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"Das ist eine Championship-Truppe": Von wegen Super-Bowl-Blues - die San Francisco 49ers sind auch in diesem Jahr ein Contender

Von Constantin Eckner
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Manch einer prognostizierte den Absturz der San Francisco 49ers in dieser NFL-Saison, nicht zuletzt aufgrund der großen Unruhe im Sommer. Der souveräne Auftaktsieg im Monday Night Game gegen die New York Jets zeigte jedoch: Head Coach Kyle Shanahan steht noch immer ein Super-Bowl-würdiges Team zur Verfügung - das mit den Jets aktuell nur eine Sache gemeinsam hat.

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San Francisco 49ers: Keine Spur von Super-Bowl-Blues

Ein Wortspiel à la "Vizekusen" für die San Francisco 49ers ist bislang noch nicht gelungen. Aber Fakt ist, dass in der Kyle-Shanahan-Ära der ganz große Wurf noch fehlt. Die jüngste Pleite im Super Bowl LVIII gegen die Kansas City Chiefs war eine ganz besonders schmerzhafte: Nicht nur waren die Niners ganz nah dran am Sieg - nicht zum ersten Mal übrigens -, es könnte sich auch alsbald das Titelfenster für den aktuellen Kader schließen. Schließlich würde die mit Starspielern gespickte Franchise aus der Bay Area nach aktuellem Stand im kommenden Jahr 12 Millionen über der Salary-Cap-Grenze liegen. Da ist eine mögliche Vertragsverlängerung von Quarterback Brock Purdy, der aktuell lediglich 985.000 Dollar pro Jahr erhält, noch gar nicht einkalkuliert.

Umso ärgerlicher war es, dass im Sommer zwei Leistungsträger um eine Gehaltsaufbesserung feilschten und sogar damit drohten, den Saisonstart auszusitzen. Natürlich können die Beweggründe von Left Tackle Trent Williams und Wide Receiver Brandon Aiyuk nachvollziehbare sein. Williams etwa gehört seit Jahren zu den besten Spielern auf seiner Position und wollte im Alter von 36 Jahren noch einmal richtig Kasse machen. Aiyuk wiederum musste wie nahezu kein Zweiter um die Anerkennung Shanahans kämpfen: Obwohl er an 25. Stelle im Draft 2020 ausgewählt worden war, spielte er anfangs keine wirkliche Rolle, weil der Head Coach ihn erst formen wollte.

Schlussendlich standen aber sowohl Williams als auch Aiyuk auf dem Feld, als die Niners in der Nacht von Montag auf Dienstag die abschließende Partie von Week 1 bestritten. Gegen die noch recht schwer einzuschätzenden New York Jets rund um Rekonvaleszent Aaron Rodgers war eine erste Standortbestimmung zu erwarten: Hatte man den Super-Bowl-Blues und die ereignisreiche Offseason wegstecken können? Die Antwort beim 32:19-Erfolg fiel eindeutig aus.

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San Francisco 49ers: Kyle Shanahan kann auch ohne Christian McCaffrey

Es ist eine reichlich undankbare Aufgabe, zum Saisonauftakt auf die Niners zu treffen, schließlich hatte Offensiv-Guru Shanahan den gesamten Sommer über Zeit, sich Plays für genau dieses Spiel zu überlegen. Noch dazu gegen seinen ehemaligen Defensive Coordinator Robert Salah, aktuell Head Coach bei den Jets: Das Duo trieb sich einst in den Büros der 49ers gegenseitig zu Höchstleistungen an, und wohl auch schon vorher bei den Texans: Dort coachten beide vor gut 15 Jahren diverse Positionsgruppen - der eine offensiv, der andere defensiv.

Im ersten direkten Duell als Head Coaches hatte Shanahan eindeutig die Nase vorn. Das liegt natürlich auch an seinem hochkarätigen Kader, der noch mit einem äußerst billigen, aber guten Quarterback auskommen kann. Doch auch das Scheming ist ein entscheidender Faktor im Erfolg der Niners, wie im Laufspiel gegen die Jets wieder einmal deutlich wurde: Da Superstar Christian McCaffrey aufgrund einer Waden- und Achillesverletzung etwas überraschend nicht auflaufen konnte, wurde sein Backup Jordan Mason ins kalte Wasser geschmissen.

Mason war 2022 als ungedrafteter Rookie von Georgia Tech nach San Francisco gekommen und hatte bis Montag nie mehr als 27 offensive Snaps in einer Begegnung gespielt. Am Ende stand ein persönlicher Rekord zu Buche: 28 Läufe für 147 Yards Raumgewinn. Mason war zugleich erst der sechste Niners-Spieler in der NFL-Ära, der bei seinem Startdebüt direkt mehr als 100 Yards erlief. Es könnte sehr gut sein, dass das Team angesichts dieser Performance auch in den kommenden Wochen auf McCaffrey verzichten wird - zumal die Partien bei den Minnesota Vikings und Los Angeles Rams jeweils auf Kunstrasen ausgetragen werden.

