Überflieger mit eigenem Patent

Michael Graßl
11. Februar 201515:42
Johnny Gaudreau mischt die NHL aufgetty
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Johnny Football war gestern, Johnny Hockey ist heute: Bei den Calgary Flames wächst ein neuer Superstar heran. Dabei hat der junge Johnny Gaudreau einen famosen Durchbruch vom College weg hingelegt. Ohne eine Entscheidung seines Bruders und eine wegweisende Regeländerung wäre das vielleicht nie möglich gewesen. Doch Gaudreaus Berater musste jetzt in den Hype um seinen Namen eingreifen.

Blitzlichter. Kameras. Mikrofone. Für NHL-Spieler gehört das zum täglichen Brot. Eigentlich. Als die Los Angeles Kings am 29. Dezember 2014 bei den Calgary Flames gastierten, wurden die Spieler der Flames regelrecht überrumpelt. Denn im Gepäck der Kings war eine riesige Schar an wissbegierigen Journalisten.

Ihr Ziel: Ein kleiner, unscheinbarer Mann. Besonders der Name des jungen Stürmers lockte die Reporter aus Hollywood nach Kanada. Johnny Hockey. Ein Name, wie er nicht prädestinierter für einen Eishockey-Spieler sein könnte.

Dabei heißt Johnny Hockey eigentlich nicht Johnny Hockey, sondern Johnny Gaudreau. Den Spitznamen "Hockey" gaben ihm seine Kollegen am College, als er mit tollen Leistungen und spektakulären Toren auffiel. Ein Erfolg, der ihn zwangsläufig mit Johnny Manziel verbindet.

Manziel wurde landesweit ein Star, als er fast zeitglich zu Gaudreau auf dem College mit herausragenden Leistungen berühmt wurde. Nicht im Eishockey, dafür beim Football. So wurde neben Johnny Hockey auch ein Johnny Football geboren. Beide haben inzwischen ein Patent auf ihren Spitznamen angemeldet, auch das ist eine Parallele.

Wenn der Knoten erstmal platzt

Nun haben beiden den direkten Sprung vom College in die NHL beziehungsweise NFL gewagt. Im Gegensatz zur Marke Johnny Football hat die Marke Johnny Hockey in der Spielzeit 2014/15 aber den Durchbruch im Profisport der USA geschafft.

Mit 40 Punkten aus 53 Spielen spielt der 21-jährige Gaudreau eine starke Debüt-Saison. Die ersten sechs Saisonspiele blieb der Left Wing zwar blass, aber dann platzte der Knoten.

"Wenn er diesen schlechten Start brauchte, dann Respekt an ihn, denn er ist umso stärker zurückgekommen", sagt Flames-Coach Bob Hartley. Besonders der Dezember wurde zu seinem Monat, als er gegen niemand geringeren als Jonathan Quick seinen ersten NHL-Hattrick erzielte.

Die Liga zeichnete ihn anschließend zum First Star of the Week in der letzten Dezember-Woche aus und kürte ihn zum Rookie des Monats.

"Er übertrifft alle"

Trotz all der Ehren, es waren beileibe nicht die ersten Auszeichnungen, die der aktuellen Nummer 13 der Flames zu Teil wurden. Bereits in seiner erfolgreichen College-Zeit war Gaudreau Stammgast unter den Nominierten.

"Er ist der beste Spieler im College-Eishockey. Er übertrifft alle", sagte Albie O'Connell, einer seiner Entdecker. Kurz darauf erhielt er den Hobey Baker Memorial Award 2014 und wurde als bester männlicher College-Spieler geehrt. Das war auch die Zeit, als aus Johnny Gaudreau Johnny Hockey wurde.

Schenkt man Jim Montgomery Glauben, könnte aus Johnny Gaudreau auch ein Johnny Datsyuk oder ein Johnny Kane werden. "Er macht Dinge, die man sonst bei niemandem sieht, genau wie Datsyuk", so sein ehemaliger Trainer bei der amerikanischen U20-Auswahl.

