Die Las Vegas Raiders gehen einmal mehr in eine richtungsweisende Saison, haben sich durch ein paar kontroverse Entscheidungen aber schon weit vor dem ersten Spiel gehörig selbst unter Druck gesetzt. Hinzu kommt ein enormes Risiko, das den neuen Quarterback betrifft.
Die Las Vegas Raiders kommen einfach nicht zur Ruhe. Im zweiten Jahr unter Head Coach Josh McDaniels sollte eigentlich alles besser werden, speziell auf dem Platz, wo das Team im Vorjahr und nach dem Gruden-Fiasko lange brauchte, um in die Spur zu finden. Zu lange, um letztlich eine Rolle im Playoff-Rennen zu spielen.
Eine Hauptrolle in diesem neuen Konstrukt soll eigentlich Quarterback Jimmy Garoppolo übernehmen, der die Nachfolge von Derek Carr antritt, der trotz erst kürzlich unterzeichneter Vertragsverlängerung noch vor Inkrafttreten dieser wieder entlassen wurde. Es passte einfach nicht zwischen dem QB und dem neuen Coach. Er hatte schlicht nicht das Gespür für McDaniels' Scheme und Play-Calling.
Ein Problem, dass Jimmy G nicht haben wird, schließlich kennt er McDaniels bereits seit seiner Rookie-Saison 2014 bei den Patriots. Doch jener Garoppolo kam eben auch nicht ohne Fragezeichen - erhebliche Fragezeichen, wie sich erst vor wenigen Wochen zeigte.
Angedeutet hatte es sich schon in der ersten Woche der Free Agency, als die obligatorische Vorstellung des neuen QBs plötzlich und ohne Erklärung um einen Tag verschoben wurde. Details waren noch zu klären, nichts Schlimmes, hieß es.
Las Vegas Raiders: Addendum G
Nun wissen wir, was die Vollendung des Vertrags, der auf dem Papier aussieht wie ein Dreijahresvertrag über mehr als 72 Millionen Dollar, verzögert hat. Im Kleingedruckten steht nämlich nun ein "Addendum G", eine Verzichtsklausel, die besagt, dass dieser Vertrag nur Zustande kommt, weil der Spieler auf jegliche möglichen Regressforderungen gegen die Raiders oder die NFL verzichtet.
Denn beim Medizincheck stellte man eine offenbar gravierende Fußverletzung fest, die zwar mittlerweile operativ behoben wurde, aber dennoch ein beträchtlich erhöhtes gesundheitliches Risiko für Garoppolo und dessen Zukunft mit sich bringt. Es ist die Rede von möglicher "permanenter Behinderung, Verlust der Beweglichkeit und anderen Problemen, die mit dem linken Fuß zusammenhängen", wie das NFL Network zitierte.
Zudem können die Raiders den kompletten Vertrag schon vor der anstehenden Saison ohne Probleme auflösen, sollte Garoppolo den Medizincheck zum Start des Training Camps aufgrund seines linken Fußes nicht bestehen.
Zwar zeigte man sich aufseiten der Raiders zuletzt optimistisch, dass Garoppolo fit in die Saison gehen wird, doch reden wir hier über einen Spieler, der in neun Jahren in der NFL - die letzten sechs davon mehr oder weniger durchweg als Starter - im Grunde nur zweimal relativ gesund durch die Saison gekommen ist. Nur zweimal machte er mindestens 15 Spiele, im Vorjahr waren es bis zu seiner Fußverletzung immerhin 11 (10 Starts) nach dem frühen Aus für Trey Lance bei den 49ers.
