzlich punktet die Offense nicht mehr wie gewohnt.

Auch die Patriots haben es geschafft, den Rhythmus im Passspiel zu stören; es war nicht das erste Mal, dass Belichick das gelang: In zwei Spielen gegen die Patriots hat Herbert jetzt das schlechteste und zweitschlechteste Passer Rating seiner Karriere sowie die schlechteste und zweitschlechteste Completion Percentage seiner Karriere gegen die Patriots aufgelegt, auch zwei seiner vier NFL-Spiele mit je mehreren Interceptions kamen gegen die Pats.

Auch in der Feinabstimmung hat Los Angeles noch Luft nach oben. Dieses Team wird noch wachsen, und ich denke, dieses Team wird dieses Jahr den nächsten Schritt auch insofern machen, dass Playoffs gespielt werden. Aber die faire Erwartungshaltung wäre dann eher, ein Playoff-Ticket in dieser Saison als realistische Zielvorgabe auszugeben.

2. Das wichtige Thema Calvin Ridley

Mit zwei direkten Division-Duellen an diesem Spieltag war einiges geboten in der NFC South, und an dieser Stelle ein kleiner Blick hinter die Kulissen. Ich hatte schon vor dem Sonntag einige Stichpunkte zur Falcons-Offense gesammelt, um darüber zu schreiben, wie diese Unit zuletzt etwas Stabilität gefunden hat.

Darüber, wie Atlanta einige Wochen gebraucht hatte, um seine Personnel-Groupings richtig einzusortieren und etwa Kyle Pitts primär als X-Receiver sowie Cordarrelle Patterson als Starting-Running-Back aufzustellen. Darüber, wie die Offense so besser darin wurde, Matchups zu kreieren und wie Ryan noch immer mit seinem schnellen Release und seinem Pocket-Verhalten der Line helfen kann.

Diese Idee wurde jedoch ad absurdum geführt, nicht nur durch die 13:19-Niederlage und den eher enttäuschenden Auftritt der Offense gegen eine gute Panthers-Defense, sondern in erster Linie durch die Nachricht rund um Calvin Ridley. Atlantas Star-Receiver, der bereits das Jets-Spiel aufgrund von mentalen Problemen verpasst hatte, anschließend aber zurückgekommen war und auch gespielt hatte, wird sich jetzt auf unbestimmte Zeit eine Auszeit nehmen, um mental wieder in die Spur zu finden.

Mir ist natürlich klar, dass für Superstar-Sportler andere Standards angewandt werden, dass sie immer verfügbar zu sein haben und das viele Leute Ridley vermutlich hoch in ihren Fantasy-Ligen gedraftet haben. Aber einige der Kommentare unter den entsprechenden Posts zu Ridley in den sozialen Medien lassen mich nur erahnen, wie Ridleys DM-Postfächer aussehen müssen.

Ich applaudiere Ridley für seinen offenen Umgang mit dem Thema, genau wie auch Eagles-Tackle Lane Johnson, der übrigens gerade diese Woche Jay Glazer ein ausführliches Interview zu genau diesem Thema gegeben hat, welches ich jedem nur ans Herz legen kann, in welchem Johnson sich öffnet - und auch über den Druck spricht und das Gefühl, in der harten NFL-Welt als Versager dazustehen, wenn er seine mentalen Probleme öffentlich macht.

"Ich habe für lange Zeit in der Hölle gelebt", gibt Johnson darin zu und spricht darüber, wie er Auswege finden musste, auch aus den sozialen Medien und deren Negativität. Mentale Probleme können jeden treffen, egal, ob Superstar-Receiver in der NFL oder nicht.

Wir hier haben meist keinen direkten Zugang zu Calvin Ridley und Lane Johnson, aber das heißt nicht, dass der eigene Post nicht vielleicht zufällig der Post oder die Nachricht ist, welche ins Ziel trifft. Und selbst davon abgesehen trägt eine negative oder spottende Reaktion darauf nur dazu bei, dass vielleicht jemand anderes, der ähnliche Probleme hat, umso größere Hemmungen verspürt, sich an die Öffentlichkeit zu wagen.

Es ist gut, dass dieses Thema mittlerweile in der NFL offen angesprochen wird, und ich bin mir sicher, dass Lane Johnson und Calvin Ridley nicht die letzten beiden Spieler waren, die ihre mentale Gesundheit priorisieren - genau so, wie sie es auch sollten.

