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NFL: Vorgeschmack auf den Super Bowl? Warum San Francisco 49ers vs. Baltimore Ravens ein echter Kracher wird

Von Constantin Eckner
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Die beiden womöglich besten Teams der NFL duellieren sich in der Nacht auf Dienstag (2.15 Uhr) im Levi's Stadium, wo die San Francisco 49ers die Baltimore Ravens empfangen. Es könnte eine Vorschau auf Super Bowl 58 im Februar sein. In jedem Fall wird es das Kräftemessen zwischen einer gefürchteten Offensive und einer dominanten Defensive.

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Beide Teams stehen aktuell bei 11-3 und besetzen vor Woche 16 den Top Seed ihrer jeweiligen Conference. Das letzte Aufeinandertreffen gab es im Jahr 2019, als die Ravens mit 20-17 gewannen und Lamar Jackson eine für ihn damals typische Leistung zeigte - er warf für 105 und lief für 101 Yards.

San Francisco 49ers vs. Baltimore Ravens: Was macht die Teams so stark?

Beide Teams verfügen jeweils über Top-5-Defensiven und -Offensiven. Diese generelle Stärke in allen Phasen des Spiels macht sie auch momentan zu den Favoriten auf eine Super-Bowl-Teilnahme. Es geht soweit, dass beide sogar in historischer Relation beeindruckend aufspielen. Laut Aaron Schatz von FTNNetwork liegen die Niners momentan mit ihrem DVOA-Wert (Defense-adjusted Value Over Average) auf Rang drei aller NFL-Teams mit 14 absolvierten Spielen seit 1981. Die Ravens liegen auf einem beachtlichen elften Rang.

Das größte Prunkstück der Ravens ist die Defensive unter Leitung von DC Mike Macdonald. Natürlich redet man gerne über die starke Linebacker-Gruppe, die zusammen mit der Front bereits 50 Sacks verbuchen konnte. Allerdings spielt Baltimore keineswegs einen Stil, der nur auf Druck ausgelegt ist. Stattdessen sind die Ravens eines der besten Teams, wenn es darum geht, Druck zu simulieren. Vermeintlicher All-Out-Pressure kann sich nach dem Snap schnell transformieren, indem mehrere Ravens in Cover zurückfallen. Linebacker Roquan Smith und der variable Safety Kyle Hamilton sind die Eckpfeiler der Defensive, die es jeweils sehr gut verstehen, bis zum Snap ihre genaue Funktion nicht preiszugegeben.

Der Defensivstil der Ravens könnte sich als großer Test für San Franciscos Quarterback Brock Purdy entpuppen. Wird Purdys Spielverständnis und Entscheidungsschnelligkeit nicht häufig genug auf die Probe gestellt, kann der 23-Jährige für gewöhnlich Drives mit relativer Sicherheit anführen. Die Offensive von San Francisco ist ohnehin eine ganz besondere, weil System-Quarterback Purdy ein tausendteiliges Taschenmesser zur Verfügung steht. Ein weitgehend fitter Christian McCaffrey ist der dominanteste Running Back der NFL, der neben sich den explosiven Deebo Samuel, den schwer zu kontrollierenden Routen-Läufer Brandon Aiyuk und den wohl besten Two-Way-Tight-End George Kittle sowie den Block-starken Fullback Kyle Juszczyk hat.

Purdy bringt sich nach einer kurzzeitigen Schwächephase mittlerweile sogar für den MVP Award ins Gespräch. Die Secondary der Ravens wird ihn vor einige Herausforderungen stellen, aber dieses Spiel ist auch die Gelegenheit für Purdy, nochmals zu beweisen, welch ein hervorragender Passspieler er ist. Die Layered Passes über die Mitte in die zweite Ebene hinein, also hinter die Linebacker, verbunden mit den In-Routes mehrere Receiver sind zuweilen eine Augenweide und sollten von Purdy auch am Montagabend versucht werden.

