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Taktik-Analyse zum Super Bowl: Die Offense der Los Angeles Rams - zu viel Feuerkraft für Cincinnati?

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt vor dem Super Bowl auf die Offense der Los Angeles Rams.
© getty
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Cooper Kupp: Elite-Receiver und Scheme-Profiteur

Es gab in dieser Saison vier Receiver, die mindestens 100 Targets und dabei im Schnitt mehr als 3,5 Yards Separation am Catch Point hatten - also der Abstand zum nächsten Verteidiger im Moment des Catches oder der Incompletion, gemessen nach Next Gen Stats. Cole Beasley, Buffalos reiner Slot-Receiver; Laviska Shenault, der in Jacksonville oftmals die Gadget-Rolle ausfüllte; Tyreek Hill und Cooper Kupp.

Kupp hat eine fantastische Saison gespielt. 2.333 Receiving-Yards, 20 Touchdowns, 170 Catches in 20 Spielen.

Und während er natürlich auch Cornerbacks schlug und Eins-gegen-Eins-Duelle gewann - PFF listet Kupp mit 755 Receiving-Yards und sieben Touchdowns gegen Man Coverage, sowie absurden 4,52 Yards pro gelaufener Route gegen Man - profitierte er gleichzeitig auch von McVay und von seiner Rolle in der Offense.

16 Receiver verzeichneten in dieser Saison, inklusive Playoffs, mindestens 1.100 Receiving-Yards - abgesehen von Kupp (2.333/Platz 1) waren Keenan Allen (1.138/Platz 14) und Chris Godwin (1.103/Platz 16) die einzigen Receiver in dieser Gruppe, die mehr als 60 Prozent ihrer Pass-Play-Snaps im Slot verbrachte. 66,5 Prozent der Snaps verbrachte Kupp im Slot.

Der Slot als Vorteil für den Receiver

Aus dem Slot heraus zu spielen hat mehrere Vorteile für einen Receiver. Meist bekommt er so einen relativ freien Release, weil der Cornerback ihn nicht direkt pressen kann. Die extremere Variante davon ist es, den Receiver ins Backfield zu stellen; auch das haben die Rams vereinzelt mit Kupp gemacht, um ihn von dort Routes laufen zu lassen.

Außerdem ist das ganze Feld für ihn komplett offen, dadurch, dass er so zentral auf dem Platz steht, können seine Routes nach innen oder nach außen cutten, und er kann schnell die Mitte des Feldes attackieren.

Und die Rams nutzen Kupp hier auch sehr vielfältig; auffällig ist unter anderem, dass seine durchschnittliche Target-Tiefe nur relativ wenig runter geht, wenn er aus dem Slot heraus spielt: Während etwa Davante Adams (7,1 Yards durchschnittliche Target-Tiefe) oder auch Ja'Marr Chase (7,6) eher in den Slot rücken, um Kurzpass-Aufgaben zu erledigen, bleibt Kupp (8,6) genauso eine Waffe im Kurzpass-Spiel wie auch im vertikalen Passspiel, ähnlich wie wenn er Outside spielt.

Spiel gegen Minnesota (Week 16), 10:02 noch im 1. Viertel, 19 Yards Raumgewinn

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© NFL Gamepass

Dieses Big Play im Spiel gegen die Vikings ist eines von vielen Beispielen dieser Saison dafür.

Die Rams befinden sich in der Aufstellung, die man von ihnen mit am häufigsten sieht: 11-Personnel, Beckham isoliert auf einer Seite der Formation, von wo aus er die Backside-Dig-Route läuft - dazu später mehr - und die beiden Receiver auf der anderen Seite.

Das Route-Konzept ist für Stafford relativ simpel: Beckhams Route sieht Pre-Snap relativ gut gecovert aus, sodass er eher die Frontside des Plays arbeitet - und hier funktionieren die Route-Kombinationen auch zusammen.

Van Jefferson räumt die Seite mit seiner vertikalen Route frei, Los Angeles kombiniert das mit einem Play-Action-Fake; ein angetäuschter Split Zone Run, wie Los Angeles ihn gerne auch tatsächlich läuft, mit dem Zone-Blocking der Line in die eine Richtung und dem Tight End als Backside-Blocker dahinter.

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© NFL Gamepass

Der Effekt davon ist überdeutlich sichtbar. Der Linebacker kommt zunächst nach vorne und arbeitet dann per "ROBOT-Technique" ("Roll Over and Back) nach hinten.

Das bedeutet, dass der Linebacker zunächst auf den Run reagiert, das ist seine erste Verantwortung. Sobald er registriert, dass es ein Pass ist, soll er sich umdrehen und die Augen auf die Routes in seinem Rücken statt auf den Quarterback richten, um mögliche Crossing-Routes zu eliminieren, die er per Backpedal nicht mehr erreichen würde.

Das macht das Fenster zu Beckham umso schwieriger. Doch der Slot-Corner auf der anderen Seite - also der Cornerback gegenüber von Kupp - hält die Augen etwas länger im Backfield, was Kupp mehr als genug Zeit verschafft.

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© NFL Gamepass

Outside-Corner Patrick Peterson geht mit Van Jefferson mit tief und ist damit aus dem Weg, und der tiefe Safety auf der Seite erkennt zwar das Problem und schießt nach vorne Richtung Cooper Kupp, doch als der Ball ankommt, hat Kupp viel Platz und kann den Pass problemlos sichern.

Spiel gegen San Francisco (Week 18), 5:36 noch im 4. Viertel, 30 Yards Raumgewinn

Plays wie dieses erste Beispiel aus dem Vikings-Spiel laufen die Rams auch gerne aus noch engeren Formationen - dann sieht es wirklich aus wie die Oldschool-McVay-Offense -, was es für die Defense noch schwieriger machen kann, den Run-Fake zu erkennen und mögliche Out-Breaking-Routes der Receiver zu verteidigen.

