Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse der Conference Championship Games

Von Adrian Franke
31. Januar 202210:35
SPOXgetty
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Super Bowl LVI steht fest! Die Cincinnati Bengals treffen in zwei Wochen in Los Angeles auf die Rams. Die kritischen Matchups und großen Personalien dieses Spiels werden uns in der kommenden Woche ausführlich beschäftigen. Zunächst aber sollen die vier Teams, die die beiden Conference-Championship-Titel ausgespielt haben, noch einmal im Fokus stehen. Die Erkenntnisse aus einem dramatischen Sonntag.

Es fällt im Hinblick auf die beiden Championship Games auf, wie dramatisch unterschiedlich die vier Teams an diesen Punkt gekommen sind - und wie unterschiedlich die Fragen sind, die diese vier Teams jetzt, respektive nach dem Super Bowl dann, beantworten müssen.

Ist die Saison der Rams nach dieser All-In-Attacke nur dann ein Erfolg, wenn L.A. jetzt auch den Super Bowl gewinnt? Und könnte das gegen die Niners bisweilen desolate Zeit-Management von Sean McVay und seinem Stab den Rams im Super Bowl zum Verhängnis werden?

Wie sehen die Quarterback-Entscheidungen der 49ers im Rückblick aus, jetzt, da die Garoppolo-Ära vor ihrem Ende steht? Haben die Chiefs die nächste Entwicklungsstufe gegnerischer Defenses kennengelernt? Und warum gewinnen die Bengals, obwohl ihre Offense in der Divisional Round und über weite Strecken auch im Championship Game nur bedingt zündete?

In der Divisional Round wurden alle vier Spiele mit dem letzten Play entschieden, das AFC Championship Game ging in die Overtime, das NFC Championship Game war bis zum finalen Drive spannend. Bis dato haben wir fantastische Playoffs gesehen, und so bleibt zu hoffen, dass sich das im Super Bowl fortsetzt.

1. Los Angeles Rams: All-In-Modus als neue Blaupause?

Dass Teams in der NFL versuchen, Erfolgsmodelle zu kopieren, ist keine neue Erkenntnis.

Division-Sieger, Teams, die in den Playoffs gewinnen, Teams, die es in den Super Bowl schaffen - es wäre eher überraschend, wenn andere Franchises nicht versuchen würden, zumindest in Teilen deren Erfolgsmodell zu kopieren und es auf die eigene Situation und das eigene Team anzuwenden.

Das ist mal mehr, mal weniger originell; an dieser Stelle könnte man an die Offseason zurückdenken, in der jegliche Verbindung zu Sean McVay allem Anschein nach reichte, um für einen Head-Coach-Posten in Frage zu kommen. Oder darauf verweisen, dass manche Teambesitzer immer noch hoffen, das Patriots-System ohne Bill Belichick nachbauen zu können.

Aber was sich bewährt, bleibt selten ohne Nachahmer - und wenn ich auf die beiden diesjährigen Championship Games schaue, springt keine potenzielle Blaupause mehr ins Auge als die der Los Angeles Rams; deren Weg in dieser Saison gezeichnet ist von aggressiven Trades und einem unkonventionellen Umgang mit Draft-Ressourcen.

Zwei Erst- und einen Drittrunden-Pick kostete Matt Stafford. Zwei Erst- und einen Viertrunden-Pick Jalen Ramsey. Für Von Miller waren ein Zweit- und ein Drittrunden-Pick fällig, für Sony Michel ließ man einen Viert- und einen Sechstrunden-Pick nach New England wandern. Und wenn man etwas weiter zurückgeht: Einen Dritt- und Fünftrunden-Pick bezahlten die Rams einst für Dante Fowler, einen Erstrunden-Pick für Brandin Cooks.

Während also andere Teams seit Jahren darauf aus sind, ihr Draft-Kapital zu maximieren, um in der großen Ungewissheit des Drafts möglichst viel Munition zu haben und den Kader am ehesten mit Veteran-Trades für Tag-3-Picks noch abrunden, gehen die Rams seit Jahren in gewisser Weise den entgegengesetzten Weg.

Die Top-100-Picks des kommenden Drafts werden höchstwahrscheinlich ohne die Rams stattfinden, und in den Top-135-Picks wird L.A. ein einziges Mal auftauchen, am Ende von Runde 3. Ist das nun clever und antizyklisch? Oder ist es Kaderplanung ohne Weitsicht, bei dem zu viel auf eine Karte gesetzt wird, da man versucht, diesen einen Ring zu erzwingen?