Jimmy Garoppolo: Seine Saisons als Starter bei den 49ers
Saison | Spiele (Starts) | Yards | Touchdowns | Interceptions | QBR |
2017 | 6 (5) | 1560 | 7 | 5 | 82,7 |
2018 | 3 (3) | 718 | 5 | 3 | 27,5 |
2019 | 16 (16) | 3978 | 27 | 13 | 60,8 |
2020 | 6 (6) | 1096 | 7 | 5 | 54,0 |
2021 | 15 (15) | 3810 | 20 | 12 | 53,3 |
2022 | 11 (10) | 2437 | 16 | 4 | 54,3 |
Dahinter wiederum sind die Raiders äußerst dünn besetzt. Der ewige Brian Hoyer kennt McDaniels' Scheme aus vielen gemeinsamen Jahren in Foxboro, doch ist er eher ein Mentor für andere QBs und sicherlich kein Starter in der NFL. Und dann wäre da noch Viertrundenpick Aidan O'Connell, von dem McDaniels vor dem Draft schon schwärmte. Allerdings dürfte er aktuell noch nicht mehr als ein Projekt für die Zukunft sein.
Die Raiders, bei denen Gerüchten zufolge McDaniels sein erstes Jahr am Ruder nur deshalb überstand, weil Owner Mark Davis eine Entlassung schlicht zu teuer gewesen wäre, gehen also gewissermaßen auf einem Drahtseil in die neue Saison.
gettyLas Vegas Raiders: Wenig Substanz auf Schlüsselpositionen
Und das gilt nebenbei bemerkt nicht nur für die Quarterback-Position. Speziell die Defense dürfte große Sorgen bereiten. Hier fehlt es weiter an Qualität, selbst wenn man mit Edge Rusher Tyree Wilson früh im Draft zumindest eine Großbaustelle beackert hat. Die Secondary und auch das Linebacker Corps bleiben große Fragezeichen. Offensiv gilt das indes auch für die Offensive Line, ein Schwachpunkt, der durch die bekannte Verletzungsanfälligkeit des neuen Quarterbacks noch potenziert wird.
Immerhin das Receiving Corps bleibt auch hinter Davante Adams imposant, nun muss Garoppolo nur noch aufrecht und insgesamt gesund bleiben, um sich diese Stärke zu Nutzen zu machen.
Unterm Strich geht es hier nicht nur darum, zum dritten Mal seit Super Bowl XXXVII (nach der Saison 2002) die Playoffs zu erreichen, es geht schlicht auch um Josh McDaniels' Zukunft als Head Coach in Vegas und der NFL. Es ist seine zweite Chance nach der Enttäuschung in Denver 2010. Eine dritte bekommen nur ganz wenige Coaches und in der Regel nur solche, die irgendwelche Erfolge vorzuweisen haben. McDaniels' bislang beste Saison war 8-8 im Jahr 2009.
Und Ausreden hat er ohnehin keine mehr. Schon im Vorjahr begannen er und sein handverlesener General Manager Dave Ziegler, den Kader umzukrempeln und sich von Gruden-Altlasten zu befreien. Carr ist die Krönung dessen, schockierender war danach allerdings der Trade mit den Giants für Tight End Darren Waller, der sicherlich die zweitbeste Offensivwaffe des Teams hinter Adams war.
Rein sportliche Gründe werden es nicht gewesen sein, die dazu führten. Ebenso wenig waren es sportliche Gründe, die McDaniels damals in Denver dazu brachten, den talentierten QB Jay Cutler gegen Durchschnittsbackup Kyle Orton nach Chicago zu schicken. Ein unsinniger Move, der wohl letztlich ein zentraler Punkt bei seinem nicht allzu viel späteren Fall war.
gettyLas Vegas Raiders: AFC West besser als im Vorjahr
McDaniels macht die Dinge auf seine Weise - und nur seine Weise. Daran allerdings muss er sich nun auch messen lassen. Und die Tatsache, dass die AFC West wie schon im Vorjahr auf dem Papier imposant ist, dürfte ihm dabei nicht helfen.
Und er sollte auch nicht darauf hoffen, dass die Chargers und besonders Broncos ein weiteres Jahr deutlich unter ihren Möglichkeiten bleiben werden - die Chargers engagierten einen neuen Offensive Coordinator, die Broncos haben mit Sean Payton nun wieder einen äußerst fähigen Head Coach ...
In diesem Haifischbecken muss man erstmal bestehen, besonders, wenn man sich so sehr selbst unter Druck gesetzt hat wie McDaniels seit seiner Ankunft in Vegas.