Die Regular Season geht dem Ende entgegen, für viele Teams rückt der Fokus zunehmend Richtung Offseason - auch wir wagen einen Ausblick: Welches sind die Top-Free-Agents im kommenden Frühjahr? Könnte Tyler Huntley für ein Team starten? Und wer pickt eigentlich an Eins im Draft?
Außerdem: Was macht einen Franchise-Quarterback aus, und welche Teams haben überhaupt einen?
SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet eure Fragen nach Woche 15, wie gewohnt auch mit einigen zusätzlichen Fragen im Video-Mailbag.
Mailbag: Das sind die besten Free Agents 2022
Geeeveeste: Kannst du schon mal einen Ausblick auf die kommenden Free Agents geben. Welche Spieler kommen potentiell auf den Markt. Was erwartest du grundsätzlich von der Free Agency dieses Jahr mit dem höheren Cap nächstes Jahr.
Hier steckt natürlich einiges an Prognose dahingehend mit drin, dass Spieler bis zum Start der Free Agency neue Verträge und Franchise Tags erhalten können. Und ein bisschen habe ich es auch einfließen lassen, Davante Adams etwa wird für mich auf keiner dieser Listen auftauchen, weil ich kein Szenario sehe, in dem Green Bay den besten Wide Receiver in der NFL gehen lässt.
Auch Chiefs-Tackle Orlando Brown dürfte nach dem Monster-Trade der vergangenen Offseason mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit jetzt dann auch einen neuen Vertrag in Kansas City erhalten, und generell kann man hier auf den zweiten Teil der Frage direkt eingehen: Nicht nur Teams auf Spielersuche, sondern auch Teams, bei denen dicke Fische Free Agents werden, haben mehr Kapital, um diese Spieler zu halten. Auch das wird den Markt mit prägen.
Free Agents 2022 Offense: O-Liner und Receiver-Power
Auch ohne Brown könnte es sehr gute Optionen für Teams auf der Suche nach schnellen O-Line-Reparaturen geben. Terron Armstead wird Free Agent, und die Saints haben Ryan Ramczyk bereits zum teuersten Right Tackle der Liga gemacht - fast überflüssig zu erwähnen, dass die Saints auch 2022 einmal mehr Cap-technisch vor einer schwierigen Offseason stehen.
In Washington wird Guard Brandon Scherff nach seinem zweiten (!) Franchise Tag Free Agent und könnte dementsprechend einen Monster-Vertrag von Washington fordern - oder den Markt testen. Buccaneers-Center Ryan Jensen könnte für Tampa Bay zu teuer werden, hier ist natürlich auch die Frage, in welchem Status die Bucs generell nach dieser Saison sind. Duane Brown hat zwar zuletzt abgebaut, aber vielleicht könnte der Left Tackle der Seahawks mit einem Tapetenwechsel noch einen goldenen Karriere-Herbst finden.
Neben den Linemen stehen einmal mehr die Receiver auf dieser Seite des Balls im Fokus, selbst ohne Adams. Sagen wir, die Bucs halten Jensen - können sie auch mit Chris Godwin verlängern? Godwin spielt bereits unter dem Franchise Tag, hier wäre dementsprechend ein langfristiger Vertrag fällig. Er wäre ein heißer Kandidat dafür, am Ende der Nummer-1-Free-Agent auf dem Markt zu sein; doch der jetzt erlittene Kreuzbandriss wirft die Offseason-Aussichten für Godwin auch aus vertraglicher Sicht durcheinander.
Bei Allen Robinson bin ich optimistisch, dass er tatsächlich auf den Markt kommt. Robinson spielt eine Saison zum Vergessen, aber er ist erst 28 Jahre alt und ich würde ihn sehr gerne in einer bereits funktionalen Offense als Nummer-2-Waffe auf einem Einjahresvertrag sehen, mit der Option, sich dann für einen neuen großen Deal zu empfehlen. Mike Williams ist ebenfalls ein interessanter Kandidat für eine Nummer-2-Rolle, sollten die Chargers nicht gewillt sein, Williams für seine spezifische Rolle (Downfield-Receiver und Red-Zone-Präsenz) teuer zu bezahlen.