Die Niners setzen gegen Man Coverage besonders oft aufs Passspiel - die Erfolgsrate gegen Man Coverage liegt bei Dropbacks bei fast 58 Prozent, 16 Prozent über dem Ligadurchschnitt. Gegen Zone Coverage wiederum erfolgt in weniger als 50 Prozent der Fälle der Dropback, womit die Niners auch hier eine Besonderheit darstellen. Mit ihrem 21 Personnel versuchen die Niners vorm Snap herauszufinden, wie das Defensive Scheme des Gegners aussieht. Nur sind die Ravens vielleicht jenes Defensivteam, das sich am schwersten lesen lässt. Deshalb ist das hier ein Top-Spiel.

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San Francisco 49ers vs. Baltimore Ravens: Wo sind ihre Schwächen?

Die Defensive der Niners ist natürlich an einigen Stellen ebenso angsteinflößend, erst recht seit dem Trade von Chase Young. Jedoch hadert San Francisco aktuell mit einigen Verletzungen. Gegen die Cardinals fehlten die beiden Defensive Tackles Arik Armstead und Javon Hargrave, was sich des Öfteren bemerkbar machte. Selbst wenn beide fit werden, bleiben Bedenken hinsichtlich der Laufdefensive der Niners.

Ein physischer Running Back wie James Conner von den Cardinals konnte nicht nur Lücken finden, sondern auch seine überlegene Physis gegen die etwas kleineren Linebacker der Niners einsetzen. Die Ravens haben dafür nicht nur Gus Edvards, sondern natürlich auch Lamar Jackson, der zuletzt in mehreren Spielen wieder zur Höchstform auflief.

Jedoch ist die Ravens-Offensive nicht über alle Zweifel erhaben. Fragezeichen betreffen vor allem die Ausrichtung eben jener durch OC Todd Monken, der das Scheme von Vorgänger Greg Roman recht deutlich verändert hat. Vereinzelt wirkte es in dieser Saison so, als würden die Ravens ihren Quarterback zu sehr zum Passspiel treiben. Zuletzt stimmte die Mischung und Jackson zeigte zunehmende Brillanz, wenn er ein Mitglied seines Receiver Corps finden wollte.

Zu diesem Corps wird Mark Andrews bekanntlich nicht zählen. Es gibt auf den Außen und noch wichtiger im Slot trotzdem mehrere athletische Optionen, die gegen Man Coverage für erfolgreiche Plays sorgen sollten. Allerdings könnte die Verletztensituation - Offensive Tackle Ronnie Stanley ist zum Beispiel fraglich - den Ravens auf dieser Seite des Balles ein Stück weit schaden.

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San Francisco 49ers vs. Baltimore Ravens: Was ist der jeweilige X-Faktor?

Bei den Niners ist es der Head Coach - und das ist kein Affront gegen John Harbaugh. Jedoch hat Kyle Shanahan einen derart großen Einfluss und steht nicht zuletzt mit seinem Play Design für den Erfolg der Niners. Wie sich seit mehr als einem Jahr zudem eine derart fruchtbare Zusammenarbeit mit einem eigentlich Mr. Irrelevant ergibt, ist schon aus erzählerischer Sicht faszinierend.

Konkret auf das Spiel bezogen, ist vom 44-Jährigen zu erwarten, dass er sich einige Motions überlegt, um zum Beispiel drei-vier Receiver auf eine Seite zu ziehen, um das Timen eines Blitzes zu erschweren und/oder eine Slot-Route auf der anderen Seite zu ermöglichen. Darüber hinaus wird Shanahan als Purdy-Flüsterer gefragt sein, indem er seinem Quarterback so gut es geht gegen die Camouflage-Defensive der Ravens hilft.

Bei den Ravens ist und bleibt der X-Faktor trotz einiger Monster in der Secondary weiter Lamar Jackson. Mit ihm steht und fällt der Erfolg der Ravens in solchen Blockbuster-Spielen. Natürlich hat Jackson zuletzt einige bockstarke Vorstellungen hingelegt und währenddessen seine Laufzahlen wieder nach oben getrieben. Als klassischer Pocket-Passer hat sich Jackson in diesem Jahr erheblich gesteigert, obwohl er immer eine kleine Wundertüte bleibt.