Bradys absurder Meilenstein - quo vadis, Saints?

Einen guten Übergang gibt es hier nicht, daher die Brechstange - denn rein um sportliche Aspekte ging es im Duell der Saints und der Bucs ebenfalls nicht, spätestens mit der Verletzung von Jameis Winston war im emotional aufgeladenen Superdome eine weitere Storyline omnipräsent.

Ich denke nicht, dass die Saints signifikant besser waren - ein Statement-Sieg war es dennoch. Die Turnover waren absolute Killer für die Bucs. Und die wiederum waren für sich betrachtet schon irgendwo symptomatisch: Die Interception von Brady, der gegen die Saints-Defense einfach Probleme hat, das haben wir letztes Jahr schon gesehen.

In dem Fall war es der Versuch, zwei Routes in einem Scissor-Konzept kreuzen zu lassen, doch C.J. Gardner-Johnson las das Play und den Quarterback perfekt, löste sich von Tyler Johnson und sprang in den Passweg davor, um den Ball abzufangen.

Der erste Turnover war der Strip-Sack gegen Brady, welcher unterstrich, wie unheimlich physisch diese Saints-Line spielen kann, wenn sie in Bestbesetzung ist. Jetzt auch mit David Onyemata zurück im Lineup, der nach abgesessener Sperre zurückkehrte und so etwas wie der Under-the-Radar-Spieler dieser Unit ist. Gemeinsam mit Marcus Davenport und Cam Jordan ist das eine Gruppe mit extrem viel Power, und selbst die starke Bucs-Line bekam das in diesem Matchup zu spüren. Und dann war da natürlich der Pick, der das Spiel beendete.

Turnover waren die Geschichte dieses Spiels, mit einer exzellenten Saints-Defense auf der anderen Seite; aber schon hier war sichtbar, dass die Saints-Offense klare Limitierungen hatte.

Die große Frage ist jetzt natürlich, wie weit es für die Saints gehen kann, jetzt wo Jameis Winston mit einem Kreuzbandriss außer Gefecht ist. Bekommen wir dann nochmal die Taysom-Hill-Offense?

Die ehrliche Antwort ist, dass New Orleans rechnerisch aktuell zwar sehr gute Chancen auf eine Wildcard hat, doch mit Hill - oder Siemian - wird man Woche für Woche spektakuläre Auftritte der eigenen Defense brauchen, und das ist einfach sehr unwahrscheinlich.

Es wird also eine Zitterpartie - aber wer bitte könnte nach diesem inspirierten Auftritt der Saints auf der einen, und diesem maßlos enttäuschenden Auftritt der Vikings auf der anderen Seite argumentieren, dass Minnesota sich diese Schwächung der Saints zunutze machen kann? Die Vikings hatten gegen Dallas ohne Dak Prescott eine Gelegenheit auf dem Silbertablett, doch sie konnten gegen Cooper Rush zuhause die Big Plays nicht verhindern, während die eigene Offense derart eindimensional auftrat.

Sean Payton, die Defense und die O-Line sind gut genug, um auch mit dem Backup-Quarterback ein Playoff-Ticket zu ergattern.

Kleine Randnotiz noch, denn dieses Spiel hatte auch die absurdeste Statistik dieser Woche zu bieten: Mit dem Touchdown-Pass zu Giovani Bernard hat Tom Brady in seinen 40ern mehr Touchdown-Pässe als in seinen 20ern geworfen. Absurd!

3. Hat die AFC überhaupt ein echtes Top-Team?

Ich hatte letzte Woche die Frage in den Raum gestellt, wie man die AFC-Spitze jetzt bitte ordnen will. Das war nach der deutlichen Niederlage der Ravens gegen die Bengals, eine Woche nachdem Baltimore die Chargers komplett zerlegt hatte, während Tennessee gerade die Bills und die Chiefs in Folge geschlagen hatte.

Jetzt stolpern die Browns gegen Pittsburgh, die Bills tun sich lange unerwartet schwer gegen die Dolphins-Defense und die Bengals fallen in ein waschechtes Trap Game gegen die Jets, mit ihrem zweiten und teilweise dritten Quarterback.

An diesem Punkt will ich gar nicht erst sortieren, welches Team in der AFC-Spitze vielleicht besser ist als das andere, sondern eine ganz andere Frage in den Raum stellen: Hat die gesamte AFC aktuell kein wirklich überzeugendes Team? Gibt es ein wirklich verlässlich gutes Team in der AFC?