Einer der interessantesten Namen hier ist Cowboys-Receiver Michael Gallup. Gallup ist in der hochkarätig besetzten Cowboys-Offense nur die Nummer 3, könnte aber als Nummer-2-Outside-Receiver eine enorme Verstärkung für viele Teams darstellen. Weil er Eins-gegen-Eins Press-Coverage schlagen kann, als Route-Runner, aber auch am Catch Point gewinnt. Er wäre von der Rolle her genau der Receiver, den beispielsweise Kansas City oder Arizona für die Rolle von A.J. Green anpeilen sollten. Sollten die Rams Odell Beckham nicht halten, ist auch er hier ein Kandidat.
Es gibt auch weitere Receiver für Komplementär-Rollen, ähnlich wie Gallup. D.J. Chark (Jaguars) beispielsweise, JuJu Smith-Schuster als Big Slot, Christian Kirk als Slot-Speedster oder Will Fuller nach einer komplett verkorksten Saison in Miami als Speedster. Und für Teams auf Quarterback-Suche gibt es mit Jameis Winston und Teddy Bridgewater mindestens mal gute Übergangslösungen. Auch Marcus Mariota wird in Las Vegas Free Agent.
Free Agents 2022 Defense: Jede Menge Secondary-Qualität
Auch hier werden die Buccaneers eine entscheidende Rolle spielen. Nachdem sie in der vergangenen Offseason bekanntermaßen ihr Championship-Team zusammengehalten haben, wird es einige kritische Entscheidungen brauchen. Ich denke nicht, dass Cornerback Carlton Davis hier am Ende runterfällt - falls doch, wäre er einer der Top-Cornerbacks auf dem Markt. Gleiches gilt für J.C. Jackson, aber auch hier erwarte ich nicht, dass die Patriots ihn gehen lassen.
Die Panthers werden ebenfalls einen klaren Impact auf den Corner-Markt haben, Donte Jackson und Stephon Gilmore werden Free Agents. Die Panthers haben Jaycee Horn an 8 im vergangenen Draft ausgewählt und C.J. Henderson via Trade aus Jacksonville geholt.
Und auch auf der Safety-Position könnte es einige Hochkaräter geben. Jessie Bates scheint in Cincinnati keine Zukunft zu haben, das war der beste Single-High-Safety der vergangenen Saison und kann eine Pass-Defense definitiv immer noch stabilisieren. Marcus Williams spielt in New Orleans unter dem Franchise Tag, auch er fällt in die Kategorie, "Wen können die Saints am Ende halten?". Und ich denke nicht, dass die Chiefs ihn gehen lassen - falls doch, wäre Tyrann Mathieu ein potenziell kritisches Puzzleteil für eine andere Defense.
Ein Thema defensiv sind außerdem noch die alternden Pass-Rusher. Chandler Jones hatte einen monströsen Saisonauftakt gegen Tennessee - und spielt seitdem weitestgehend sehr überschaubar. Ich denke nicht, dass die Cardinals ihm einen teuren Vertrag anbieten. Von Miller bei den Rams passt ebenfalls in diese Kategorie. Jadeveon Clowney ist noch etwas jünger, aber auch er ist ein Kandidat für einen kurzfristigen Deal an diesem Punkt seiner Karriere.
Spieler wie Randy Gregory (Cowboys), Haason Reddick (Panthers), Emmanuel Ogbah (Dolphins) oder Harold Landry (Titans) könnten hier attraktivere Optionen darstellen, sofern sie auf den Markt kommen.
Video-Mailbag: Wer bekommt den Nummer-1-Pick?
Wie hat Tyler Huntley die Ravens-Offense wiederbelebt? Wer bekommt am Ende den Nummer-1-Pick im kommenden Draft?
Könnten Davis Mills in Houston oder Jared Goff bei den Lions in die nächste Saison als Starter gehen? Und warum ist Nick Bosa so wenig im Gespräch wenn es um den Award zum Defensive Player of the Year geht?
Die Antworten gibt's im Week-15-Video-Mailbag.
Simon: Ist Tyler Huntley ein potenzieller Starter?
Ich habe ehrlich nie verstanden, warum Huntley nicht gedraftet wurde. Ich hatte ihn damals Pre-Draft mit einer Drittrunden-Empfehlung, und unter dem Strich ist das genau das Tier, in dem ich ihn auch jetzt noch sehe. Sprich: Ein High-End-Backup, der vielleicht, mit der entsprechenden Entwicklung, Starter-Potenzial mitbringen könnte.