Das Roster Building der Rams: Aggressivität mit Plan

Was im Fall der Rams definitiv auffällt: Die Trades kommen bei aller Aggressivität nicht einfach planlos daher.

Da lässt sich - abgesehen von Sony Michel, aber McVays Wertschätzung der Running-Back-Position war in den letzten Drafts ebenfalls mehrfach überdeutlich zu sehen - beispielsweise daran beobachten, dass L.A. in die Premium-Positionen investiert: Elite-Corner, Pass-Rusher, Wide Receiver - und eben Quarterback.

Und bei Stafford lässt sich vortrefflich darüber diskutieren, wie groß das Upgrade nun tatsächlich war. Stafford hatte eine wilde Achterbahn einer Regular Season, es dauerte auch merklich, bis McVay schließlich die richtige Balance zwischen der "Stafford-Offense" - mehr Spread-Formationen, weniger Kombination aus Run- und Pass-Designs, mehr auf den Schultern des Quarterbacks abgeladen - und der deutlich Quarterback-freundlicheren "Goff-Offense" gefunden hatte.

Stafford hat mehrere Spiele weggeworfen oder es zumindest versucht, er hat die Liga in Pick Sixes angeführt und die beachtlichen Total Stats bieten keineswegs eine komplette Darstellung seiner Saison. Aber es ist unbestreitbar, dass er die Offense auf eine Art und Weise geöffnet und die Big Plays wieder in die Offense gebracht hat, wie es mit Jared Goff über die letzten beiden Jahre nicht möglich war.

Die Rams und der Erfolg in der Mitte des Drafts

Der andere Teil der Gleichung - neben exzellentem Coaching, was immer einige Löcher überspielen kann - ist der Erfolg der Rams über die letzten Jahre in den mittleren Runden des Drafts. Dann, wenn für Los Angeles der Draft häufig überhaupt erst anfängt, mit den Runden, auf die sich die Rams in ihrem Scouting-Prozess auch mehr und mehr konzentrieren.

Cooper Kupp (3. Runde/2017), Van Jefferson (2/2020), Left Guard David Edwards (5/2019), Center Brian Allen (4/2018), Running Back Darrell Henderson (3/2019), Defensive Tackle Sebastian Joseph-Day (6/2018), Safety Jordan Fuller (6/2020), Cornerback David Long (3/2019), Linebacker Troy Reeder (Undrafted/2019) - das sind, außerhalb von Kupp, der eine fantastische Saison gespielt hat, solide Starter für dieses Rams-Team.

Tight End Gerald Everett (2/2017) und Safety John Johnson (3/2017) würden ebenfalls in diese Gruppe fallen, beide verließen das Team letztes Jahr als Free Agents und werden den Rams Compensatory Picks im kommenden Draft einbringen.

Diese Spieler, in Kombination mit dem Sammeln von Mid- und Late-Round-Picks durch Downtrades und Compensatory Picks, machen die aggressive Trade-Strategie in der Form erst möglich. Doch hier muss man erwähnen, dass man sich auf Treffer im Draft nicht verlassen kann; auf Treffer in den späteren Runden erst recht nicht.

Zumindest aber gibt sich L.A. die Chancen, in diesen Runden Starter zu finden. Neun Spieler haben die Rams im vergangenen Draft ausgewählt, genauso viele wie 2020. 2019 waren es acht und 2018 elf. Auch im kommenden Draft wird L.A. trotz der Trades mit Compensatory Picks vermutlich auf je eine Auswahl in den Runden 3,4 und 5 sowie mehrere Picks in den späten Runden kommen. Acht Picks dürften es im Endeffekt werden.

Los Angeles: Wann bricht das Konstrukt ein?

Und dennoch: Los Angeles mit der aktuellen Strategie ist deutlich anfälliger dafür, mal zwei, vielleicht drei Draft-Klassen mit wenig Output zu erleiden. Das ist nicht von der Hand zu weisen, und dann kann das Konstrukt schnell zusammenbrechen.

Denn die Trades für große Namen sind nicht nur in puncto Draft-Kapital teuer, diese Spieler kosten - im Gegensatz zu Startern, die noch unter ihrem Rookie-Vertrag spielen - auch direkt viel Geld.