Aber Mason war nicht der einzige Lichtblick. Generell lief bei den Hausherren nahezu alles rund. Williams etwa ließ in seiner Rolle als Offensive Tackle keinen einzigen Pressure gegen Purdy zu, das Pass-Blocking funktionierte generell überragend. Deebo Samuel (77 Yards, TD) war mal wieder eine Allzweckwaffe, Jauan Jennings fing alle fünf Pässe in seine Richtung. Lediglich Aiyuk fiel etwas ab und ließ kurz vor der Halbzeitpause einen vermeintlich sicheren Touchdown-Pass fallen. Doch das war an diesem Tag zu verschmerzen: Acht mit Punkten abgeschlossene Drives hintereinander (6 Field Goals, 2 TDs) hatte das Team seit mindestens 1978 nicht geschafft.

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Klare Niederlage: Den New York Jets fehlen die zweiten Optionen

Für die Jets, die ebenfalls Super-Bowl-Ambitionen hegen, war es ein guter Anschauungsunterricht. "Das ist eine Championship-Truppe. Sie haben uns gezeigt, was Championship-Football ausmacht", sagte Saleh anerkennend.

Zumindest in Sachen Titelfenster geht es beiden Teams ähnlich. Zwar will Rodgers nach eigener Aussage noch einige Jahre spielen, aber angesichts seines Alters sollte man nicht groß über diese (und vielleicht nächste) Saison hinaus planen. Bei seinem Comeback nach dem erlittenen Achillessehnenriss im Auftaktspiel 2023 lieferte der mittlerweile 40 Jahre alte Quarterback eine sehr respektable Leistung ab. Über viel Mobilität verfügt er aber freilich nicht mehr, und so geriet er einige Male unter großen Druck, weil die mittelmäßige O-Line mehrfach in Schwierigkeiten geriet. Immerhin: Aus der Pocket heraus kann Rodgers das Feld weiterhin hervorragend lesen.

Das größte Problem der Jets besteht darin, dass ihnen anders als den Niners die zweiten und dritten Optionen fehlen. In der Offensive ist Garrett Wilson aktuell der einzige hochkarätige Wide Receiver, im Running Game wird es hinter Breece Hall dünn. Der beste Beweis: Rodgers' Touchdown-Pass zu seinem langjährigen Mitstreiter Allen Lazard war das erste erfolgreiche Play der Jets, bei dem weder Wilson noch Hall involviert waren - und zwar kurz vor Ende des 3. Viertels.

Zu Beginn der Partie im Levi's Stadium harmonierten gerade Rodgers und Wilson gut miteinander. Doch als die Niners zunehmend in der Lage waren, den Receiver aus dem Spiel zu nehmen, fehlten seinem Quarterback die Alternativen. Eine mögliche Nummer zwei im Depth Chart ist Veteran Mike Williams, welcher jedoch nach einer Knieoperation gerade erst sein Comeback gefeiert hat: Der 29-Jährige sah nur wenige Snaps und wurde kein einziges Mal angespielt.

Die hochgepriesene Jets-Defensive lieferte ebenfalls nur selten ab. Gerade in der Verteidigung der Laufspielzüge wurde das Team aus East Rutherford physisch dominiert, Mason holte stolze 94 seiner 147 Yards "before Contact". Im Pass Rush fehlte der weiter streikende Defensive End Haason Redick. Gleichzeitig musste die eigentlich so starke Secondary Federn lassen: Die Jets verfügen auf dem Papier über die beste Cornerback-Cornerback-Nickel-Kombo der Liga, aber aus diesem Trio darf keiner fehlen. Als Top-Corner Sauce Gardner im 2. Viertel für neun Snaps draußen war, weil er sich nach einem Tackle erholen musste, brachte Purdy prompt sechs Pässe in Serie an den Mann.

Fazit: Für die Jets ist es noch ein gutes Stück Weg in die NFL-Elite, gerade von der Defensive hatte man mehr erwartet. "Wir werden diesen Sch*** in den Griff kriegen", polterte Saleh. Immerhin hat man das auf dem Papier vielleicht schwerste Spiel der Saison nun bereits hinter sich. "Das war ein hartes Eröffnungsspiel für uns, was die Reisestrapazen und den Spielplan angeht", gab auch Rodgers zu, wollte aber keine Entschuldigungen gelten lassen: "Wir werden zurückkommen."

Die Niners haben derweil erst einmal alle Kritiker Lügen gestraft. Die Saison ist lang, aber der fünffache Champion hat einmal mehr eine schlagkräftige Einheit zu bieten, die nicht zuletzt auch aufgrund des versierten Head Coaches eine realistische Chance auf einen Super-Bowl-Ring zu haben scheint. Wenn auch vielleicht zum letzten Mal.

NFL: Die nächsten Spiele der 49ers und Jets

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