Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Sportler - in diesem Fall einem Superstar -, seine Karriere zu beenden? Nicht wenige Ikonen ihrer jeweiligen Sportart scheiterten genau an diesem Punkt, nachdem sie teils grandiose Karrieren hinter sich hatten. Man nehme Joe Montana, Bradys großes Vorbild zu Kindheitszeiten. Er trat letztlich als Schatten seiner selbst bei den Chiefs ab. Peyton Manning, Bradys größter Rivale auf dem Platz, ging zwar mit seinem zweiten Super-Bowl-Triumph, aber eben auch nur, weil ihn seine Defense dorthin trug.
Tom Brady jedoch geht nicht von der allergrößten Bühne NFL, weil er nicht mehr kann. Er geht, weil er nicht mehr will. Er wolle "diese sportliche Verpflichtung nicht länger eingehen", wie er auf Instagram schrieb. Er geht aus freien Stücken und weiterhin auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Das zeigte er mit seiner erneut herausragenden Saison, in der er erst zum zweiten Mal überhaupt die 5000-Yard-Marke durchbrach. Und: Er ist erst der zweite Spieler überhaupt, der in seiner finalen Saison die Liga in Passing Yards und Passing Touchdowns (43) anführte. Vor ihm gelang dies nur dem unsterblichen Cecil Isbell 1942!
Und, dass Brady den Abschied ist im zweiten Schritt selbst verkünden konnte, weil ihm Adam Schefter am Wochenende zuvor kam, geschenkt! Das ändert überhaupt nichts und wird schon bald komplett vergessen sein.
Was Brady hingegen hinterlässt, ist eine Liga, die er über die vergangenen zwei Jahrzehnte wie kein anderer vor ihm geprägt hat. Er gewann mehr Titel (7) als jede NFL-Franchise in der Super-Bowl-Ära (seit 1966). Zudem tritt er ab mit allen erdenklichen (Passing-)Rekorden, sei es in der Regular Season oder den Playoffs. Brady setzte Maßstäbe, an denen sich seine Nachfolger noch lange messen lassen müssen - sei es Mahomes, Allen oder wer da noch alles kommen mag in der Zukunft.
Brady lebte den amerikanischen Traum wie kaum ein anderer im Sport. Er begann nicht wie Manning als College-Star, der an Position 1 gedraftet wurde und von da an die Sympathien auf seiner Seite hatte. Brady war der viel zitierte 199. Pick im Draft 2000 und musste sich letztlich von der Nummer 4 im eigenen Team hocharbeiten. Er und Coach Bill Belichick machten aus den einst beschaulichen New England Patriots die erfolgreichste Franchise dieses Sports.
Und als er erkannte, dass diese Ära vorbei war und es Zeit war für alle Beteiligten, einen Neuanfang zu machen, ging er im hohen Footballeralter nochmal in die Fremde und bescherte den Tampa Bay Buccaneers ihren zweiten Super-Bowl-Triumph überhaupt. Er machte aus einem Team, dass trotz einer beeindruckenden Besetzung Jahr für Jahr versagte, im Handumdrehen einen Champion. Wer sonst kann das von sich behaupten?
Tom Brady: Mehr Titel als jede Franchise der NFL
Mit sieben Titeln und allen erdenklichen Rekorden errichtete er sich ein Denkmal. Bemerkenswert ist auch, dass Brady dies in einem Sport schaffte, der vor Gleichheit nur so strotzt. Durch den Draft und die Salary Cap ist es kaum möglich, über einen so langen Zeitraum an der Spitze zu stehen. Noch dazu, wenn während seiner aktiven Zeit die Regeln und der Spielstil teils drastisch geändert wurden. Seit ein paar Jahren sind die Teams im Vorteil, die mobile, dynamische Quarterbacks haben. Brady dagegen war immer ein klassischer Pocket Passer. Doch das hielt ihn nicht davon ab, Defenses dennoch zu dominieren.
Brady ist der GOAT - der Greatest of all Time. Und das gilt nicht nur für Football und die NFL. Niemand sonst hat einen Mannschaftssport so dermaßen dominant über mehr als zwei Jahrzehnte geprägt wie Tom Brady. Nicht Michael Jordan, nicht Wayne Gretzky oder Babe Ruth - oder für Fußballfans: Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo.
Wenn man Bradys Statistiken und Triumphe auf seine 20er, 30er und 40er aufteilt, bekäme man drei Hall-of-Fame-Karrieren dabei heraus, so hoch war das Niveau, das er stets an den Tag gelegt hat. Entsprechend wird die Diskussion um seine Aufnahme in die Pro Football Hall of Fame in Canton/Ohio in fünf Jahren recht kurz ausfallen.
Bradys Abgang mag auf den ersten Blick traurig sein, besonders für Leute, die seine Karriere von Anfang an miterlebt haben. Doch es sollte bei jedem die Dankbarkeit und Freude überwiegen, Zeuge dieser unglaublichen Zeit gewesen zu sein. Sie wird wohl unvergesslich bleiben.
Tom Brady: Die wichtigsten Statistiken und Titel
Saisons | 22 |
Spiele | 318 |
Passing Yards | 84.520 |
Touchdowns | 624 |
Interceptions | 203 |
Passer Rating | 97,6 |
Super-Bowl-Titel | 7 |
MVP | 3 |
Super Bowl MVP | 5 |
Pro Bowls | 15 |
All-Pro | 3 |