"Seine Bein- und Fußarbeit ist außergewöhnlich. Er deckt die Scheibe ab, wie es sonst nur Patrick Kane kann", lautet Montgomerys weitere Lobeshymne. In der Tat fällt der Name Patrick Kane nicht selten im Zusammenhang mit Gaudreau. Das liegt neben dem ähnlichen Spielstil vor allem an der Körpergröße.

Der neue Patrick Kane?

"Es ist bei beiden ähnlich: Auch Patrick Kane ist nicht der größte Spieler auf der Welt. Aber er hat den Puck mehr als alle anderen in der NHL, weil du nie weißt, wo er hin will", erklärt Montgomery die Spielweise Kanes, die sich immer mehr bei Gaudreau wieder finden lässt.

Mit 1,75 Meter Körpergröße gehört Johnny Hockey zu den kleineren Spielern der Liga. Vor ein paar Jahren, so Flames-Kapitän Mark Giordano, wäre es für Spieler in Gaudreaus Größe schwierig gewesen, in der NHL Fuß zu fassen.

Doch eine Regeländerung vor zehn Jahren, die Halten, Haken und Behinderung strenger bestraft, hat kleineren Spielern wieder mehr Raum auf dem Eis gegeben, sich zu entfalten.

"Johnny, Kris Russell und ich sind Spieler, die sich viel mit dem Puck bewegen, wir alle profitieren davon", so Giordano. "Fragen Sie irgendeinen Verteidiger in unserer Mannschaft, jeder würde lieber gegen einen großgewachsenen Spieler verteidigen als gegen einen kleinen. Wenn man sich schnell dreht, dann kannst du nichts machen. Es ist sehr hart, dagegen zu spielen", erklärt er die Vorteile.

Der Bruder bestimmt den Weg

Vorteile, die für Gaudreau zunächst nicht ersichtlich waren. Als er auf das College kam, glaubte er nicht an eine Eishockey-Karriere. "Ich war zu klein. Als ich 18 Jahre war, wollte ich es nicht mal mehr versuchen. Aber meine damaligen Trainer überzeugten mich, es trotzdem zu tun."

Im Nachhinein wird er es ihnen danken. Genau wie seinem Bruder. Denn ihm hat er es überhaupt zu verdanken, dass er auf das Boston College kam. An den Ort, wo Johnny Hockeys Karriere startete.

"Sie hatten die Auswahl auf die Boston University und das Boston College reduziert", erzählt Jane Gaudreau, Mutter von Johnny und seinem 15 Monate jüngerem Bruder Matthew, rückblickend. Die beiden Brüder entschieden damals gemeinsam über ihren weiteren Lebensweg.

Johnny präferierte das College, weil dort Spieler wie Briona Gionta ausgebildet wurden. "Johnny sagte aber: 'Ich werde es Matty entscheiden lassen und ihm folgen.' Matthew präferierte eigentlich die B.U., entschied sich aber für das B.C.", berichtet sie. "So kam Johnny am B.C., weil Matthew es für ihn auswählte."

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Beeindruckende Leistungen am College

Eine Entscheidung, die sich schnell als die richtige erwies. Bei einem Turnier im Jahre 2010 wurde er entdeckt. "Wo kommt der denn her? Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen", erinnert sich Jerry York, Trainer der Boston-College-Mannschaft, an die erste Begegnung mit Gaudreau.

Ab diesem Zeitpunkt ging es stetig bergauf. 2011 bereits wählten ihn die Calgary Flames an 104. Stelle im Draft aus. Er gewann anschließend mit der US-Auswahl die U20-WM - mit ihm als Topscorer.

In seinem letzten College-Jahr beeindruckte Hockey noch einmal mit starken Leistungen. "Glauben Sie mir, ich habe das alles nicht vorausgesehen", sagte er bei der Ehrung des Hobey Baker Memorial Awards.

"Ich hätte nie gedacht, dass ich eine solche Saison haben könnte", erklärte er. Zu dieser Zeit verbreiteten sich Videos seiner Tore auf YouTube, der Spitzname Johnny Hockey bürgerte sich ein und gewann weiter an Bekanntheit.

