Es sind Szenen, die in den kommenden Stunden, Tagen, wahrscheinloch sogar Wochen, im US-amerikanischen Fernsehen rauf und runter laufen werden: Dak Prescott, der 14 Sekunden vor dem Spielende gegen die 49ers mit dem Ball in der Hand lossprintet, nach 17 Yards zu Boden geht und verzweifelt versucht, den Ball noch rechtzeitig zu spiken. Dazu der zuständige Referee, der heranrauscht, um den Ball, wie im Regelbuch vorgeschrieben, vor dem Snap freizugeben.
Es sind chaotische Bilder. Am Ende fehlt den Cowboys eine Sekunde. Das Spiel ist vorbei, sie können keinen finalen Wurf mehr in die Endzone feuern.
Das Ende des Playoff-Spiels zwischen den Cowboys und den 49ers lässt somit jede Menge Fragen offen: Warum haben die Gastgeber so kurz vor dem Ende einen Quarterback Draw gespielt? Warum haben sie nicht zweimal in Richtung Endzone geworfen? Warum konnte der Referee den Ball nicht schneller freigeben?
NFL: Dallas Cowboys nicht wegen der Referees ausgeschieden
Es sind berechtigte Fragen, die allerdings über andere, größere Probleme im vorherigen Verlauf des Spiels hinwegtäuschen. Dallas ist nicht wegen der Referees oder wegen eines einzelnen Playcalls aus den Playoffs ausgeschieden.
Das Team rund um Quarterback Dak Prescott hat sich in erster Linie selbst geschlagen. Disziplinlosigkeiten und Unkonzentriertheiten zogen sich wie ein roter Faden durch den Auftritt im AT&T Center. 14 Penaltys leisteten sich die Cowboys gegen die 49ers, alleine Edge Defender Randy Gregory war für drei Strafen, darunter ein völlig vermeidbarer Holding-Call kurz vor dem Spielende, verantwortlich. Dallas brachte sich so mehrfach selbst um Punkte. Punkte, die am Ende der Partie entscheidend gewesen wären.
Tatsächlich luden die Niners ihre Kontrahenten im vierten Viertel mehrfach dazu ein, ins Spiel zurückzukommen: Jimmy Garoppolos selbst verschuldete Interception, Kyle Shanahans Punt bei Fourth-and-One von der gegnerischen 49-Yard-Linie drei Minuten vor dem Ende, die Strafe gegen Trent Williams mit nur noch 40 Sekunden auf der Uhr - über mangelnde Gelegenheiten dürfen sich die Cowboys nicht beschweren.
Am Ende steht in Dallas jedoch die elfte Playoff-Teilnahme in Serie, ohne dabei auch nur einen Einzug in ein Conference Championship Game gefeiert haben zu können. Es ist die längste Serie dieser Art in der NFL. Sieben der letzten zehn Playoff-Teilnahmen der Cowboys endeten sogar in "One-and-Dones" - ohne einen einzigen Sieg also.
NFL: Cowboys-Owner Jerry Jones macht seinem Ärger Luft
Kein Wunder also, dass Cowboys-Besitzer Jerry Jones seinem Ärger nach dem wilden Spielverlauf sowie dem enttäuschenden Ergebnis Luft machte: "Wenn du diese Kombination aus Spielern zusammen bekommst, dann musst du Erfolg haben", so Jones.
Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um aus diesen Aussagen zu schließen, dass eine Entlassung von Mike McCarthy - trotz Playoff-Einzug und Division-Sieg - nicht komplett ausgeschlossen werden kann. McCarthy hatte die Cowboys in seiner ersten Saison zu einer enttäuschenden 6-10-Bilanz geführt, musste den Großteil der Spielzeit aber auch auf Prescott verzichten.
In seinem zweiten Jahr feierte McCarthy mehr Erfolge, zwölf Siege sind eine ordentliche Ausbeute, das enttäuschende Playoff-Aus wirft jedoch einen dunklen Schatten auf diese Errungenschaften - zumal Probleme wie die Disziplinlosigkeiten seines Teams gegen die Niners auch nicht zum ersten Mal auftraten.
Tatsächlich hatte in der Regular Season kein Team mehr Strafen kassiert als die Cowboys. Fehler im Game-Management, die gegen San Francisco mehrfach ganz offensichtlich waren, unterliefen McCarthy auch nicht zum ersten Mal in seiner Karriere.
NFL: Neuer Head Coach bei den Dallas Cowboys?
Jones dürfte sich in den kommenden Tagen intensiv mit der Zukunft seines Head Coaches beschäftigen. Gerüchte, wonach Kellen Moore - aktuell Offensive Coordinator bei den Cowboys - McCarthy beerben könnte, kamen nach dem Spielende in der Nacht auf Montag gleich auf.
Moore hatte in dieser Saison von vielen Seiten Lob bekommen und gilt als aussichtsreicher Kandidat auf einen der offenen Head-Coaching-Posten in der NFL. Das Gleiche gilt auch für Dan Quinn, Moores Pendant auf der defensiven Seite.
Sowohl Moore als auch Quinn bekleckerten sich gegen die Niners allerdings ebenfalls nicht unbedingt mit Ruhm. Moore fand lange kein konstantes Mittel gegen den dominanten Pass-Rush der Gäste, Quinn wiederum zog im Duell mit seinem ehemaligen Weggefährten Kyle Shanahan sichtbar den Kürzeren und hatte Glück, dass Garoppolo seine Defense am Spielende mit einigen individuellen Fehlern beschenkte.
Ob McCarthy tatsächlich ein zentrales Problem bei den Cowboys ist und ob ein Wechsel an der Spitze des Teams zu Besserung führen würde, müssen interne Besprechungen in Dallas in den kommenden Tagen ergeben. Klar ist, dass Jones mit diesem Kader so schnell wie möglich Ergebnisse und Erfolge sehen will.
Mit einem Top-10-Quarterback, einer guten Offensive Line, einem exzellenten Receiving Corps sowie einer Big-Play-Defense verfügen die Cowboys auf dem Papier tatsächlich über alle Puzzleteile, um zu einem echten Super-Bowl-Contender zu werden. Dieses Potenzial muss das Team endlich auch in den Playoffs abrufen. Daran wird sich Dallas' Head Coach in der kommenden Saison messen lassen müssen - egal, ob dieser nun weiterhin McCarthy heißen wird oder nicht.