Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 10 in der NFL

Von Adrian Franke
15. November 202110:00
SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 10 in der NFL.getty
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Woche 10, und die Unberechenbarkeit der NFL geht weiter: Die Backups der Cardinals gehen gegen Carolina baden, die Buccaneers patzen frisch aus der Bye-Week gegen Washington und statt Shootout zwischen Wilson und Rodgers gibt es eine Defense-Schlacht. SPOX-Redakteur Adrian Franke fasst den NFL-Sonntag zusammen.

Nicht jeder Spieltag kann spektakulär sein, auch in der NFL nicht; diese Woche 10 aber war der erste Spieltag in dieser Saison, an dem ich relativ durchweg den Eindruck hatte, dass kein guter Football gespielt wurde. Oder zumindest sehr wenig guter Football.

Die Patriots waren eine der wenigen Ausnahmen, dazu gleich mehr. Dallas überzeugte nach dem Tiefschlag in der Vorwoche. Aber vielerorts enttäuschten die vermeintlichen Schwergewichte - Green Bays Offense, Tampa Bay, die Chargers, die Ravens bereits am Donnerstag - nicht nur, es waren über weite Strecken schlicht keine guten Spiele.

Nirgends war es so grotesk wie in der Overtime zwischen Pittsburgh und Detroit, das ist klar. Aber auch jeder, der sich auf ein packendes Duell zwischen Aaron Rodgers und Russell Wilson gefreut hatte, musste mit Jordyn Brooks und De'Vondre Campbell Vorlieb nehmen.

Eine andere positive Ausnahme waren die Kansas City Chiefs, die sich mit einem Sieg nach einer eindrucksvollen zweiten Hälfte nach allem, was dieses Jahr hier bereits los war, nicht nur an die Spitze der Division setzen - sondern natürlich springt einen im Umkehrschluss die Frage förmlich an: Sind die Chiefs jetzt zurück? Auch dazu später mehr.

Los geht's nämlich mit jenen New England Patriots, die nach einem wackligen Start - genau wie ihr Rookie-Quarterback - immer besser in dieser Saison ankommen. Und in einer breiten AFC mehr als nur Playoff-Hoffnungen haben dürfen.

1. Die Patriots spielen wie ein Playoff-Team

Wer weiß, wie die Karriere von Mac Jones weiterläuft, wie er sich entwickelt - und wo letztlich sein Ceiling in der NFL liegt. Ich für meinen Teil kann jetzt schon sagen, dass ich mit meiner Pre-Draft-Einschätzung bei ihm daneben lag.

Nicht in allen Punkten; ich bleibe skeptisch, was seine Playmaker-Fähigkeiten angeht und damit letztlich auch dahingehend, ob er das Zeug zum Elite-Quarterback hat. Das war bei ihm immer ein relativ offensichtlicher Kritikpunkt, schlicht angesichts seiner physischen Limitierungen.

Aber was ich nicht erwartet hatte, ist, dass er schon so weit in seiner Paradedisziplin, dem Spiel aus der Pocket, ist. Dass er so ruhig auch unter Druck spielt, dass er seine Matchups so gut identifiziert, dass er Coverages lesen kann - und wie gut er den Ball auch in enge Fenster platziert. Mit seinem Release, mit der Antizipation, mit dem Ball-Placement macht er seine Defizite zumindest für den Moment mehr als wieder wett.

Und nicht nur das, wir haben schon im Laufe dieser ersten Saisonhälfte gesehen, wie er sich weiterentwickelt, wie das Spiel für ihn besser greifbar wird, und wie er aggressiver attackiert. Der Touchdown-Pass auf Kendrick Bourne gegen die Browns war vielleicht der beste Wurf in Jones' bisheriger Rookie-Saison. Das Ball-Placement ist teilweise herausragend, er hatte in der zweiten Hälfte einen Pass auf Hunter Henry, den so längst nicht alle Quarterbacks in der NFL treffen.

Patriots: Jones' Entwicklung beeindruckt

Wie Jones wächst, so wächst auch das Potenzial dieses Patriots-Teams; und dabei hilft es natürlich, dass sich die Offensive Line auch mehr und mehr findet - und gesünder wurde - und auch die Defense sich vor allem gegen den Pass stabilisiert hat.

