Die Philadelphia Eagles gehen mit zahlreichen Topspielern in den Super Bowl gegen die Kansas City Chiefs. Keiner scheint jedoch so wichtig für den Erfolg wie ihr einst so umstrittener Quarterback Jalen Hurts.
Patrick Mahomes wird sehr wahrscheinlich in der Nacht zum Freitag im Rahmen der NFL Honours zum zweiten Mal in seiner Karriere als MVP der NFL ausgezeichnet werden. Doch damit ist er nicht der einzige MVP-Finalist im Super Bowl. Sein Gegenüber, Jalen Hurts, hat ebenfalls sehr gute Argumente geliefert und wer weiß, wie die Wahl der Journalisten ausgefallen wäre, hätte er nicht zwei Spiele vor Saisonende verletzungsbedingt verpasst.
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Wie sich die Zeiten doch ändern. Vor gut drei Jahren noch herrschte Aufruhr unter den ohnehin selten gelassenen Fans der Philadelphia Eagles, als jene die völlig überraschende Entscheidung trafen, in Runde 2 des NFL Drafts 2020 Quarterback Jalen Hurts zu ziehen. Ein Quarterback so früh im Draft, wo man doch seinen Franchise-QB schon hatte und dieser langfristig gebunden war? Wer denkt sich bitte so etwas aus?
General Manager Howie Roseman! Die Eagles und Roseman verwiesen damals darauf, wie wichtig es ist, mehr als einen guten Quarterback zu haben. Auf diese Weise gewann man schließlich Super Bowl LII - mit Backup Nick Foles, weil sich Starter Carson Wentz auf dem Weg zum Titel das Kreuzband gerissen hatte.
Und auch wenn diese Argumentation an sich schlüssig erschien, war der Frust der Anhänger dennoch groß, schließlich zog man zuvor in Runde 1 lieber Jalen Reagor statt Justin Jefferson, was schon am Draft-Tag nur schwer nachzuvollziehen war.
Super Bowl LVII: Eagles leichter Favorit
Am Sonntag nun wird Hurts die Eagles anführen, wenn es darum geht, womöglich den zweiten Titel ihrer Geschichte zu holen. Sie gehen bei den Buchmachern als leichter (1,5 Punkte) Favorit ins Spiel und dürften in dieser Saison den besten Kader der NFL stellen. Wie The Athletic gegen Saisonende so treffend formulierte, fällt es schwer, hier den entscheidenden Mann herauszupicken, schließlich ist dieses Team gespickt mit Stars. Vermutlich ist auch dies der Hauptgrund, warum am Ende Mahomes der MVP wird und nicht Hurts - Mahomes musste allen voran mit komplett neuer Philosophie und neuem Receiving Corps antreten, während Hurts vor allem mit A.J. Brown einen neuen Star-Receiver dazu bekam.
Doch damit macht man es sich natürlich zu einfach, wenn man weiß, dass die Eagles mit Hurts inklusive des NFC Championship Games 16-1 waren - ohne ihn jedoch waren sie 0-2. Und zwar in Spielen, in denen sie den Top-Seed der NFC vorzeitig hätten perfekt machen können.
Die Entwicklung von Hurts ist ein maßgeblicher Grund für den sportlichen Höhenflug der Eagles in dieser Saison. In der Form absehbar war dies aber nicht unbedingt, wenn man bedenkt, wie Hurts hierher gekommen ist.
Hurts ist der Sohn des früheren High-School-Coaches Averion Hurts, der ihn an der Channelview High School in Channelview/Texas trainiert hat. Und von seinem Vater hat er, so ist es überliefert, auch diese ruhige, analytische Art mitbekommen, die es ihm ermöglicht, das Spiel und generell schwierige Situationen fokussiert zu betrachten.
Und Hurts war bereits an der High School ein Top-Athlet, weshalb er auch keine Zeit verschwendete, sich auf dem College schnell zu etablieren. Er spielte bereits als Freshman unter Nick Saban für Alabama und wurde in seiner ersten Saison zum Offensive Player of the Year in der SEC gewählt. Beides sieht man eher selten.
Jalen Hurts: Karriere-Knick im National Championship Game
Seine bis dahin geradlinige Karriere bekam jedoch einen gehörigen Knick, als er im National Championship Game nach der Saison 2017 nach schwacher erster Hälfte ausgewechselt und durch Freshman Tua Tagovailoa ersetzt wurde, der die Tide dann zu einem beachtlichen Comeback und zum Titel führte. Entsprechend war Tua dann auch der Starter in der folgenden Saison, während für Hurts nur noch die Reservistenrolle blieb.
