Vor einem Jahr hatten die Vegas Golden Knights gerade einmal zwei Spieler im Kader stehen. Den damals 21-jährigen Reid Duke und den russischen Star Vadim Shipachyov.
Keiner der beiden wird in den Stanley Cup Finals 2018 zum Einsatz kommen. Während Duke beim Farmteam in Chicago weilt, plagte Shipachyov das Heimweh. Der mögliche Franchisespieler der Golden Knights absolvierte gerade einmal drei Spiele und schloss sich nach wenigen Monaten erneut SKA St. Petersburg in der KHL an.
Doch was lief in dieser Saison schon nach Plan in der Wüste Nevadas? Natürlich herrschte Euphorie in der Stadt der Sünde, doch Erfolg erwarteten nur wenige im Spielerparadies. Nun aber kämpft das Expansion Team in seiner ersten Saison um das maximale Ergebnis, den Gewinn des Stanley Cups - so nahe kamen dieser Sensation einzig und allein den St. Louis Blues im Jahr 1968, als man den Montreal Canadiens mit 0:4 unterlag. In der NHL spielten damals allerdings auch nur zwölf Teams.
Exakt 50 Jahre später sind es 31, bald 32, wenn Seattle wie erwartet auch ein Team erhält. Wie also in aller Welt war es möglich, im ersten Jahr des Bestehens der Franchise mindestens 29 Mannschaften hinter sich zu lassen?
Alle Spiele der Stanley Cup Finals zwischen Vegas und Washington
Datum | Zeit | Spiel | Heim | Auswärts | Übertragung |
27. Mai | 2 Uhr | 1 | Vegas | Washington | DAZN |
29. Mai | 2 Uhr | 2 | Vegas | Washington | DAZN |
01. Juni | 2 Uhr | 3 | Washington | Vegas | DAZN |
03. Juni | 2 Uhr | 4 | Washington | Vegas | DAZN |
06. Juni | 2 Uhr | 5 | Vegas | Washington | DAZN |
09. Juni | 2 Uhr | 6 | Washington | Vegas | DAZN |
12. Juni | 2 Uhr | 7 | Vegas | Washington | DAZN |
Vegas Golden Knights: Vor der Saison ein prognostiziertes Lottery Team
Selbst General Manager und Architekt der Traumfabrik, George McPhee, der diese Frage wohl hundert Mal beantworten musste, hat dafür keine plausible Antwort. "Es ist schwer vorstellbar, ein echtes Märchen", sagte der GM nach dem entscheidenden Sieg in den Western Conference Finals gegen die Winnipeg Jets. "Wir haben dies nicht erwartet, aber je länger die Saison dauerte, merkten wir, dass wir ein gutes Team haben."
Dies sahen vor der Saison die meisten Experten und auch Wettanbieter völlig anders. Vegas hatte teils eine Quote von 200:1 auf den Gewinn des Cups, das Over/Under für Punkte in der Regular Season lag bei 68, das unterboten letztlich nur die Ottawa Senators (67) und die Buffalo Sabres (62). Der Neuling sammelte dagegen 109 Zähler und sicherte sich obendrein die Pacific Division vor etablierten Kräften wie Anaheim oder San Jose.
Blickte man vor der Spielzeit auf den Kader, hätte dies wohl niemand erwartet. Sicherlich waren die Voraussetzungen für Vegas besser als für andere Expansion Teams zuvor, doch die Knights verzichteten teilweise auf namhafte Spieler, die verfügbar gewesen wären und setzten stattdessen zumeist auf junge, hungrige Spieler, die zuvor in ihren Teams nicht die Chance bekamen, die sie vielleicht verdient gehabt hätten.
Expansion Draft bevorteilt Vegas
Dennoch gab auch McPhee zu, dass die Expansion Rules "vorteilhaft" für Vegas waren. Jedes Team konnte sieben Forwards, drei Verteidiger und einen Goalie oder acht Skater und einen Goalie schützen. Spieler mit No-Move-Klauseln mussten geschützt werden, dazu waren Erst- und Zweitjahres-Spieler als Draftoptionen ausgeschlossen.
Einige Teams hatten so harte Entscheidungen zu treffen, wenn auch versüßt durch 17 Millionen Dollar, die jede andere Franchise aus den 500 Millionen Antrittsgeld der Knights bekam. Zum Beispiel konnten die Florida Panthers ihren Top-Winger Jonathan Marchessault nicht halten (und wollten ihn auch nicht bezahlen), obwohl dieser vergangene Saison 30 Tore erzielt hatte und zweitbester Scorer des Teams war.
Aus Pittsburgh holte Vegas in Marc-Andre Fleury einen echten Franchise-Goalie und Nashville musste mit Winger James Neal einen wichtigen Baustein ihres Teams abgeben, nachdem die Predators erstmals in ihrer Geschichte bis in die Stanley Cup Finals eingezogen waren.
Ansonsten drafteten die Golden Knights aber eher kleinere Fische, im jetzigen Kader stehen lediglich sieben Spieler über 30. "Ich war zum Dinner mit Besitzer James Foley und er erläuterte mir den Plan", erinnerte sich Neal an ein Gespräch vor der Saison. "Er wollte in drei Jahren die Playoffs erreichen und in sechs Spielzeiten einen Cup gewinnen."