Ich denke, hier war auch einige der Kritik an Josh McDaniels in den ersten Wochen der Saison nur bedingt berechtigt. Für den Moment muss man festhalten, dass die Pats Mac Jones mit einem Tempo an die NFL herangeführt haben, welches ihm immer noch eindrucksvoll schnelles Wachstum ermöglicht hat. Und als man sehen konnte, dass Jones sich mehr traute - denn es waren nicht nur McDaniels' Play-Calls, sondern auch Jones' konservative Umsetzung der Plays -, wurde auch das Playbook weiter geöffnet.

Nach Joe Burrow letztes Jahr ist Jones jetzt der nächste Quarterback, der Draft-Prospects, die klare Pocket-Passer sind, Hoffnung gibt. Dass man in der NFL eben auch auf diese Art als junger Quarterback ankommen und Fuß fassen kann; wenngleich hier der Zusatz immer erwähnt werden muss, dass Jones in ein sehr gutes Ökosystem reingerutscht ist, ein Luxus, den Burrow letztes Jahr - wie so viele andere hoch gepickte Quarterbacks - nicht hatte.

Der übergreifende Punkt mit den Patriots aber ist: Die Pats spielen aktuell wie ein Playoff-Team, und während wir Woche für Woche in der AFC für Fixpunkte - mit Tennessee als derzeitiger Ausnahme - suchen, ist der Trend in der AFC bei vielleicht keinem Team so überdeutlich sichtbar wie bei Mac Jones und den Patriots. Die Defense spielt besser, die Offensive Line spielt besser und der Quarterback steigert sich kontinuierlich.

New England ist mindestens ein sehr konkreter Playoff-Anwärter, und falls die Bills nochmals schwächeln, sehe ich auch eine absolut realistische Chance auf den Division-Titel. Mit beiden direkten Duellen noch vor der Brust haben die Pats hier ihr Schicksal ohnehin selbst in der Hand.

Was machen wir jetzt mit den Browns?

Und die Browns? Cleveland konnte letzte Woche seine dringend benötigte Antwort geben, mit einem deutlichen Sieg gegen Cincinnati, ein ganz wichtiges Lebenszeichen nicht nur in der eigenen Division. Gegen die Patriots sah man über weite Strecken wie das deutlich schwächere Team aus - und auch dieses direkte Duell könnte noch zusätzliches Gewicht mit sich bringen, wenn es etwa an Wildcard-Tie-Breaker geht.

Man könnte es hier ganz kurz halten: Cleveland hat keinen Quarterback, der dieses Team aktuell tragen kann, wenn es darauf angewiesen wäre. Und das ist ein Problem, wenn wir von Playoff-Football - und dem Weg dahin in einer komplett offenen Conference - sprechen.

Cleveland hatte einen sehr guten ersten Drive, D'Ernest Johnson steuerte 55 der 84 Yards auf dem Weg zum Opening-Drive-Touchdown bei - und dann folgten drei schlechte Drives, während die eigene Defense zu viel zuließ, und plötzlich lag man mit 7:21 hinten. 7:24 stand es Mitte des dritten Viertels, und dann wird es eben auch zunehmend schwer, innerhalb der Wunsch-Parameter für die eigene Offense zu spielen.

Wenn dann mehr von Mayfield kommen muss, ist Cleveland derzeit massiv limitiert. Gegen die Pats brachte er keinen seiner sieben Passversuche über mindestens acht Yards Tiefe an und warf dabei einen Pick.

Browns: Die Defense ist gut - aber wie gut?

Ich mag generell einige der Entwicklungen in Cleveland. Die Defense spielt bereits seit Wochen besser als es die Zahlen vielleicht vermuten lassen würden: Nach Early Down Success Rate - also nur First und Second Down - standen sie auf Platz 2 über die ersten neun Wochen, Cleveland hatte einige Spiele dieses Jahr, in denen die Defense bei Third Down, und dabei bei einigen durchaus langen Third Downs, kritische Big Plays zuließ, was diese Spiele maßgeblich prägte.