Stand heute haben die Rams mit Donald, Ramsey, Stafford, Floyd, Kupp, Woods und Whitworth sieben Spieler unter Vertrag stehen, deren Cap Hit jenseits der 15-Millionen-Marke liegt.

Diese sieben Spieler machen rund 67,5 Prozent des Rams-Caps 2022 aus. Die ersten vier knacken die 20 Millionen und weder Von Miller noch Odell Beckham Jr. haben Stand heute einen Vertrag für die kommende Saison. Auch die Starter Brian Allen, Darious Williams, Austin Corbett, Troy Reeder und Sebastian Joseph-Day haben auslaufende Verträge. Aktuell liegen die Rams neun Millionen Dollar über dem Cap.

Rams: Wird aus "All-In" jetzt auch ein Ring?

Es wird für die Rams nicht leicht sein, im kommenden Jahr ein ähnlich talentiertes Team zusammen zu stellen. Gut möglich, dass dieses Jahr die goldene Gelegenheit ist, um den Ring zu holen, für den dieser Kader zusammengestellt wurde. Gut möglich ist aber auch, dass das Fenster dann auch wieder schnell zugeht.

Gleichzeitig komme ich bei den Rams auch immer darauf zurück, dass L.A. einen unheimlich hohen Floor hat: Kupp, Woods, Donald, Ramsey plus McVay und der Coaching-Staff - allein dieser Kreis an Säulen gibt den Rams eine Basis, die viele Teams so nicht haben, und die es einem leichter macht, darauf aggressiv einen Contender-Kader aufzubauen.

Die Aggressivität, mit der die Rams seit Jahren vorgehen, inklusive dem Austauschen des Quarterbacks, mit dem man durchaus einige Spiele gewonnen hat, verdient ein gewisses Maß an Anerkennung. Und gerade der Quarterback-Part wird in absehbarer Zeit auch für andere Teams ein Thema werden.

Es war kein kopfloses Hineinstürzen in ein potenzielles Titelfenster. Dieses Team wird auch auf absehbare Zeit gut sein. Aber das Risiko und die Endlichkeit dieses Fensters sind deutlich sichtbar. Die Chance ist vielleicht nie wieder so groß wie in diesem Jahr, um aus "All-In" auch tatsächlich einen Ring zu machen.

Und dann würde die Zahl der potenziell interessierten Nachahmer noch weiter klettern.

2. Kansas City Chiefs: Die nächste Defense-Evolution?

Selbst mit etwas Abstand komme ich beim AFC Championship Game darauf zurück, dass dieses Spiel eigentlich - aus Chiefs-Sicht - kurz nach der Halbzeitpause hätte durch sein müssen.

Doch nachdem man zuerst vor der Halbzeitpause nicht punktete - auch weil Mahomes offenbar der Meinung war, dass er noch eine Timeout hätte, die Andy Reid allerdings früh im Spiel bereits geopfert hatte - folgte dann zum Start in die zweite Hälfte der schnelle Punt.

Statt einer mutmaßlich uneinholbaren Führung war das Spiel weiterhin eng. Und die Bengals sind mental so gefestigt, dass sie sich auch von so einer lange desolaten ersten Hälfte nicht aus der Bahn werfen lassen.

Aber es gibt natürlich auch einen schematischen Ansatz und so etwas wie einen Erklärungsversuch zu diesem Spiel, der über die Partie hinausgehen könnte. Dieses Tief der Chiefs-Offense, über das wir alle etwa nach dem zweiten Saison-Drittel gesprochen haben, war kein künstlich aufgepumptes Phänomen; Mahomes war rund um die Saison-Mitte nicht gut, die ganze Offense wirkte unrund.

An irgendeinem Punkt musste jeder Analyst zugeben, dass die Chiefs-Offense Probleme hatte, die über die unglücklichen Turnover hinausgingen. Teams spielten konsequent 2-High-Shells gegen Kansas City, kein Quarterback wurde seltener geblitzt und Defenses zwangen die Chiefs dazu, unheimlich geduldig zu spielen, und das Drive für Drive, Woche für Woche.

Die Chiefs starten wie erwartet

Es dauerte einige Zeit, ehe Mahomes sich in diesen aufgezwungenen Parametern wohlfühlte; das Spiel gegen Buffalo, als er keinen einzigen tiefen Pass warf und die Defense mit Big Plays Underneath und in der Mid Range dominierte, war das Meisterstück dieser Entwicklung.