Trotz dieses Schocks feierte Hurts nach dem gewonnen Championship Game ausgelassen mit seinen Kollegen und erklärte gegenüber ESPN: "Ich wusste, dass er reingehen und sein Ding machen würde. Tua ist für solche Dinge gemacht. Er hat das gewisse Etwas. Und ich freue mich sehr für ihn und für dieses Team."
Ein paar Wochen später sagte er zu ein paar High-School-Schülern in einem Camp: "Es geht nie um mich. Es geht immer um mein Team. Ich versuche immer, mein Team in den Vordergrund zu stellen", und beschrieb damit eindrucksvoll, was hinter seiner generellen Einstellung steckt.
Ein Jahr später wechselte er dann zu Oklahoma und trat die Nachfolge der Heisman-Gewinner Baker Mayfield und Kyler Murray an. Er gewann zwar keinen Heisman, spielte jedoch seine beste College-Saison in seinem Senior-Jahr und führte die Sooners ins College-Football-Playoff-Halbfinale. Anschließend ging es in die NFL.
Spricht man heute mit Quarterbacks Coach Brian Johnson über seinen Schützling Hurts, wird dieser nicht müde, zu betonen, dass Hurts keineswegs nur ein "Double Threat" sei mit seinem guten Arm und seiner Mobilität und Athletik. Hurts ist ein "Triple Threat". Man dürfe den Kopf nicht vergessen!
gettyJalen Hurts: Der Triple Threat
Hurts selbst erläuterte diese Umschreibung wie folgt: "Du musst die Gegner manchmal mit deinen Beinen schlagen, du musst die Würfe anbringen, wenn es im Passspiel sein muss. Und du musst sie mit deinem Verstand killen, mit dem, was du siehst und wie du darauf reagierst."
Hurts zeigte dies in der aktuellen Saison immer wieder und legte seine mit Abstand beste Spielzeit hin. Vor allem sei hier Hurts' "beschleunigte Sicht" ursächlich für seine rasante Entwicklung im Vergleich zu seinem Rookie-Jahr, wie Johnson The Athletic verriet.
Gemeint ist damit, dass der QB in erster Linie sehr lernfähig ist. Je mehr er das Spiel eines Gegners sieht, desto schneller könne er sich anpassen und die richtigen Schlüsse ziehen. Hurts ist darüber hinaus ein akribischer Arbeiter. Er ist ständig bemüht, sich weiterzuentwickeln. Zwischen Angriffsserien tauscht er sich während des Spiels häufig mit Johnson an der Seitenlinie aus. Sogar an Dienstagen, an denen die Spieler frei haben, taucht er häufig im Teamgebäude am späten Abend auf, um vor allem mit Johnson Tape zu schauen.
Um das Ganze abzurunden, verfügt Hurts zudem über sehr gute Instinkte, die es ihm erlauben, in den schwierigen Situationen das Richtige zu tun. Etwa, wenn er einen Ausweg per Scramble sucht. Eine Situation, in der er seine überlegene Athletik ausnutzen kann und damit die Offense der Eagles noch unberechenbarer macht.
Jalen Hurts: Äußerst präzise in der Pocket
Es wäre jedoch zu einfach, Hurts' Spiel nur an seiner Mobilität und seinem Improvisationstalent festzumachen. Hurts nämlich führte die NFL in dieser Saison mit einer Completion Percentage von 71,7 innerhalb der Pocket an. Und das zeigt, wie wichtig er insgesamt für diese Offense ist.
Er beantwortete damit eindrucksvoll auch die Fragen der Vorsaison und dieser Offseason, ob er denn auch als Passer konstant sein und den Unterschied machen kann. Seine stete Verbesserung gerade in der Passquote spricht dabei Bände - von 52 Prozent in nur vier Starts 2020 bis zu 66,5 Prozent in 15 Spielen 2022.
Jalen Hurts: Statistiken in der NFL
Saison | Spiele/Starts | Passquote | Yards | Touchdowns | Interceptions | Rushing Yards | Rushing TD |
2020 | 15/4 | 52,0 | 1061 | 6 | 4 | 354 | 3 |
2021 | 15/15 | 61,3 | 3144 | 16 | 9 | 784 | 10 |
2022 | 15/15 | 66,5 | 3701 | 22 | 6 | 760 | 13 |
Wenn Hurts spielt, waren die Eagles in diesem Jahr eine Macht. Von 17 Spielen verloren sie nur eins und von den 16 Siegen waren nur deren fünf mit sieben oder weniger Punkten Vorsprung.
Die Eagles haben viele beeindruckende Leistungsträger. Doch keiner dürfte so wichtig sein für den Erfolg wie Quarterback Jalen Hurts.