So auch das gegen die Patriots, ganz klar. New England war in der ersten Hälfte absolut eiskalt bei Third Down, egal, wie lange die Distanz zum First Down auch war. Big Plays durch die Luft, Screens, es klappte alles und das trug maßgeblich dazu bei, dass Cleveland eben in dieses Loch überhaupt fiel.

Diese Downs zählen natürlich auch, das merkte Cleveland am Sonntag einmal mehr deutlich. Aber Late-Down-Patzer sind im Vergleich zu Early-Down-Konstanz eher instabiler, und zumindest teilweise kann man diese Fehler auch auf Abstimmungsprobleme und Coverage-Busts in der jungen Secondary zurückführen, die sich zweifellos noch finden musste, und muss.

Aber mir gefällt, was hier entsteht. Mit einem dominanten Pass-Rush-Duo, einer guten Rotation in der Defensive Line, einem echten Nummer-1-Corner mit Tiefe dahinter, guten Safeties, und Jeremiah Owusu-Koramoah war bis zu seiner Verletzung auf bestem Wege, in die Favoritenrolle für den Defensive Rookie des Jahres zu klettern.

Die Browns könnten in der zweiten Saisonhälfte den Sprung hin zu einer Top-5-Defense schaffen, wenn sie ihre Interior Defensive Line noch besser in den Griff bekommen. Und die Offense hat ohne Frage einen soliden Floor. Aber um in einer sehr breiten AFC, in der jede Woche ein anderes Team überzeugen kann, wird Cleveland mehr von Baker Mayfield brauchen.

2. Altbekannte Seahawks-Probleme gnadenlos aufgedeckt

Natürlich liegt eine Schlussfolgerung scheinbar auf der Hand: Russell Wilson war für mehrere Wochen mit einer Fingerverletzung raus, Aaron Rodgers verbrachte zehn Tage in Isolation infolge eines positiven Corona-Tests.

Aber die "beide Quarterbacks waren eingerostet"-Theorie hält in meinen Augen nur bedingt stand; denn das hätte sich im Laufe des Spiels eher bessern müssen. Gefühlt wurde es aber eher schlimmer.

Wilsons Interception in offensichtliche Coverage Richtung Endzone nach Seattles bis dato bestem Drive wurde von Rodgers direkt im Gegenzug zum Abschluss des bis dahin zweitlängsten Packers-Drives mit einem Verzweiflungswurf im Zurückfallen Richtung Endzone gekontert. Jamal Adams sagte Danke. Rodgers hätte zudem gleich beim ersten Drive einen Pick Six haben können.

Auffällig war, dass Seattle nichts von seinen Standard-Plays umsetzen konnte. Das Zone Run Game klappte nicht, es fehlten die Ideen im Kurzpassspiel, Wilson verfehlte einige Würfe und Seattle fand - einmal mehr - keinen Rhythmus.

Die Seahawks-Offense ohne Rhythmus

Das war bereits ein Thema vor Wilsons Verletzung, dass Seattles Offense zu sehr Boom-or-Bust war. Dieses Spiel bestätigte den fehlenden strukturellen Floor, und wenn dann die Big Plays im Passspiel nicht kommen, hat die Offense kaum etwas, woran sie sich hochziehen kann.

Wilson warf den Ball im Schnitt 11,0 Yards tief - bei seinen Completions betrug die durchschnittliche Target-Tiefe gerade einmal 2,2 Yards. Die Packers spielten mit einer leichten Box und zogen ihre Coverage nach hinten, sie blitzten wenig.

Aber weil Wilson seine Pass-Optionen gegen die dichte Coverage nicht fand und weil die Line nicht gut spielte, hatte Green Bay mit vier oder weniger Pass-Rushern eine Pressure-Quote von über 37 Prozent, eine enorme Zahl. Wilson warf sieben tiefe Pässe (mindestens 20 Yards), kein einziger davon kam an. Wilson hatte noch nie sieben tiefe Pässe ohne eine Completion dabei, seitdem Next Gen Stats diese Daten sammelt.