Cincinnati hatte schon in dem Woche-17-Duell gegen die Chiefs gezeigt, dass man sich eindeutig anpasst an diesen spezifischen Gegner. Die Bengals spielten für ihre Verhältnisse deutlich mehr mit zwei Safeties tief - und wenn sie doch ihre Single High auspackten, wurden sie regelmäßig von den Chiefs bestraft.

Das passierte auch früh im Championship Game.

Nachdem Kansas City den Ball früh exzellent gegen die leichten Boxes und die passivere Coverage bewegt hatte, spielte Cincinnati dann doch mal aggressiver, mit nur einem tiefen Safety infolge einer Post-Snap-Rotation und Eins-gegen-Eins-Coverage außen - und wurde direkt von den Chiefs mit dem Big Play von Mecole Hardman Ende des ersten Viertels bestraft.

Bengals-Defense: Die nächste Stufe in der Evolution?

Aber der grundsätzliche Plan der Bengals war in sich schlüssig - und wurde in der zweiten Hälfte belohnt. Auch Cincinnati setzte, wie schon so viele andere Defenses in den vergangenen Wochen, darauf, die Chiefs zu langen Drives und zu Geduld zu zwingen.

Und die Bengals blieben dabei, auch wenn Kansas City den Ball bei den ersten Drives sehr gut dagegen bewegen konnte. Aber die Quintessenz dieser Art, Defense zu spielen, bleibt ja. Die Idee ist letztlich: Je mehr Plays die Offense machen muss, desto höher steigt die Wahrscheinlichkeit, dass kleine Fehler passieren. Selbst wenn es die Chiefs sind.

Ein kleiner Drop hier, eine Ungenauigkeit im Passspiel da, ein Protection-Bust, und dann puntet selbst die Chiefs-Offense ein paar Mal schnell nacheinander. Das war auch in der zweiten Halbzeit gegen die Bengals in Woche 17 zu sehen und es wiederholte sich in der zweiten Hälfte des AFC Championship Games.

Mit einem Unterschied: Cincinnati trieb diese Taktik sogar noch weiter auf die Spitze. Bei 35 Prozent (!) der gegnerischen Pass-Plays ließen die Bengals mindestens acht Verteidiger in Coverage zurückfallen - mit Erfolg: Mahomes brachte gegen acht oder mehr Verteidiger in Coverage nur sieben von 13 Pässen an, für 59 Yards und einen Pick. Und er kassierte zwei Sacks.

Immer wieder war zu beobachten, wie er zwar Zeit hatte, aber niemand sich auch nach fünf, sechs, sieben Sekunden freilaufen konnte - und mehrfach machte Mahomes dann noch wesentlich negativere Plays daraus, indem er sich immer weiter fallen ließ, verzweifelt auf der Suche nach einer Anspielstation.

Wird das vielleicht die nächste Defense-Entwicklung sein, die Mahomes und die Chiefs überwinden müssen? Wird sich Kansas City in diesen Szenarien noch mehr auf den Run stützen müssen? Für die Bengals funktionierte dieser Ansatz, selbst wenn es viel Geduld von Cincinnatis Defense forderte.

Die Chiefs blicken auf 4 tolle Jahre zurück

Auch wenn Kansas City mit diesem offensiven Meltdown in der zweiten Halbzeit leben muss, so ist der eindrucksvolle Erfolg dieses Teams über die letzten Jahre nicht von der Hand zu weisen.

Seit vier Jahren ist Patrick Mahomes nunmehr der Starting-Quarterback der Kansas City Chiefs. In dieser Zeit hat er diverse Rekorde gebrochen, manche größer, manche kleiner - aber eine Bestmarke ist bei mir mit mehr Nachdruck hängen geblieben als alle anderen.

Die Chiefs sind das erste Team aller Zeiten, das vier aufeinanderfolgende Conference Championship Games ausrichten durfte und das siebte Team in der NFL-Historie, das in vier aufeinanderfolgenden Jahren im Championship Game überhaupt dabei war.

Nach Expected Points Added pro Play hatte Kansas City zeitgleich in den vergangenen vier Jahren die Nummer-28-, Nummer-16-, Nummer-19- und die Nummer-23-Defense. Das ist ein Team, das mehr als jede andere Franchise das Mantra, wonach die NFL eine Passing- und Offense-Liga ist, lebt. Und das sich das leisten kann, weil es den Head Coach, die Waffen und eben den Quarterback dafür hat.