Belohnung All Star Game

Kein Wunder also, dass die Flames ihn direkt vom College weg mit einem Dreijahresvertrag ausstatteten. Im letzten Saisonspiel 2013/14 durfte er noch sein NHL-Debüt feiern. Inklusive seines ersten Treffers.

Im Mai nahm er schon für die USA an der Weltmeisterschaft in Weißrussland teil. Mittlerweile ist der in Salem, New Jersey, geborene Gaudreau einer der gefragtesten Rookies der Liga. Hinter Nashvilles Filip Forsberg liegt er auf Rang zwei in der aktuellen Scorerwertung der Rookies.

"Er hat einen ziemlich beeindruckenden Lauf", so Giordano. "Wir brauchen solche Jungs, die aus dem Nichts kommen und so abliefern, wie er es tut", weiß der Flames-Kapitän. Denn Calgary hatte vor der Saison nicht jeder als Playoff-Kandidat auf dem Zettel.

Doch entgegen aller Vermutungen und angeführt von Giordano, Gaudreau und Jiri Hudler, der besonders gut mit Gaudreau harmoniert, sind die Flames im Westen auf Kurs. Für Johnny Hockey gab es zur Belohnung die Teilnahme am diesjährigen All Star Game, bei dem er zwei Assists für das Team Toews auf das Eis brachte.

Trainer: "Nicht immer auf Mitspieler schauen"

Dennoch musste sich Coach Hartley seinen aufstrebenden Stürmer vor kurzem zur Seite nehmen. Der Grund: Gaudreau müsse nach Ansicht seines Trainers mehr schießen. Und weniger den Pass zum Mitspieler suchen. "Das gibt mir ein sehr schlechtes Gefühl, ich hätte ihm das schon viel früher sagen sollen", gab er lachend zu Protokoll: "Wir könnten vielleicht schon die Nummer eins der Liga sein."

Neben all dem Spaß schwingt aber auch ein ernster Ton in seinen Worten mit. "Ich will Johnny, der eher als Vorlagengeber bekannt ist, davon überzeugen, mehr Vertrauen in seinen Schuss zu entwickeln. Besonders in der Phase seiner Karriere, in der er sich gerade befindet", erklärt er Verbesserungsbedarf bei Johnny Hockey. SPOX

"Wenn er in einer Position ist, in der er die Scheibe auf das Tor feuern kann, will ich, dass er abzieht", führt Hartley weiter aus. "Wenn er der Meinung ist, dass ein Pass die beste Option ist, dann sei es so. Aber er soll nicht nur auf seine Mannschaftskollegen schauen." Eine Ansage, die seiner Meinung nach ankommen wird. Denn der junge Stürmer muss sich nicht nur verbessern, er will es auch.

Fans kreieren Johnny-Hockey-Shirts

"Er will unbedingt dazulernen. Und er hat viel anzubieten. So wird er in der NHL wachsen. Er will keine Eintagsfliege sein, er will das Spiel auf die richtige Art und Weise erlernen. Das ist sehr erfrischend", blickt der Trainer voraus. Es ist dieses "Erfrischende", das die Fans begeistert.

Nicht umsonst gab es bereits am College Fan-Shirts mit dem Aufdruck "Johnny Hockey". T-Shirts, mit denen jetzt die Fans in Calgary ins Stadion gehen.

"Wir mussten uns damit befassen, dass Leute den Namen 'Johnny Hockey' missbrauchen. Sie verkauften plötzlich Johnny-Hockey-Shirts und andere Fansachen. Es musste sichergestellt werden, dass das so nicht mehr vorkommt", sagte Lewis Gross, Berater von Johnny Hockey, über den berühmten Spitzname seines Schützlings.

Das war auch ein Grund, warum Gross und Gaudreau vor kurzem eine Trademark für den Namen Johnny Hockey eintragen ließen. Für die Spieler der Calgary Flames wird das keine signifikanten Änderungen nach sich ziehen. Sie müssen sich wohl oder übel daran gewöhnen, dass in Zukunft ein paar Journalisten mehr vor der Türe stehen werden - nicht nur aus Los Angeles.

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