Bevor Bills-Fans die Mistgabeln rausholen: Ja, Buffalo ist das kompletteste Team in der AFC und ja, die Bills sind ein starkes Team, auch wenn die Offense holprig in die Saison startete. Aber sonst?

Traut jemand wirklich der Titans-Defense, die jetzt einige starke Auftritte ihrer Front hatte, sich gegen die Colts aber wieder deutlich schwächer präsentierte? Oder den Ravens, denen die Cornerback-Tiefe fehlt und die offensiv dieses Jahr - nicht zuletzt aufgrund ihrer inkonstanten Line - noch mehr als sonst von Lamar Jackson abhängig sind? Oder eben diesem jungen Bengals-Team, das fraglos Potenzial hat, aber nicht zuletzt mit dieser Offensive Line noch einen Schritt weit weg ist? Oder den Chargers, deren Run-Defense ein Problem ist und deren Offense noch inkonstant wirkt?

Und so weiter, und so fort. Die Quintessenz hier für mich ist, dass die AFC-Spitzengruppe sehr offen ist und somit auch nicht nur jetzt, sondern potenziell auch Richtung Playoffs noch viel Bewegung reinkommen und Teams überraschen kann. Das könnten die Patriots sein, wenn New England sich offensiv weiter steigert. Das könnten die Raiders sein. Es könnten die Chiefs sein. Und so weiter. Spoiler: Mein Midseason Power Ranking kommt morgen raus, und ich sehe derzeit maximal ein AFC-Team in der Top-5.

Insbesondere an Kansas City musste ich an diesem Spieltag denken, wenn die Chiefs irgendwann doch wieder in die Spur finden, könnten sie auch als Wildcard dieses AFC-Playoff-Feld von hinten aufrollen.

Titans-Sieg macht Division-Vorsprung zu groß

Zumindest ein Team kann derweil neben Buffalo in der AFC schon quasi für die Playoffs planen: Die Tennessee Titans.

Ich weiß, es stehen noch viele Spiele aus und in der NFL kann alles passieren. Aber das war ein kritischer Sieg für die Titans in Indianapolis, und ich denke, dass mit diesem Sieg die AFC South entschieden ist.

Die Titans haben jetzt drei Spiele Vorsprung auf die Colts und haben den direkten Vergleich gegen Indianapolis mit den beiden Siegen gewonnen, sprich de facto sind es vier Spiele Vorsprung und jetzt kann man darüber diskutieren, ob die Colts nicht das eine oder andere Spiel mehr schon hätten gewinnen müssen, dass sie Ausfälle über die ersten Wochen hatten, und so weiter: Ich denke, dieses Loch ist zu tief.

Für mich haben die Titans, über deren gefährliche Offense, welche Tennessee in jedem Spiel zu einer potenziellen Bedrohung macht, ich letzte Woche geschrieben hatte, mit diesem Sieg den Division-Titel perfekt gemacht.

Gegen die Colts war dabei auffällig, dass auch das Kurzpassspiel für Tennessee früh im Spiel immer wieder da war, um einen Rhythmus zu finden. Auch die QB-Keeper für Tannehill geben der Offense eine wichtige Dimension, damit Defenses sich nicht zu sehr auf Derrick Henry einschießen können.

Und dann komme ich bei den Titans nicht drum herum, diesem Team immer wieder eine gewisse mentale Stärke zuzuschreiben, wenn ich Tennessee-Spiele sehe. Das Chiefs-Spiel hätte ein typisches Letdown-Spiel sein können, nach dem packenden Erfolg gegen die Bills - das Gegenteil war der Fall.

Dann ging es jetzt nach Indianapolis, die Titans legten einen kompletten Horrorstart hin - aber man hatte nie das Gefühl, dass man aus der Ruhe kam. Sicher, da war auch Glück dabei, dass Tennessee nach Tannehills zweiter Interception den Ball behielt infolge eines Fumbles beim Return. Aber, und das geht Hand in Hand mit der Art und Weise, wie die ganze Offense strukturiert ist, die Titans haben ihren klaren Stil und den verlassen sie quasi nie.

Ich denke nicht, dass Tennessee am Ende den Nummer-1-Seed holt, aber die Titans werden ihre Division gewinnen und sie werden für jedes AFC-Team, egal, was in dieser Spitze noch passiert, eine extrem unangenehme Aufgabe darstellen.

Dolphins verlieren wieder - kommt jetzt Watson?