Die Youngster als zweites Gerüst

"Sich etwas leisten können" ist auch ein gutes Stichwort, wenn man auf die Perspektive der Chiefs schaut. Kansas City hat Stand heute für 2022 rund 14,5 Millionen Dollar an Cap Space, muss aber mit Orlando Brown und Tyrann Mathieu auch zwei Stars auf beiden Seiten des Balls mit neuen Verträgen ausstatten.

Dazu kommen gegebenenfalls Spieler aus der zweiten Reihe wie Melvin Ingram, Byron Pringle, Jarran Reed oder Demarcus Robinson.

Aber Kansas City hat noch Flexibilität und Spielraum, auch weil die jüngsten Draft-Klassen Starter produziert haben.

Mecole Hardman (Runde 2/2019), Rashad Fenton (6/2019), Willie Gay (2/2020), L'Jarius Sneed (4/2020), Creed Humphrey (2/2021), Nick Bolton (2/2021), Trey Smith (6/2021) - sie sind das günstige zweite Gerüst dieses Teams, welches die teuren Superstars ergänzt.

Wie lange bleiben die Chiefs auf diesem Level?

Diesen Spagat hinzubekommen, wird natürlich immer schwieriger.

Mahomes' Vertrag klettert dann ab 2023 über die 40-Millionen-Marke, Travis Kelce wird nicht jünger und wird irgendwann ersetzt werden müssen, und die jetzt günstigen Rookies müssen früher oder später bezahlt werden - während es gleichzeitig keineswegs selbstverständlich ist, dass man jedes Jahr im Draft zwei Starter findet.

Und auch die Division wird nicht leichter. Die Chargers mit Justin Herbert, mehreren Säulen offensiv wie defensiv und jeder Menge Ressourcen in der Offseason könnten bereit sein, ganz oben anzugreifen. Und wer weiß, mit welchem Quarterback die Broncos im September an den Start gehen.

Trotzdem fällt es schwer, ein Team zu nennen, bei dem man weniger Bedenken für die nächsten fünf Jahre hat. Das ist die Sicherheit, die Andy Reid und Patrick Mahomes einem geben, und deren Prognose in diesem Jahr durch die zwischenzeitliche Mini-Krise sogar noch robuster wurde.

Weil Reid und Mahomes gezeigt haben, dass sie auch mit entsprechenden Herausforderungen und Problemen umgehen können - auch wenn die zweite Hälfte des Championship Games dann ein Rückfall in die schwache Phase dieser Saison war.

Und wenn das in den Playoffs passiert, dann kostet dich das auch das Spiel. Sogar ein Kansas City, selbst mit einer dominanten ersten Hälfte im Rücken.

3. Cincinnati Bengals: Längst nicht am Limit

Vielleicht der verrückteste Punkt am Super-Bowl-Einzug der Cincinnati Bengals - und da gibt es genügend Aspekte, die man anbringen könnte - ist der, dass das eigentliche Prunkstück dieses Teams in den Playoffs nur sehr vereinzelt gezündet hat.

Gegen die Raiders in der Wildcard-Runde vielleicht noch am ehesten, aber gegen Tennessee war es ein desolates Spiel von Ryan Tannehill, das den Weg für die Bengals ebnete, während Cincinnatis Offense fast 70 Yards allein durch die neun Sacks verlor.

Gegen Kansas City war die zweite Hälfte dann auf jeden Fall positiver, aber es blieben eher einzelne Big Plays und das kurze Feld beim Touchdown zum zwischenzeitlichen 21:21-Ausgleich. Es war in erster Linie Cincinnatis Defense, die das Spiel offen hielt und es den Bengals erlaubte, ins Spiel zurück zu kommen.

Das macht dieses Team auch so ein wenig kurios mit Blick auf die Playoffs. Cincinnati überzeugt in den Playoffs mit der Offense nur bedingt, eher in einzelnen Flashes. Die Tatsache, dass sich dieses Team plötzlich auf seine Defense stützen kann, ist ein immenser Gewinn für die Bengals und ein Grund für diese schon jetzt spektakulär erfolgreiche Postseason.