Aber wie bereits erwähnt: Die Rams sind in diesem Jahr auch ein Spread-Team, das nicht nur in die Empty-Backfield-Formationen - der Quarterback steht alleine im Backfield und alle fünf möglichen Pass-Fänger sind nach außen verteilt - geht, um den Ball schnell kurz zu verteilen. Sondern Los Angeles greift hieraus auch vertikal an, und das ist dann häufig Tight-End- oder eben Cooper-Kupp-Territorium.

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© NFL Gamepass

So wie bei diesem Beispiel gegen San Francisco.

Die Rams gehen hier in Spread Empty, mit drei Receivern auf der linken Seite. Und man sieht es schon anhand der Formation, Kupp ist der am besten "versteckte" Receiver in dieser Gruppe.

Viel wichtiger aber noch ist, dass er gegen die Single-High-Coverage der 49ers ein Eins-gegen-Eins-Matchup mit Safety Jimmy Ward bekommt - ein massives Mismatch zugunsten der Rams. In diese Spread-Sets zu gehen, gerade wenn die Defense Single High andeutet, kann im Super Bowl sehr gefährlich werden. Hier gilt es, Pre-Snap auf Kupp und das mutmaßliche Matchup ihm gegenüber zu achten.

Auch das ist etwas, das in dieser Saison häufiger auffiel. McVay schaffte es immer wieder, Kupp Downfield in Matchups mit gegnerischen Safeties zu bekommen. Manchmal hilft dabei auch die gegnerische Aggressivität, welche Kupp dann bestrafen kann. Wie auch bei diesem durch Kupps Interview nach dem Spiel viral gegangenen Play gegen Jacksonville.

Los Angeles Rams: Odell Beckham und die Backside Dig

Wenn man sich auf irgendeine Art und Weise auf diesen Super Bowl taktisch vorbereitet, wird man rund um die Rams kaum um die "Backside Dig" herumkommen, die schon fast etwas mystifiziert wird, seit Odell Beckham in Los Angeles ist.

Zunächst mal die Basics: Die Dig-Route ist eine weit verbreitete Route. Der Receiver läuft zunächst vertikal und setzt dann seinen Cut, um in einem 90-Grad-Winkel nach innen - also Richtung Ball - zu gehen. Das findet meist etwa zwölf bis 15 Yards Downfield statt, je nach Offense kann es auch noch etwas tiefer sein.

Die Backside beschreibt gewissermaßen die "zweite Seite" für den Quarterback in seinen Reads. Der Quarterback hat je nach Play-Design eine "Frontside", also die Seite der Formation, die er zuerst liest, wo sein primärer Read ist, wo im Idealfall schnell auch ein Receiver offen ist.

Ist das aber nicht der Fall, oder gefällt ihm der Read etwa aufgrund der Positionierung der Safeties für die Dig-Route, die naturgemäß etwas länger braucht, bis sie anspielbar ist - dann sind Big Plays über die Backside Dig möglich.

Spiel gegen San Francisco (CCG), 10:13 noch im 3. Viertel, 26 Yards Raumgewinn

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© NFL Gamepass

Dass gerade diese Route so oft aufkommt im Zusammenhang mit den Rams und OBJ hat vermutlich zwei Gründe: Beckham lief diese Route auch in Cleveland immer wieder, Baker Mayfield kam aber deutlich seltener in seiner Progression zu ihm - oder er traute seinem Arm nicht, den Ball dorthin zu bringen.

Dieses Problem hat Stafford definitiv nicht, die Szene hier aus dem NFC Championship Game unterstreicht das exemplarisch.

Stafford hat auf seiner rechten Seite drei Receiver, mit einer vertikalen Clear-Out-Route, einem möglichen schnellen Ausweg in die Flat zum Tight End, und Kupp, der die Mitte der Defense beschäftigt - was wiederum Räume für Beckham kreiert.

Stafford weiß das, und der Blick auf das Play aus seiner Perspektive lässt vermuten, dass er früh wusste, dass er zu Beckham gehen will.

Seine Augen gehen zuerst Richtung Frontside, was in jedem Fall dabei hilft, die Verteidiger in der Mitte des Feldes Richtung Cooper Kupp zu schieben. Doch als Beckham seinen Cut nach innen setzt, richtet Stafford schon die Füße neu aus und feuert den Ball rund 30 Yards das Feld runter.

Spiel gegen Minnesota (Week 16), 0:59 noch im 2. Viertel, 16 Yards Raumgewinn

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© NFL Gamepass

Die Rams kombinieren Beckham und die Dig-Route aber auch anderweitig in ihren Route-Konzepten, etwa wie hier im Spiel gegen Minnesota.

Dieses Mal stehen Kupp und Beckham auf der gleichen Seite der Formation, die Vikings zeigen Pre-Snap relativ deutlich eine Single-High-Coverage dagegen, mit dem zweiten Safety Underneath gegenüber vom Tight End.

Für die Defense ist das aus dieser Coverage besonders schwierig, weil Kupp und Beckham ihre Routes noch kreuzen, sodass der Slot-Corner nach außen gehen und der Outside-Corner aus einem sehr schlechten Winkel Beckham mit nach innen übernehmen muss.

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© NFL Gamepass

Der Safety ist sehr tief platziert, und während der Linebacker zwar gut Tiefe gewinnt, hat Stafford genug Zeit in der Pocket, um zu warten, bis Beckham in seinem Rücken an ihm vorbei ist, während der Outside Corner ihn verzweifelt verfolgt.

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