Was damals für mich schon ein Thema war, ist seine Kurzpass-Accuracy. Er war effizient im Kurzpassspiel und hatte den Touch Downfield, um lange Touchdowns aufzulegen und machte wenige gravierende Fehler. Plus die Athletik als Bonus. Und in Teilen findet man hier auch den zentralen Unterschied zu Lamar Jackson aktuell, der eine enorme Varianz in seinem Spiel hat, einfach weil er als Passer im Moment nicht konstant spielt. Das fiel gegen die Packers auf, Huntley nahm häufig die erste offene Option und bewegte so den Ball.
Natürlich ist meine Meinung seit jenem Pre-Draft-Scoutingprozess eher positiver als negativer geworden. Huntley bewegt sich für mich in dieser Gardner-Minshew-Gruppe, nicht nur, weil Minshew ebenfalls einer meiner Pre-Draft-Favoriten war. Beide sind als Backup eine Top-3-Option in der NFL, beide können mehrere Spiele als Starter gewinnen und beide sollten auf dieser Basis eine lange NFL-Karriere haben.
In beiden Fällen würde ich es gerne sehen, dass sie eine Chance als Starter bekommen, weil ich denke, dass sie im Vergleich zu so manchem aktuellen Starter günstigere Versionen mit ähnlichem Output darstellen könnten. Ich habe beispielsweise wenig Zweifel daran, dass die Steelers mit Minshew nicht schlechter dastehen würden als mit Big Ben, um mal einen konkreten Quervergleich ins Rennen zu werfen.
Die Frage was Huntley jetzt kurzfristig angeht aber ist in erster Linie, ob er überhaupt auf den Markt kommt - beziehungsweise, zu welchen Konditionen die Ravens bereit wären, ihn gehen zu lassen. Denn: Huntley ist ein "Exclusive Rights Free Agent", weil er als einstiger Undrafted Free Agent erst zwei angerechnete NFL-Jahre auf dem Konto hat, wenn er im Frühjahr Free Agent wird.
Das heißt, dass er nicht mit anderen Teams verhandeln kann, sofern die Ravens ihm ein "Qualifying Offer" machen - was sich potenziell auch am Liga-Minimum bewegen könnte. Vielleicht baut Baltimore ein paar Bonus-Optionen ein für den Fall, dass Huntley abermals starten muss, aber die Ravens haben hier alle Fäden in der Hand, was Huntleys Vertragsoptionen für 2022 angeht. Alles was sie machen müssen, ist, Huntley den entsprechenden offiziellen Tender vor dem Start der Free Agency zu geben, dem Quarterback sind dann was einen möglichen Wechsel angeht die Hände gebunden.
Mailbag: Welche Teams haben überhaupt einen Franchise-QB?
bobomb27: Was ist deine Definition eines Franchise-Quarterbacks und wie viele Teams haben derzeit einen deiner Meinung? Wer hat noch das Potential einer zu werden?
Eine genaue Definition liegt hier mit Sicherheit sehr im Auge des Betrachters. Ich würde es mal ganz vage so formulieren: Ein Franchise-Quarterback ist ein Quarterback, der in jedem Jahr einen realistischen Anspruch darauf hat, ein Top-10-Quarterback zu sein, der eine Offense - im positiven Sinne - prägen und wenn nötig auch tragen kann, und der Spieler um ihn herum besser macht.
An irgendeinem Punkt muss dann hier - wenn wir perspektivisch denken - auch der Altersaspekt eine Rolle spielen. Aber für diese Auflistung hier würde ich die Franchise-Quarterbacks in der NFL, ohne Ranking, so zusammenfassen:
Tom Brady, Aaron Rodgers, Josh Allen, Lamar Jackson, Joe Burrow, Patrick Mahomes, Justin Herbert, Dak Prescott, Kyler Murray, Russell Wilson, Matt Stafford. Mit einem Sternchen dahinter Deshaun Watson, rein sportlich gedacht wäre er definitiv in dieser Liste.
Es gibt Quarterbacks, die nicht weit von dieser Liste entfernt sind. Kirk Cousins liefert hier interessantes Diskussionspotenzial, Derek Carr und Ryan Tannehill ebenfalls. Das wäre in einer "Franchise-Quarterback-Liste" dann die nächste Kategorie für mich, weil ich diese Quarterbacks als stärker abhängig von ihren Umständen einstufe.