Bengals müssen QB Joe Burrow weiter helfen

Das hilft selbstredend auch Burrow, und hier kann man es kaum zu hoch hängen: Die Bengals müssen weiter an Burrows Support System arbeiten.

Mit den drei Receivern ist schon viel geschafft, jetzt braucht es auch schematisch ein noch besseres Gerüst. Nach wie vor ist Cincinnatis Offense sehr von der individuellen Qualität abhängig und kann leicht in Boom-or-Bust-Phasen fallen.

Der andere Punkt aus Bengals-Sicht ist überdeutlich, so offensichtlich, dass man ihn kaum erwähnen muss. Natürlich muss Cincinnati die Offensive Line verbessern, und zwar dramatisch. Burrow ist kein Quarterback, der sich selbst gut beschützt in der Pocket, der den Ball schnell loswird, der Plays abhakt und sich ein paar Hits erspart.

Ein Veteran-Center, um Burrow in puncto Protection-Calls zu entlasten - gegen Tennessee etwa hatte man häufig den Eindruck, dass sie nicht wussten, woher die Pass-Rusher kommen -, ein funktionaler Right Tackle, und schon wäre hier viel geschafft.

Denn das ist auch der Punkt hier: Cincinnati braucht keine Elite-Line, damit die Offense den nächsten Schritt und mehr Konstanz erreichen kann. Eine durchweg solide Line wäre schon ein riesiger Schritt auf dem Weg dorthin.

Cincinnati: Ja'Marr Chase war der richtige Pick

Das heißt dementsprechend auch ausdrücklich nicht, dass ich hier die Draft-Thematik nochmals aufmachen möchte. Die Bengals haben die genau richtige Wahl mit Chase getroffen, ich hoffe, dass das niemand mehr ernsthaft hinterfragt.

Ein Top-Receiver verändert eine Offense so viel mehr als ein Top-Tackle, denn während der Top-Receiver auf einen Schlag Big Plays kreieren und eine gesamte Offense öffnen kann - so wie es Chase dieses Jahr in Cincinnati gemacht hat, nachdem die Bengals keinerlei Deep Passing Game im Vorjahr hatten - stabilisiert ein Top-Tackle einen von fünf Spots in der Line.

Sind die anderen vier schlecht, ist die Line trotzdem schlecht. Ein Tackle alleine macht eine Offense nicht signifikant besser, ein Receiver kann das.

Die Bengals haben in diesem Jahr deutliche Fortschritte gemacht, maßgeblich wegen Chase. Jetzt gilt es, weitere Baustellen anzugehen, solange Burrow, Chase und Higgins günstig sind.

Kann Cincinnati offensiv noch variabler werden?

Das bedeutet eben auch, Burrow unter die Arme zu greifen. Vier der fünf Sacks, die Burrow in der ersten Halbzeit gegen Tennessee kassierte, kamen mindestens 2,6 Sekunden nach dem Snap. Er hatte einige Probleme damit, die durchaus flexible und rotationsfreudige Titans-Defense zu lesen und war auch Pre-Snap einige Male nicht auf der Höhe. Gegen die Chiefs rettete er dann mehrfach Protection-Fehler.

Die offensiven Explosionen der Bengals in der zweiten Hälfte der Saison kamen gegen Pittsburgh (41 Punkte), Baltimore (41) und die Chiefs (31), allesamt Defenses, die relativ klare Matchups präsentiert haben. Das trifft auch auf die Raiders zu, den Gegner in der Wildcard-Runde.

Gegen Denver etwa, auch gegen San Francisco und phasenweise gegen die Chargers, hatte die Offense größere Probleme. Teams, die gerne aus 2-High-Shells agieren und dann - mal mehr, mal weniger - auch raus rotieren nach dem Snap.

Bengals: Zac Taylor muss sich weiter steigern

Das soll ausdrücklich nicht heißen, dass Burrow keine Coverage-Rotationen lesen kann, das Gegenteil war meist wahr während dieser Saison. Es geht eher darum, ihm das Leben einfacher zu machen, damit offensiv nicht so viel auf seinen Schultern ruht.

Damit sprechen wir dann auch vom Play-Calling, und da denke ich, dass Zac Taylor definitiv noch Luft nach oben hat. Das fiel jetzt im Championship Game abermals auf, wo er für meinen Geschmack deutlich zu stur an den First-Down-Runs festhielt, statt Burrow mehr "einfache" Pässe zu ermöglichen.