Teilweise wirkte es schon so, als käme der Ball noch nicht mit dem gleichen Zip wie sonst raus, zumindest nicht konstant. Man konnte einige Male sehen, wie der Ball wackelte und das wiederum kann natürlich damit zusammenhängen, dass der lädierte Mittelfinger seiner Wurfhand ihm nicht die gewohnte Kontrolle über den Ball gibt. Aber es waren nur einzelne Würfe, und es war hier nicht der zentrale Takeaway.

Klar ist: Ohne die Big Plays hat diese Seahawks-Offense keine Identität, das wurde gegen die Packers überdeutlich; und dass Defenses dahin trenden, Offenses die Shot Plays bevorzugt wegzunehmen, ist keine neue Erkenntnis dieser Saison.

Seattles Probleme bleiben - was ist mit den Packers?

Dass Wilson dann bei seiner zweiten Interception einen Shot in Double Coverage erzwingen wollte, war vielleicht mehr Resultat des Spielverlaufs und der angesammelten Frustration als irgendetwas sonst. Stattdessen stand am Ende der erste Shutout der Russell-Wilson-Ära.

Vielleicht hätte Wilson noch ein, zwei Wochen länger warten sollen, vielleicht sieht das nächste Woche schon deutlich besser aus; Arizonas aggressive Defense sollte Seattle mehr Gelegenheiten auf Shot Plays geben. Die Offensive Line war auch keine sonderlich große Hilfe am Sonntag.

Die strukturellen Probleme dieser Offense aber sind und bleiben ein Problem, und selbst mit Wilson in Topform ist Seattle damit ein massiv inkonstantes Team. Green Bay konnte in seinen 2-High-Strukturen bleiben, Seattle die Shot-Plays wegnehmen und wenn Wilson dann nichts kreieren kann, hat Seattle ernsthafte Probleme.

Aufseiten der Packers bleibt für mich - neben einem guten Auftritt der Defense - einmal mehr die Erkenntnis, dass Matt LaFleur ein unheimlich guter Play-Caller ist. Es war fraglos lange zäh, und wer weiß, wie das heute im Rückblick aussehen würde, wenn die Packers-Defense irgendwann eingebrochen wäre und ein, zwei schnelle Touchdowns zugelassen hätte.

Aber LaFleur gibt der Packers-Offense genau das, was Seattle fehlt und in diesem Spiel war das deutlich: einen schematischen Floor. RPOs, Rollouts, Screens, Runs, Play Action, Play Action Screens - bei den Packers ist all das miteinander verknüpft und das ermöglicht es - zum wiederholten Male dieses Jahr - offensiv den Ball zu bewegen, selbst wenn Rodgers nur die Rolle eines Game Managers übernimmt.

3. Quick Hits: Eagles, Lions - sind die Chiefs zurück?

Kansas City dominiert Sunday Night: Sind die Chiefs zurück?

41 Punkte, eine dominante zweite Hälfte, zurück an der Spitze der AFC West: Sind die Kansas City Chiefs jetzt zurück?

Wenn uns diese Saison eine Sache gelehrt hat, dann dass man sehr damit aufpassen muss, aus einzelnen Spielen übergreifende Schlussfolgerungen zu ziehen. Gerade die Frage danach, welche Teams insbesondere in der AFC eigentlich wirklich gut sind und wo hier die Titelkandidaten sind, hat in ihrer wöchentlichen Beantwortung diese Realität gnadenlos aufgedeckt.

Ein übergreifendes Statement wird es hier also nicht geben, aber was ich aus Chiefs-Sicht sehr ermutigend fand, war, wie die Offense schematisch auftrat - und wie Mahomes darin spielte. Mahomes agierte deutlich mehr Under Center als sonst, die Chiefs hatten gute Designs via Play Action und waren kreativer mit ihren Formationen, und das designte Kurzpass-Spiel inklusive Play Action, inklusive Jet Sweeps, inklusive RPOs funktionierte endlich wieder.