Wenn wir eh gerade in der AFC sind: Die Dolphins lieferten den Bills ein gutes Spiel; das aber lag an der Defense, nicht an der eigenen Offense und als die Dolphins-Defense schließlich doch irgendwann ein paar Plays zuließ, konnte die Offense nicht antworten.

Vielleicht werden die Dolphins diese Woche noch für Deshaun Watson traden, vielleicht auch nicht. Die Gerüchte, dass diese beiden Seiten letztlich auf Kollisionskurs sind, halten sich jedenfalls hartnäckig. Watson soll bisher gewillt sein, seine No-Trade-Klausel einzig für Miami aufzuheben - und dass die Dolphins interessiert sind, bleibt zumindest ein relativ konstantes Thema, während man aus Carolina jeden Tag eine neue Wasserstandsmeldung erhält.

Spätestens in der Offseason wird das also ein Thema sein, die jüngsten Berichte gingen in die Richtung, dass Miami gerne das Risiko minimieren würde - sprich den Preis drücken will, während gegen Watson weiterhin schwere Vorwürfe im Raum stehen -, die Texans aber mit dem Preis nicht runtergehen. Und halbwegs geklärt wird Watsons Situation nicht vor dem Frühjahr sein. Das klingt in der Gesamtabrechnung wie ein Stillstand, bei dem sich bis Dienstag nur etwas verändert, wenn eine Seite blinzelt.

Mal davon ausgehend, dass Watson in den nächsten rund 36 Stunden kein Miami Dolphin wird, wäre meine Forderung: Nehmt die Stützräder von der Offense ab. Tua hatte einige Big Plays zum Start in das Bills-Spiel, aber es waren auch wieder so viele Plays, die einen frustrieren müssen. Wenn er bei Dritter-und-Fünf den Ball zu Waddle wirft, der direkt an der Line of Scrimmage getackelt wird. Wenn er wieder potenziell katastrophale Fehler macht und gerade so einer Interception entgeht.

Zu viel in dieser Offense ist immer noch auf Sicherheit ausgelegt; meine Forderung geht deshalb eindeutig in Richtung des Play-Callers und des Quarterbacks. Denn von dem was Miami aktuell offensiv spielt, werden wir nicht viel lernen können, außer dass Tua präzise RPOs wirft, Touch über die Mitte hat und sich in der Pocket bewegen kann. Das wissen wir aber alles schon, und es sind keine neuen Erkenntnisse.

Tua Tagovailoa ist kein schlechter Quarterback, und er spielt gut seit seiner Rückkehr. Ist er gut genug, um an ihm festzuhalten und die Chance auf Watson - rein sportlich jetzt gesprochen - liegen zu lassen? Das müssen die Dolphins jetzt herausfinden, und mit der Offense, die Miami aktuell spielt, ist das schwer. Auch wenn diese Offensive Line einige Dinge natürlich erschwert. Aber jetzt ist nicht die Zeit für Ausreden.

4. Die Colts sollten für Wentz keinen First-Rounder bezahlen

Wenn wir den vorherigen Punkt mal weiterdenken und die Titans mit diesem Sieg wirklich die Division quasi eingetütet haben, wäre mein anschließender Gedankengang: Die Colts sollten keinen First-Round-Pick für Carson Wentz bezahlen.

Zur Erinnerung, die Parameter dieses Trades waren wie folgt: Aus dem 2022er Zweitrunden-Pick, der von Indianapolis nach Philadelphia wandert, wird ein Erstrunden-Pick, wenn Wentz mindestens 75 Prozent der Colts-Offense-Snaps spielt, oder wenn er mindestens 70 Prozent spielt und die Colts die Playoffs erreichen.

Es gibt keinen Grund, warum Indianapolis das zulassen und einen potenziellen Top-12-Pick nach Philly schicken sollte.

Und das heißt ja nicht, dass Wentz nächste Woche auf die Bank muss; für die ganz gierigen Eagles-Fans gibt es hierfür sogar einen Tracker. Indianapolis hat noch einige Wochen Spielraum, ehe man in die Nähe der kritischen 75-Prozent-Marke kommt - nur falls die Titans jetzt doch komplett einbrechen und Indianapolis in drei Wochen wieder in Schlagdistanz ist.