Cincinnati ist seiner Prognose um mindestens ein Jahr voraus und es steckt noch wahnsinnig viel mehr Potenzial in diesem Team. Dafür müssen dann die nächsten Kaderentscheidungen sitzen - gleichzeitig ist eine solche Aussage über ein Team, das gerade den Super Bowl erreicht hat, umso bemerkenswerter.

4. San Francisco: Vorhang auf für die Trey-Lance-Ära

Die letzten fünf Jahre der 49ers sind eine bemerkenswerte Achterbahn. In drei der fünf Spielzeiten gewannen die Niners nicht mehr als sechs Spiele und wurden zwei Mal (2017, 2020) Letzter in der Division. In den beiden anderen Jahren zog man ein Mal in den Super Bowl und dann dieses Jahr ins NFC Championship Game ein.

Die Parallele zur Verfügbarkeit von Garoppolo ist hier nicht von der Hand zu weisen. 2017 startete er fünf Spiele, nachdem er via Trade aus New England gekommen war. 2018 und 2020 verletzungsbedingt nur drei beziehungsweise sechs Partien.

Im Super-Bowl-Jahr spielte er alle 16 Spiele vor den Playoffs, in der gerade beendeten Regular Season stand er für 15 von 17 Spielen auf dem Platz.

Macht man sich diese Parallele nochmals ganz konkret bewusst, kommt man kaum umhin, zu fragen, ob es für den Trey-Lance-Pick nicht mehrere Motivationen gab: Auf der einen Seite der Wunsch, einen High-Ceiling-Quarterback zu finden, der Garoppolo, so gut er in dieses System auch passt und selbiges auf dem Platz umsetzen kann. Auf der anderen Seite aber auch die Sorge bezüglich Garoppolos Verletzungsanfälligkeit.

Shanahans veränderte Quarterback-Analyse

Shanahan hat vor gut einem Jahr bereits zugegeben, dass er ein Auge auf Josh Allen geworfen hatte und dass die Niners damals hofften, dass unter anderem Allen vorzeitig in den Draft kommen würde. Dieser Wunsch blieb unerfüllt, während der folgenden 2017er Saison tradete San Francisco dann stattdessen für Garoppolo.

Vor allem aber sind bei mir Shanahans Aussagen nach dem Spiel gegen die Bills in der 2020er Saison hängen geblieben. Allen war damals von einer starken Niners-Defense nicht aufzuhalten, mit 34:24 gewann Buffalo Anfang Dezember - und Shanahan sprach anschließend offen darüber, wie er selbst sich in seiner Sichtweise auf die Position verändert.

"Ich evaluiere Quarterbacks mit dem Ziel, Typen zu finden, die die Chance haben, diese Elite-Spieler zu werden. Und es gibt verschiedene Wege, wie man das schaffen kann. Man sieht mittlerweile, dass es verschiedene Wege gibt, das wird sich auch nicht ändern. Es gibt dabei nicht die eine Sache, auf man sucht - man versucht einfach den Spieler zu finden, der besser ist als 98 Prozent der Alternativen - und wenn man den gefunden hat, holt man ihn und passt sich ihm an."

Man kann viel über Garoppolo sagen, positiv wie negativ, aber das Elite-Potenzial hatte er nie, und das hat man in diesen Playoffs deutlich gesehen.

Garoppolos beste Qualitäten - der schnelle Release, die Accuracy Underneath, die Konstanz als Passer aus der Bewegung heraus - passen perfekt in Shanahans System, und da liegt sein Wert. Aber Garoppolo ist weder ein dominanter Pocket-Passer, noch kann er physisch die Lasershow abfeuern, die Patrick Mahomes und Josh Allen im Divisional-Duell aufs Feld gezaubert haben.

Shanahans Entscheidung für Garoppolo

San Francisco ging als physischstes Team in diese Playoffs, und das für mich mit Abstand. Der 4-Man-Rush, die Physis auf beiden Seiten des Balls und herausragende Play-Caller auf beiden Seiten des Balls, das war die Baseline, die Identität dieses Teams.

Doch als die Niners Garoppolo brauchten, um das Spiel für sie zu gewinnen, konnte er das nicht leisten.

Garoppolo genießt nicht nur im Locker Room der 49ers immenses Ansehen, Shanahan vertraut ihm auch, seine Offense strukturell gesehen nahe am Optimum aufs Feld zu bringen. Deshalb blieb er bei Jimmy G, auch als die Saison zwischenzeitlich auf dem Weg ins Nichts zu sein schien.