Das war kein Zufall. Während Kansas City - personifiziert durch Mahomes - in vergangenen Wochen an mehreren Punkten dieses Spiels dazu übergegangen wäre, Big Plays erzwingen zu wollen, passierte das gegen die Raiders nicht. Und das lag für mich weniger am Gegner, sondern in erster Linie daran, dass Kansas City ein sehr gut designtes und in sich schlüssigeres Kurzpassspiel an den Tag legte, und Mahomes darauf vertraute.

Und dann klappen eben manchmal auch diese Dinge, die seit Wochen gegen einen laufen. Bei dem kritischen Drive im dritten Viertel, nachdem die Raiders gerade ihrerseits mit einem eindrucksvollen Touchdown-Drive geantwortet hatten, hatte KC gleich zwei Mal Turnover-Glück.

Mahomes hätte einen Pick haben müssen, als er einen hässlichen Ball kurz über die Mitte in Coverage warf, und auch der Fumble von Tyreek Hill blieb ohne Konsequenzen. Nach dem Chiefs-Touchdown war Vegas auf bestem Wege, direkt zu antworten - ehe DeSean Jackson nach einem Shot Play den Ball via Fumble verlor.

In den vergangenen Wochen haben wir so häufig erlebt, dass diese Plays dann gegen Kansas City laufen, mal selbstverschuldet, mal mit Pech. Mahomes generell hatte noch einige Würfe, wo er Receiver verfehlte und manchmal war er doch da, dieser Drang, den Shot zu erzwingen. Direkt vor dem langen Touchdown zu Beginn des Schlussviertels hätte er an gleicher Stelle einen Pick haben müssen.

"Die Chiefs sind zurück" wäre noch nicht mein Statement, nicht nach jetzt einem guten Auftritt, nachdem die Offense über Wochen derart wacklig unterwegs war. Mein Statement wäre eher: Kansas City findet strukturelle Antworten und Mahomes vertraut auf diese Strukturen. Und diese Kombination, wie auch immer KC dahin kommen würde, war letztlich immer der Weg hinaus aus diesem Tief.

Die Lions streichen den Quarterback aus ihrer Offense

Es ist so lächerlich offensichtlich, dass die Lions absolut keinerlei Vertrauen in Jared Goff haben - und wirklich kritisieren kann man sie dafür nicht. Gegen Pittsburgh war es dennoch selbst dafür sehr extrem, Goff warf auch wenn wir seine Parameter anwenden, quasi nichts tief, und als er mal Raymond tief hatte, unterwarf er den Speedster deutlich. Goff hatte eine durchschnittliche Target-Tiefe von 4,7 Yards und brachte 56,5 Prozent seiner Pässe an - 16,1 Prozent weniger als via Expected Completion Percentage zu erwarten gewesen wäre.

Berichten zufolge hat Dan Campbell nach der Bye Week jetzt das Play-Calling übernommen, und das sah mehr nach Big-10- als nach NFL-Football aus. Ein komplett aufs Run Game ausgelegter Game Plan, welcher mit 39 Runs für 229 Yards offensiv gegen diese Steelers-Front sogar überraschend gut funktionierte - das Spiel aber blieb nur deshalb offen, weil Pittsburgh mit Mason Rudolph gegen die schwächste Defense der Liga eben nie irgendwie davonziehen konnte.

Mit einer Overtime, die zwischen Wahnsinn und komplettem Wahnsinn hin und herschwankte, stand am Ende ein Unentschieden, das dieses Spiel verdient hatte. Oder anders gesagt: Kein Team hatte einen Sieg verdient. Aber darum soll es hier gar nicht primär gehen. Ich habe selten einen Veteran-Starting-Quarterback so hilflos und so komplett vom eigenen Team aus dem Spiel genommen gesehen wie Goff hier. Und so gut wie jedes Mal, wenn die Lions irgendetwas von ihm brauchten, kam nichts.

An welchem Punkt, auch wenn Goff eine Verletzung im Laufe des Spiels zu schaffen machte, komplett klar sein sollte, dass die Lions intern bereits wissen, dass Goff für 2022 nicht der Starter sein kann.