Es gibt wirklich nur zwei Argumente, die ich hier ernsthaft sehe: Die Verantwortlichen in Indianapolis sehen eine Art "Rechtfertigung" für den Trade in Gefahr, wenn Wentz für das letzte Saison-Viertel, selbst wenn es sportlich unbedeutend sein sollte, rausgenommen wird. Und: Coach Frank Reich sieht den Locker Room in ernsthafter Gefahr, wenn er einen fitten Carson Wentz rausnimmt.

Carson Wentz ist nicht die langfristige Lösung

Aber die Realität der Situation ist doch, dass zwei Dinge zutreffen: Die Colts haben alles in allem eine positive erste Saison von Wentz bekommen und dürften kaum Zweifel daran haben, dass sie mit Wentz auch in die kommende Saison gehen wollen - und einen hohen Erstrunden-Pick aufzugeben, um die Stimmung und das eigene Gesicht zu wahren, wäre mindestens mal aus mittel- und langfristiger Perspektive ein desolater Move für die Colts.

Hier geht es ja nicht darum, eine Saison vorzeitig aufzugeben, oder darum, Wentz zu schonen oder dergleichen. Das wäre eine Entscheidung, die im besten Interesse der Organisation getroffen wird.

Und wir wissen auch einfach, was genau diese Offense in ihrer aktuellen Variante ist - in welcher Wentz einige sehr gute Spiele hatte, ehe er jetzt gegen die 49ers und die Titans doch wieder die kritischen Fehler machte, die er eigentlich deutlich besser abgestellt hatte.

Im Prinzip sind es vier Kernelemente: Pittman hat sich mit seiner Physis und Toughness am Catch Point zum Dreh- und Angelpunkt der Passing-Offense entwickelt, Jonathan Taylors exzellente Vision, Geduld und dann Beschleunigung gibt Indianapolis auch dann ein Run Game wenn die Line nicht dominiert, Frank Reichs Play-Designs sorgen für schnelle, offene Reads für Wentz und er gibt einer Offense, die stark von kurzen Pässen lebt, mit seiner Aggressivität bei Fourth Down die Möglichkeit Drives am Leben zu erhalten - und Wentz vertraut den Play Designs und setzt die gut um.

Die einst von Joe Flacco patentierten tiefen Pass-Interference-Strafen beim Underthrow kamen jüngst als neues Element mit dazu.

Damit ist Wentz zumindest ein Game Manager in einer funktionalen Offense - aber schon hier muss man die Frage in den Raum stellen, wie weit das die Colts bringt? Und dann ist auch klar, dass diese katastrophalen Fehler wie das Screen-Desaster, welches im Pick Six endet, oder die Interception in Overtime nicht passieren dürfen.

Ich bin nach wie vor skeptisch bei Wentz und sehe ihn nicht als langfristige Lösung für die Colts. Dafür ist er zu weit weg von der Quarterback-Spitzengruppe, und als reiner Game Manager kann ich nicht darauf vertrauen, dass er Woche für Woche ohne gravierende Fehler durchkommt.

Was Wentz' Perspektive in Indy angeht, kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein. Aber auf keinen Fall sollten die Colts die Mission, um Wentz einen Contender aufzubauen, dadurch torpedieren, dass man einen hohen Erstrunden-Pick abgibt.

5. Pittsburgh bleibt im Playoff-Rennen

Die Steelers können nach wie vor Spiele hässlich gewinnen, das hat diese Woche in jedem Fall unterstrichen. Der 15:10-Sieg in Cleveland war eine Defense-Schlacht vom Allerfeinsten mit insgesamt sechs Three-and-Outs, kaum einmal so etwas wie offensivem Rhythmus - und da reden wir noch nicht einmal von dem Field-Goal-Fake-Debakel, welches Pittsburgh den Kicker kostete und damit natürlich auch das weitere Spiel beeinflusste.

Es gab dabei auch einige gute Momente der Offense, mit Rollouts, mit Jet Sweeps, einzelne gute Plays von Big Ben. Aber dabei bleibt es eben auch. Es ist eine extrem inkonstante Offense mit einem sehr geringen Floor. Roethlisberger hatte zum Start der zweiten Hälfte riesiges Glück, dass aus seinem Pass keine Interception oder gar ein Pick Six wurde, und selbst der Touchdown zu Freiermuth war letztlich ein herausragendes Play des Rookie-Tight-Ends, welches Roethlisberger rettete.

Pittsburgh steht jetzt 4-3 und hat als nächstes die Bears und Lions vor der Brust, ein 6-3-Record Mitte November ist absolut vorstellbar und dementsprechend bleibt Pittsburgh mittendrin im Playoff-Rennen.