Ich selbst habe mehrfach mit Unverständnis auf Shanahans Entscheidung, in der Saison-Frühphase an Garoppolo festzuhalten, reagiert. Und ich muss zugeben, dass ich keineswegs erwartet hatte, dass San Francisco in dieser Saison nochmals eine Titelkandidat werden könnte.

Lance hätte die Spielpraxis dringend benötigt, vermutlich mehr als jeder andere der diesjährigen Rookie-Quarterbacks. Auf der anderen Seite war San Francisco ein Spiel, einen Drive, ein paar Plays hier und da, vom Super Bowl entfernt.

Garoppolos Fehler dominieren seine Playoffs

Garoppolo hat fraglos seine Fehler. Die waren gegen Dallas zu sehen, als er Aiyuk tief komplett offen verfehlte und beim nächsten Drive die Interception warf, was Dallas erst wieder ins Spiel zurück brachte. Sie waren auch gegen Green Bay zu sehen, als Garoppolo ausschließlich im Kurzpassspiel lebte, und selbst da inkonstant auftrat.

Und sie waren gegen die Rams zu sehen, etwa als er Kittle komplett offen verfehlte, oder als er den Ball beinahe zu Jalen Ramsey warf. Mehrfach. Auch einige "Hospital-Balls" über die Mitte waren mit dabei, und dann eben diese letzten Drives, als er, mehr auf sich gestellt, ziemlich hilflos wirkte.

Garoppolo war nicht der einzige Grund, warum San Francisco dieses Spiel verlor. Aber er war definitiv mehr Teil des Problems als Teil der Lösung, und mit seinen Limitierungen kann er sich diesen Luxus nicht leisten. Das ist es, wer er ist und wer er immer war. Und deshalb hat San Francisco all diese Ressourcen investiert, um ein Upgrade zu finden.

Die zentrale Frage rund um die 49ers wird jetzt diese sein: Wie managt Shanahan die Quarterback-Position mit Beginn der Offseason - und wie holprig wird der Übergang zu Lance sein?

Ich gehe weiterhin davon aus, dass es diese Staffelstabübergabe vor der kommenden Saison geben wird, und nach der Art und Weise, wie Garoppolo in den Playoffs gespielt hat, umso mehr. Garoppolo steht Stand jetzt mit knapp 27 Millionen Dollar im Cap für 2022, über 25 Millionen davon könnten die Niners einsparen, wenn sie sich von ihm trennen.

Das ist viel Geld für ein Team, das 5,6 Millionen Dollar Cap Space hat und das mit unter anderem Jaquiski Tartt, Laken Tomlinson, K'Waun Williams und Tom Compton mehrere aktuelle Starter an die Free Agency verlieren könnte.

Wie gelingt der Übergang zu Trey Lance?

Shanahan hatte vor einigen Wochen erklärt, dass Lance im Dezember seinen besten Trainingsmonat hatte. Mit der öffentlichen Aussage des Head Coachs kann man machen, was man möchte, aber zumindest in puncto Mechanics und was das Verständnis der Offense angeht ist nachvollziehbar, dass Lance auch ohne Spielpraxis Fortschritte gemacht hat.

Am Ende des Tages brauchen junge Quarterbacks Spielpraxis, um sich an das Tempo, die Komplexität und die Athletik in der NFL zu gewöhnen; gerade wenn sie, wie Lance, auf einem niedrigeren College-Level gespielt haben und gerade wenn sie in ihrer letzten College-Saison - Corona-bedingt - nur ein einziges Spiel absolviert haben.

An dieser Einschätzung hat sich bei mir nichts geändert, und es ist durchaus möglich, dass die Niners in der Folge etwas holpriger in die kommende Saison starten, bis Lance sich besser zurechtfindet.

Wo ich aber vor zwei Monaten definitiv falsch lag, war bei den Chancen dieser Saison für die Niners, einen Playoff-Run hinzulegen. Nicht immer wegen und manchmal trotz ihm, aber Garoppolo funktioniert mit dieser Offense. Eben bis zu einem gewissen Grad.

Jetzt ist es Zeit für die Niners, herauszufinden, ob Lance dieser Elite-Quarterback werden kann, den Shanahan sucht. Und den er bisher nicht hatte.