Eagles: Jalen Hurts verdient sich weitere Chancen

Zu keinem Punkt dieser Saison hatten wir genügend Datenpunkte, um eine finale Evaluierung von Jalen Hurts abzugeben; bestenfalls hangelten wir uns von Zwischenfazit zu Zwischenfazit. Und an diesem Punkt sind wir immer noch, auch wenn ein eindrucksvoller Auftritt gegen die Broncos das Pendel weiter in die positive Richtung schiebt.

Also versteht es auch als Zwischenfazit, wenn ich sage: Jalen Hurts zeigt bisher genug, um sich eine weitere Chance in der kommenden Saison zu verdienen. Und selbstverständlich gibt es Szenarien, in denen sich die Parameter so gravierend ändern, dass man die Situation anders bewerten muss. Sollte Philly etwa ernsthaft in das Rennen um Deshaun Watson einsteigen.

Aber Hurts zeigt bisher genug, dass er sich den Tie-Breaker verdienen könnte, wenn die Eagles eine vermutlich eher schwache Quarterback-Draft-Klasse evaluieren. Dass Hurts als Runner der Offense eine Dimension gibt, die so nur wenige Quarterbacks mitbringen, ist kein Geheimnis; mehr und mehr sehen wir aber, wie er auch im Passspiel schwierige Würfe anbringen kann und zu Highlights in der Lage ist, ergänzt durch den Floor, den er als Runner mitbringt.

Hurts hätte gegen die Broncos einen spektakulären Touchdown zu Quez Watkins haben müssen, Watkins ließ den Ball durch die Hände rutschen. Umgekehrt hatte er eine hässliche Interception zu Simmons. Mir fehlt nach wie vor der Floor was das Passspiel angeht, wobei ich hier die Schuld zumindest zu einem gehörigen Anteil auch im offensiven Scheme unter Nick Sirianni sehe. Aber wie gesagt, Datenpunkte und Zwischenfazits.

Hurts ist noch sehr günstig für die nächsten beiden Jahre, und das ist absolut Teil der Gleichung hier. Denn Hurts deutet dieses Jahr an, dass er gut genug ist, dass es sich lohnen könnte, um seinen Rookie-Vertrag herum weiter etwas aufzubauen. Ist Hurts irgendwann ein Kandidat für einen zweiten Vertrag? Für die Beantwortung dieser Frage müssen wir noch viel mehr von ihm sehen.

Aber dieses Eagles-Team hat immer noch einen sehr soliden Kern, mit den Lines auf beiden Seiten des Balls, mit einigen guten Spielern in der Secondary, und mit viel Upside in der Receiver-Gruppe. Es könnte sich lohnen, in dieses Fenster mit Hurts zu investieren. Er hat es sich auf jeden Fall verdient, weitere Datenpunkte zu liefern.

4. Cam Newton zurück in Carolina: Das Streben nach Mittelmaß

Ich hatte im Video-Mailbag letzte Woche über diese Idee gesprochen, dass Carolina jetzt Cam Newton zurückholen könnte.

Die Kurzzusammenfassung: Die Panthers haben sich mit Darnold ein so großes Ei gelegt, dass sie jetzt nicht nur überlegen müssen, wie sie die zweite Saisonhälfte managen - Darnold fällt jetzt erst einmal für einige Spiele aus, aber selbst mit dieser Ausgangslage fällt es mir angesichts seiner Auftritte schwer, ein Argument zu entwerfen, warum Darnold die Saison zu Ende spielen sollte -, sondern die Panthers werden sich auch einen Plan für 2022 zurechtlegen müssen.

Und sicher, die Antwort hier könnte Deshaun Watson oder Aaron Rodgers sein. Aber Carolina wird dann einen sehr teuren Cap-Hit aufnehmen, während Darnold gleichzeitig gut 18 Millionen Dollar garantiert kassiert.

Newton könnte, wenn er in der Offense funktioniert, auch für 2022 eine vergleichsweise günstige Übergangslösung sein, während man Darnold "abbezahlt" und gleichzeitig eine langfristige Lösung sucht. Was für eine Zeit für Panthers-Fans.