Zumindest rechnerisch, denn mit dieser Offense bleibe ich dabei, dass die Steelers oben nicht mitspielen können. Nach Detroit warten die Chargers, Bengals, Ravens, Vikings, Titans und Chiefs nacheinander auf Pittsburgh. Und meine Vermutung ist, dass dann deutlich wird, dass dieses Team eher unteres Mittelmaß als Playoff-Kandidat ist, auch wenn der Record in zwei Wochen vermutlich etwas anderes aussagt.

Die Browns und die Quarterback-Mittelklasse

Ich hatte bereits vor einigen Wochen darüber geschrieben, dass ich mir vorstellen könnte, dass Baker Mayfield eine Art Türöffner für eine neue Quarterback-Klasse sein könnte, aus vertraglicher Perspektive gesprochen. Eine Klasse, in welcher sich eben nicht automatisch der nächste Kandidat mit dem neuesten Vertrag nach ganz oben auf die Liste setzt, sondern unterhalb der vier, fünf, sechs Top-Kandidaten bleibt - in puncto durchschnittlichem Jahresgehalt, aber auch in puncto Garantien.

Die Browns sind eine sehr intelligent geführte Franchise, und ich denke sie wissen sehr genau, was sie in Mayfield haben - und was sie in ihm nicht haben. Mayfield ist kein Elite-Quarterback der ein Team trägt, aber er ist mehr als ein reiner Game Manager und man kann mit ihm Spiele gewinnen.

Die große Frage ist eben: Wie viel und wie nachhaltig kann man mit ihm gewinnen, wenn Mayfield plötzlich 35 Millionen Dollar im Jahr verdient und man ihm vielleicht nicht mehr die beste Offensive Line der Liga, ein Elite-Backfield, mehrere gute Receiving-Waffen und eine schlagkräftige Defense zur Seite stellen kann?

Niemand würde denke ich bestreiten, dass man mit den Baker Mayfields, Jimmy Garoppolos und Jared Goffs dieser Welt in den richtigen Umständen einen Titel gewinnen kann - Garoppolo und Goff scheiterten ja bereits denkbar knapp.

Schwierig wird es vor allem dann, wenn die Cap Hits dieser Quarterbacks in die höchsten Quarterback-Höhen klettern und die sportlichen Limitierungen des Quarterbacks unweigerlich stärker in den Fokus rücken, weil sie in schlechter werdenden Umständen schlicht und ergreifend regelmäßiger auffallen.

Wieviel Risiko geht man auf der wichtigsten Position ein?

Aber natürlich ist das auch eine zweigleisige Debatte: Die Browns müssen gewillt sein, eine harte Linie am Verhandlungstisch zu fahren - was ultimativ auch die Bereitschaft beinhalten muss, an irgendeinem Punkt zu sagen: "Bis hierher und nicht weiter." Das wiederum erfordert auch Mut, und das nicht nur von einer Organisation, von der es ein Trikot als Meme gibt, welches das Quarterback-Karussell und die konstante Suche nach einer vernünftigen Lösung in Perfektion darstellt.

"Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach" würde der Sprichworte-Fan hier vielleicht einwerfen, etwas mehr auf NFL-Verhältnisse umgemünzt: Einen Quarterback aufzugeben, der im Scheme funktioniert und der Offense eine Baseline gibt ist sehr schwer, auch wenn dieser Quarterback vermutlich niemals ein Elite-Quarterback werden wird.

Das andere Gleis betrifft den Quarterback: Wie viel ist ein Spieler wie Baker Mayfield bereit, im ersten Moment zu "opfern" - sind wir ehrlich, würde er auf den Markt kommen würde das Wettbieten den Preis mit Sicherheit erst einmal hochtreiben - um in einem vertrauten Umfeld zu bleiben, mit einem Coach, bei dem er weiß, dass er funktioniert?

Ich habe hier keine Antwort darauf, eher einen übergreifenden Take: Es ist an der Zeit, dass die Liga die Quarterback-Mittelklasse auch wie die Mittelklasse in ihrem Salary Cap einstuft. Das würde der Liga auf lange Sicht nicht nur mehr effiziente Offenses geben, und damit mehr potenziell gute Teams, sondern es würde auch den entsprechenden Quarterbacks eine bessere Chance auf einen zweiten und vielleicht einen dritten Vertrag geben.