Fast noch wichtiger aber ist sein Arsenal, wenn er improvisieren muss. Die schnellen Cuts während Scrambles und seine Side Arm Throws sind selbst in einer Zeit, in der die meisten Quarterbacks mobil und athletisch sind, noch etwas Besonderes. Die Defensive der Niners wird Jackson gewissermaßen dazu zwingen, aggressiv zu spielen. Auf den Außenseiten warten zwei durchbruchsstarke Rusher, während sich in der Mitte eine Lücke auftun könnte.

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Brock Purdy vs. Lamar Jackson: Wer ist der MVP?

Manch einer wird sagen, dass die richtige Antwort auf diese Frage Christian McCaffrey lautet. Die Buchmacher sehen jedoch Purdy vorn. Im Vergleich der beiden Quarterbacks und mit Blick auf die MVP-Frage ergibt sich eine interessante Debatte. Jackson mag der klassische Unterschiedsspieler sein, wie ihn ja so viele Top-QBs darstellen. Er ist in einem Teamsport der entscheidende Einzelkönner, der mit seinen besonderen Fähigkeiten und mit seiner Präsenz im Spiel heraussticht.

Purdy wiederum mag nicht dieser natürliche Überspieler sein, aber er ist der genialste Spiellenker in der NFL momentan. Seine Herangehensweise besteht nicht darin, im Notfall alles selbst in die Hand zu nehmen, wie es Patrick Mahomes, Josh Allen oder eben auch Lamar Jackson gerne mal tun. Purdy setzt die Anweisungen seines Trainers um, nutzt die Schemes vorm Snap, um sich ein Bild zu machen, bringt seine Mitspieler in Position, gibt notwendige Anweisungen, begeht ganz wenig unnötige Fehler, sobald der Ball einmal im Spiel ist, und versucht zum Ende eines Plays hin die intelligenteste Entscheidung zu treffen.

Er zeigt ein Maß an Selbstdisziplin und Selbstbeschränkung, das ungewöhnlich für einen Nummer-eins-Quarterback ist. Damit ist Purdy jedoch auch in purer Form der "wertvollste Spieler" seines Teams, das noch dazu aktuell das wohl stärkste in der gesamten NFL ist.

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Sehen wir schon das Super-Bowl-Matchup?

Bekanntlich sprechen aktuell die Vorhersagen dafür, dass sich diese beiden Teams im Super Bowl wiedersehen werden. In solch einem Fall könnte der Ausgang dieser Regular-Season-Partie eine Strahlkraft bis in den Februar hinein entwickeln. Aber wir haben in dieser Saison häufig genug erlebt, wie eng die NFL auch an der Spitze ist.

Selbst die Buffalo Bills können mit einer Bilanz von aktuell 8-6 nicht abgeschrieben werden. Die Miami Dolphins haben vielleicht noch keinen Top-Gegner bezwungen, aber sie könnten diese Schwelle noch überschreiten und Ansprüche auf eine Super-Bowl-Teilnahme anmelden. Was aus den wankelmütigen Dallas Cowboys wird, weiß keiner so recht. Die Eagles schwächeln vielleicht gerade, aber verfügen über einen qualitativen Top-Kader und die Chiefs mögen straucheln, doch Mahomes bleibt Mahomes.

Fakt ist jedoch auch, dass sich - Stand jetzt - die beiden stärksten Teams duellieren und eine Wiederauflage von Super Bowl XLVII, damals der "The Harbaugh Bowl", nicht so unwahrscheinlich ist. Wer jedoch gegenüber den Beteiligten jetzt schon vom Super Bowl in Las Vegas spricht, könnte eine ähnliche Reaktion wie jene von Mike McDaniel in dieser Woche erhalten - with all due respect.

NFL: Diese Teams wären aktuell in den Playoffs

AFCNFC
Platz 1Ravens (11-3)49ers (11-3)
Platz 2Dolphins (10-4)Cowboys (10-4)
Platz 3Chiefs (9-5)Lions (10-4)
Platz 4Jaguars (8-6)Buccaneers (7-7)
Wild CardBrowns (9-5)Eagles (10-4)
Wild CardBengals (8-6)Rams (8-7)
Wild CardColts (8-6)Vikings (7-7)
VerfolgerTexans (8-6)Seahawks (7-7)
VerfolgerBills (8-6)Saints (7-8)