Was das Potenzial angeht, natürlich sind die Youngster da vorne mit dabei. Mac Jones und Justin Fields haben erste Duftmarken in diese Richtung abgesetzt, Jalen Hurts ebenfalls. Das wäre die nächste Gruppe, aus der vielleicht einer in dieses obere Quarterback-Tier vorstoßen kann. Aber für den Moment sind sie natürlich noch weit davon entfernt, Fields hat das meiste Potenzial, ist aber auch noch am weitesten weg.
Henry Mühlenfeld: Sieht man an den Lions wie wichtig die Mentalität eines Coaches vor allem im ersten Jahr ist? Klar ist Urban Meyer da der krasse Gegensatz gewesen, aber ist es für die Jags wichtiger jetzt ne solide Base zu bauen als einen Elite Spielerentwickler zu verpflichten?
Letztlich braucht man immer beides. Dass Detroit dieses Jahr hart spielt und dass die Lions was die Mentalität angeht an einem komplett anderen Punkt sind als die Jaguars - oder auch einige weitere schlechte Teams - ist für mich ein klares Anzeichen dafür, dass Dan Campbell ein Team anführen und zusammenhalten kann, und das ist absolut eine Kernkompetenz für einen guten Head Coach.
An diesem Punkt des Rebuilds in Detroit kann man durchaus argumentieren, dass es sogar die wichtigste Kompetenz ist, um nicht den Locker Room zu verlieren und um zu verhindern, dass Spieler im Laufe einer Saison auschecken - und auch um perspektivisch potenziellen Free-Agency-Targets zu zeigen, dass es sich lohnen könnte, zu diesem Team zu kommen.
Aber natürlich bringt einen das auch nur so weit. Wenn im zweiten Jahr dann auch die Niederlagen kommen und wieder ein Top-5-Pick steht, irgendwann sind es zu viele Niederlagen und der beste "Anführer" ist irgendwann verbrannt. Mit Blick auf die Lions jetzt kann man sagen, dass eben nächstes Jahr der nächste Schritt als Team kommen muss. Die Herausforderung wird dann sein, vom Motivator zum "Entwickler" zu werden. Und Detroit hat zumindest schematisch angesichts des limitierten Talents einige positive Dinge gezeigt, nicht nur gegen Arizona.
Mit Blick auf die Jaguars sage ich auf der einen Seite ganz klar, dass ein Head Coach her muss, der die Kultur innerhalb dieser Franchise umkrempeln muss. Und das ist wichtig, aber es wäre nicht meine oberste Priorität auf der Coaching-Suche jetzt. Letztlich gibt es nur einen Weg, wie man eine Franchise nachhaltig verändert, und der führt über anhaltenden Erfolg. Eine gute Kultur, ein gutes Team-internes Klima zu haben, einen Head Coach zu haben, dem das Team folgt, das ist viel wert.
Aber es wird nicht überdauern, wenn der sportliche Erfolg im Zuge eines solchen Umbruchs oder Neustarts nicht schrittweise erhöht wird.
EmsiRämsi: Wer ist jetzt noch Favorit auf den MVP? Quarterbacks haben ohne Zweifel den größeren Value, aber sind dafür die Quarterbacks aktuell nicht zu inkonstant?
Ich hatte das zuletzt bereits gesagt, für mich wird der Quarterback des Top-Seeds in der NFC den MVP-Titel gewinnen - und nach diesem Spieltag muss Aaron Rodgers ganz klar auf der Pole Position dafür sein.
Und es stimmt natürlich, dass wir generell eine inkonstante Saison haben, nicht nur was Quarterbacks angeht, sondern was das Passing Game insgesamt angeht. Aber das ändert für mich nichts daran, dass die Lücke in puncto Value - und darum geht es ja beim MVP nun einmal - zwischen Quarterbacks und den anderen Positionen so groß ist, dass es kaum möglich ist, diese vernünftig zu schließen.
Wenn wir vom Offensive Player of the Year sprechen? Gib mir Jonathan Taylor, Cooper Kupp, Deebo Samuel und Co., und lasst uns darüber diskutieren, wer hier den Award für den besten Offense-Spieler am meisten verdient hat. Aber in einer Value-Debatte ist für mich nach wie vor kein Vorbeikommen an den Quarterbacks, und wenn ich heute Geld setzen müsste, wäre das klar auf Rodgers.