Mit der Brechstange auf die QB-Position

Doch dass Carolina auf der Quarterback-Position nicht gerade die ruhigste Hand oder die vernünftigste Herangehensweise hat, wird selbst mit dem Newton-Deal klar: 4,5 Millionen Dollar garantiert, plus 1,5 Millionen Dollar Kader-Bonus, Gesamtvolumen bis zu zehn Millionen Dollar. Cam Newton hat für weniger Geld in New England gespielt.

Die Panthers haben jetzt Bridgewater, nachdem sie ihm einen teuren Vertrag gegeben hatten, günstig verscherbelt, haben dann einen Zweit-, Viert- und Sechstrunden-Pick in Darnold investiert, der nach einer halben Saison gescheitert zu sein scheint

Außerdem haben sie wegen des Darnold-Plans im Draft auf Justin Fields und Mac Jones verzichtet und haben jetzt unerwartet viel Geld ausgegeben, um Cam Newton an Bord zu holen.

Was für eine Zeit für Panthers-Fans.

Die Panthers und das Streben nach Mittelmaß

Die erste gute Nachricht ist, dass Newton - auch mit nur einer Handvoll Snaps - ein Bilderbuch-Debüt hatte. Er fand gleich zwei Mal früh aus Short-Yardage-Situationen die Endzone, er war an der Seitenlinie aktiv, es war überdeutlich sichtbar, dass Newton schnell wieder ein Leader dieses Teams werden kann. Das wird Carolina helfen.

Die weitere gute Nachricht ist, dass Newton auch als perspektivischer Starter schematisch ein interessanter Fit sein könnte. Wir haben im Laufe der Saison bereits gesehen, dass Darnold, während er als Passer immer stärker nachließ, sein Value als Runner innerhalb der Offense von Joe Brady hochging. Es gibt also bereits konkrete Hinweise darauf, dass Brady es verstehen wird, Newton als Runner in der Offense einzusetzen.

Und auch für Newton ist das ein gewichtiger Faktor innerhalb der Offense. Im Unterschied zu Darnold kann man bei ihm zumindest die Hoffnung haben, dass er in Kombination mit diesem Run Game auch ein vertikales Passspiel öffnet; ich würde als Fantasy-Manager jetzt Aktien von Robby Anderson kaufen. Und wir wissen, dass Newton eine Chemie mit Christian McCaffrey hat.

Was wir auch wissen, ist, dass die Offensive Line ziemlich schwach ist, und dass diese ohnehin wacklige Line in der Vorwoche Center Matt Paradis verloren hat, hilft wenig. Dass Newton hinter einer schwachen Line auch böse baden gehen kann, ist ebenfalls keine neue Erkenntnis.

Newton ergibt kurzfristig, und vielleicht auch für 2022 dahingehend Sinn für die Panthers, dass sie aktuell keinen Quarterback mit Starting-Kaliber im Kader haben und dass sie auch für 2022 eine Lösung brauchen werden, sollte man keinen der dicken Fische an Land ziehen können. Bereits kurz nachdem seine Rückkehr nach Carolina offiziell war, kursierten Berichte, wonach Newton eine Option für 2022 sein könnte. Er wird sich jetzt auf jeden Fall zeigen können.

Und doch ist es auch ein Move, der den Panthers selbst im besten Falle - neben der offensichtlichen emotionalen Connection dieser Fan-Base zu Newton - vor allem eines bietet: Die Aussicht, mit aller Macht eine Chance zu haben, ein durchschnittliches Team zu sein.

Das Streben nach Glück ist in Carolina dieser Tage in erster Linie das Streben nach Mittelmaß.

5. Die NFL ist wirklich eine "Week-to-Week"-Liga

Die vergangenen zehn Tage in der NFL waren ein perfektes Beispiel dafür, dass die berüchtigte "Week-to-Week-League"-Floskel eben doch mehr ist als eine Floskel; und ich denke, die Gründe dafür sind eben tatsächlich auch mentaler Natur.

Es gibt keine sinnvolle Erklärung dafür, warum die Bills letzte Woche gegen Jacksonville mit 6:9 verlieren, um dann eine Woche später die Jets komplett zu zerstören. Sicher, Jacksonville hat es mit seinen Coverages gut gemacht, Josh Allen hat den Ball in der Folge zu lange gehalten, und die Jags-Defense ist über sich hinausgewachsen. Und Buffalo hat immer noch die Tendenz, etwas behäbig in Spiele reinzukommen oder Tiefs zu durchlaufen.

