Blitzlichter. Kameras. Mikrofone. Für NHL-Spieler gehört das zum täglichen Brot. Eigentlich. Als die Los Angeles Kings am 29. Dezember 2014 bei den Calgary Flames gastierten, wurden die Spieler der Flames regelrecht überrumpelt. Denn im Gepäck der Kings war eine riesige Schar an wissbegierigen Journalisten.
Ihr Ziel: Ein kleiner, unscheinbarer Mann. Besonders der Name des jungen Stürmers lockte die Reporter aus Hollywood nach Kanada. Johnny Hockey. Ein Name, wie er nicht prädestinierter für einen Eishockey-Spieler sein könnte.
Dabei heißt Johnny Hockey eigentlich nicht Johnny Hockey, sondern Johnny Gaudreau. Den Spitznamen "Hockey" gaben ihm seine Kollegen am College, als er mit tollen Leistungen und spektakulären Toren auffiel. Ein Erfolg, der ihn zwangsläufig mit Johnny Manziel verbindet.
Manziel wurde landesweit ein Star, als er fast zeitglich zu Gaudreau auf dem College mit herausragenden Leistungen berühmt wurde. Nicht im Eishockey, dafür beim Football. So wurde neben Johnny Hockey auch ein Johnny Football geboren. Beide haben inzwischen ein Patent auf ihren Spitznamen angemeldet, auch das ist eine Parallele.
Wenn der Knoten erstmal platzt
Nun haben beiden den direkten Sprung vom College in die NHL beziehungsweise NFL gewagt. Im Gegensatz zur Marke Johnny Football hat die Marke Johnny Hockey in der Spielzeit 2014/15 aber den Durchbruch im Profisport der USA geschafft.
Mit 40 Punkten aus 53 Spielen spielt der 21-jährige Gaudreau eine starke Debüt-Saison. Die ersten sechs Saisonspiele blieb der Left Wing zwar blass, aber dann platzte der Knoten.
"Wenn er diesen schlechten Start brauchte, dann Respekt an ihn, denn er ist umso stärker zurückgekommen", sagt Flames-Coach Bob Hartley. Besonders der Dezember wurde zu seinem Monat, als er gegen niemand geringeren als Jonathan Quick seinen ersten NHL-Hattrick erzielte.
Die Liga zeichnete ihn anschließend zum First Star of the Week in der letzten Dezember-Woche aus und kürte ihn zum Rookie des Monats.
"Er übertrifft alle"
Trotz all der Ehren, es waren beileibe nicht die ersten Auszeichnungen, die der aktuellen Nummer 13 der Flames zu Teil wurden. Bereits in seiner erfolgreichen College-Zeit war Gaudreau Stammgast unter den Nominierten.
"Er ist der beste Spieler im College-Eishockey. Er übertrifft alle", sagte Albie O'Connell, einer seiner Entdecker. Kurz darauf erhielt er den Hobey Baker Memorial Award 2014 und wurde als bester männlicher College-Spieler geehrt. Das war auch die Zeit, als aus Johnny Gaudreau Johnny Hockey wurde.
Schenkt man Jim Montgomery Glauben, könnte aus Johnny Gaudreau auch ein Johnny Datsyuk oder ein Johnny Kane werden. "Er macht Dinge, die man sonst bei niemandem sieht, genau wie Datsyuk", so sein ehemaliger Trainer bei der amerikanischen U20-Auswahl.
"Seine Bein- und Fußarbeit ist außergewöhnlich. Er deckt die Scheibe ab, wie es sonst nur Patrick Kane kann", lautet Montgomerys weitere Lobeshymne. In der Tat fällt der Name Patrick Kane nicht selten im Zusammenhang mit Gaudreau. Das liegt neben dem ähnlichen Spielstil vor allem an der Körpergröße.
Der neue Patrick Kane?
"Es ist bei beiden ähnlich: Auch Patrick Kane ist nicht der größte Spieler auf der Welt. Aber er hat den Puck mehr als alle anderen in der NHL, weil du nie weißt, wo er hin will", erklärt Montgomery die Spielweise Kanes, die sich immer mehr bei Gaudreau wieder finden lässt.
Mit 1,75 Meter Körpergröße gehört Johnny Hockey zu den kleineren Spielern der Liga. Vor ein paar Jahren, so Flames-Kapitän Mark Giordano, wäre es für Spieler in Gaudreaus Größe schwierig gewesen, in der NHL Fuß zu fassen.Doch eine Regeländerung vor zehn Jahren, die Halten, Haken und Behinderung strenger bestraft, hat kleineren Spielern wieder mehr Raum auf dem Eis gegeben, sich zu entfalten.
"Johnny, Kris Russell und ich sind Spieler, die sich viel mit dem Puck bewegen, wir alle profitieren davon", so Giordano. "Fragen Sie irgendeinen Verteidiger in unserer Mannschaft, jeder würde lieber gegen einen großgewachsenen Spieler verteidigen als gegen einen kleinen. Wenn man sich schnell dreht, dann kannst du nichts machen. Es ist sehr hart, dagegen zu spielen", erklärt er die Vorteile.
Der Bruder bestimmt den Weg
Vorteile, die für Gaudreau zunächst nicht ersichtlich waren. Als er auf das College kam, glaubte er nicht an eine Eishockey-Karriere. "Ich war zu klein. Als ich 18 Jahre war, wollte ich es nicht mal mehr versuchen. Aber meine damaligen Trainer überzeugten mich, es trotzdem zu tun."
Im Nachhinein wird er es ihnen danken. Genau wie seinem Bruder. Denn ihm hat er es überhaupt zu verdanken, dass er auf das Boston College kam. An den Ort, wo Johnny Hockeys Karriere startete.
"Sie hatten die Auswahl auf die Boston University und das Boston College reduziert", erzählt Jane Gaudreau, Mutter von Johnny und seinem 15 Monate jüngerem Bruder Matthew, rückblickend. Die beiden Brüder entschieden damals gemeinsam über ihren weiteren Lebensweg.
Johnny präferierte das College, weil dort Spieler wie Briona Gionta ausgebildet wurden. "Johnny sagte aber: 'Ich werde es Matty entscheiden lassen und ihm folgen.' Matthew präferierte eigentlich die B.U., entschied sich aber für das B.C.", berichtet sie. "So kam Johnny am B.C., weil Matthew es für ihn auswählte."
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