Aber selbst an einem solchen Tag hat Buffalo natürlich das Talent, um gegen dieses Jaguars-Team wenigstens zweistellig zu punkten. Genau wie die Cowboys natürlich in neun von zehn Fällen gegen Denver über drei Viertel nicht so baden gehen wie letzte Woche - nur um dann eine Woche später die Falcons komplett in ihre Einzelteile zu zerlegen.

Selbst die Colts, deren Spiel gegen Jacksonville früh in erwartet klare Bahnen zu laufen schien, lieferten anschließend ein unheimlich schwaches offensives Spiel ab und hatten Glück, dass einige wilde Würfe und Entscheidungen von Carson Wentz nicht bestraft wurden.

Einzelne Plays, einzelne Entscheidungen: Was prägt ein Spiel?

Manchmal sind es in der NFL aber wirklich einzelne Plays, die Spiele in eine Richtung lenken - und selbst gute Teams kommen dann manchmal aus dieser Lawine nicht mehr raus. Diese Saison, in der es eben kein wirklich dominantes Team und viele Kandidaten für das "obere Mittelfeld" gibt, untermauert das ganz besonders stark.

So ging es Dallas letzte Woche gegen Denver, als die Cowboys früh einige Plays liegenließen, zwei Drops bei Third Down, ein an der Line abgefälschter Pass bei Fourth Down, Prescott verfehlte Lamb zwei Mal tief, dann noch ein Mal richtiges Pech beim geblockten Punt und plötzlich lag man weit zurück und muss aus einem riesigen Loch herauskommen.

Ganz so extrem war es bei den Buccaneers gegen Washington diese Woche nicht; dieses Spiel unterstrich aber, wie eng es zugehen kann, aufbauend auf einzelnen Plays.

Brady hatte eine Freak-Interception, als Darden den Ball unter Druck wegfliegen ließ, sowie einen Pick bei einem Wurf in den Rücken seines Verteidigers, während Washington gerade früh im Spiel bei Third Down mehrere kritische Plays machte - und Tampa sich kritische Strafen erlaubte.

Tampa Bay als warnendes Beispiel

Tampa half seinem Glück eben auch nicht wirklich auf die Sprünge; nicht mit einem Punt bei Vierter-und-Zwei von der eigenen 46-Yard-Line, nicht mit der Play-Sequenz nach First Down von Washingtons 8-Yard-Line. Nicht mit den kritischen Strafen. Und dann eben auch nicht mit dieser defensiven Vorstellung gegen Taylor Heinickes Offense, welche Touchdown-Drives über 80 und 71 Yards hinlegte, als das Spiel auf der Kippe stand.

Man könnte mit den Takeaways hier in mehrere Richtungen gehen. Dahin, dass auch Top-Teams sich selbst Spiele kosten können, wenn sie damit anfangen, darauf zu vertrauen, dass sie später noch ihre Plays machen werden. Dahin, dass Defenses so extrem unterschiedlich Woche für Woche sein können; in diesem Spiel konnte man diesen Punkt auf beide Teams anwenden, Washingtons Defense hatte nach einer weitestgehend maßlos enttäuschenden Saison seinen besten Auftritt.

Die Teams in der NFL sind vergleichsweise so nah beieinander, dass ein Team aus dem breiten Mittelmaß mit einem guten Tag ein gutes Team mit einem schlechten Tag immer vor Probleme stellen kann. Umso wichtiger ist es dann, dass der Coaching Staff auch dem Favoriten die bestmögliche Chance gibt.

Hier spezifisch setzt sich beispielsweise Packers-Coach Matt LaFleur von Bruce Arians oder auch Pete Carroll ab, und natürlich wird noch viel passieren bis zum Start der Playoffs - aber so eng wie das Feld bisher dieses Jahr zusammenliegt, könnte das dann auch in der Postseason einen kritischen Unterschied ausmachen.