Der Kader der Vegas Golden Knights
Angreifer | ||
Left Wing | Center | Right Wing |
Jonathan Marchessault | William Karlsson | Reilly Smith |
James Neal | Erik Haula | David Perron |
Ryan Carpenter | Cody Eakin | Alex Tuch |
Tomas Nosek | Pierre-Edouard Bellemare | Ryan Reaves |
Verteidiger | Goalie | |
Links | Rechts | |
Brayden McNabb | Nate Schmidt | Marc-Andre Fleury |
Shea Theodore | Deryk Engelland | Malcolm Subban |
Luca Sbisa | Colin Miller |
Vegas Knights: William Karlsson wird zum Star
Dieser Zeitplan ist inzwischen mehr als überholt, speziell weil einige der jungen gedrafteten Spieler sich als echte Volltreffer entpuppten. Topscorer William Karlsson war im Jahr zuvor nur ein Fourth Liner bei den Columbus Blue Jackets mit einem Career High von 25 Punkten, für Vegas schoss er mit 43 Toren und 78 Points alles kurz und klein. Eine solche Entwicklung hatte ihm wohl auch in Nevada niemand zugetraut.
Auch Spieler wie Center Erik Haula, Winger Alex Tuch oder Verteidiger Nate Schmidt machten einen echten Sprung und sorgten dafür, dass dieses Team vielleicht keinen echten Star hat, aber eben unglaublich tief aufgestellt ist. Dies hob auch John Stevens, Head Coach der Los Angeles Kings, hervor, nachdem sein Team in der ersten Runde von Vegas gesweept wurde.
Star-Verteidiger Drew Doughty hatte noch während der Regular Season die Erfolgsgeschichte der Knights belächelt und als süß bezeichnet. Das Zitat "Auf gar keinen Fall werden sie am Ende der Saison besser als wir dastehen", flog Doughty nach dem 0:4 gewaltig um die Ohren. In der Kabine von Vegas hängt noch jetzt dieser Spruch an der Wand.
Goalie Marc-Andre Fleury als Fels in der Brandung
Allerdings ist der All-Star nicht der Einzige, der das Expansion Team unterschätzte. Erst in den Playoffs ernteten die Underdogs endlich den Respekt, die sie zweifelsohne verdient hatten. "Sie haben unglaublich schnelle Spieler", lobte Stevens weiter. "Sie können so schnell umschalten wie kein anderes Team. Ihre Angreifer arbeiten so hart und jagen dich quer über das Eis, es ist unglaublich."
Hinzu kommt mir Fleury ein Goalie, der mit 33 Jahren noch einmal beweist, dass er zu den Besten der Liga zählt, nachdem er in Pittsburgh den Starterjob an den deutlich jüngeren Matt Murray verloren hatte. In 15 Spielen musste der beste Freund von Superstar Sidney Crosby nur 27 Mal hinter sich greifen - und das, obwohl Vegas 33,8 Schüsse pro Spiel zulässt. Mehr Schüsse ließen nur Teams zu, die bereits in der ersten Runde die Segel streichen mussten.
Sharks und Jets verzweifeln
Die Angreifer der San Jose Sharks und der Winnipeg Jets verzweifelten in den folgenden Playoff-Runden am dreifachen Champion. "Er ist der beste Goaltender der Playoffs", gab Sharks-Coach Peter DeBoer unverblümt zu. "Er hat so viele Big Saves, dadurch sind sie selten in Rückstand." So spielte Vegas zumeist sehr defensiv und setzte mit den schnellen Karlsson und Marchessault die entscheidenden Nadelstiche.
Auch das hochfavorisierte Winnipeg fand nach einer epischen Sieben-Spiele-Serie gegen Nashville keine Lösung gegen diese eigentlich einfache Formel. "Wir bekamen keine leichte Offense, alles war ein einziger Kampf", analysierte Jets-Coach Paul Maurice. So entschieden die Golden Knights die Serie letztlich deutlich mit 4:1, nachdem man in der weißen Hölle von Winnipeg in Spiel 1 noch mit 2:4 in allen Belangen war und wenig für das Expansion Team sprach.
Doch wie schon die komplette Saison über, überraschte Vegas wieder alles und jeden und gewann die nächsten vier Spiele. Es braucht nun nur noch ebenso viele Siege für die ultimative Krönung.
Vegas Golden Knights: Der Weg in die Stanley Cup Finals
Runde | Gegner | Ausgang | Ergebnisse |
Erste Runde | Los Angeles Kings | 4-0 | 1:0, 2:1 (2OT), 3:2, 1:0 |
Zweite Runde | San Jose Sharks | 4-2 | 7:0. 3:4 (2OT), 4:3 (OT), 0:4, 5:3, 3:0 |
Conference Finals | Winnipeg Jets | 4-1 | 2:4, 3:1, 4:2, 3:2, 2:1 |
Stanley Cup Finals | Washington Capitals | ? | ? |
Golden Knights: Die Washington Capitals warten in den Stanley Cup Finals
Dort wartet mit den Washington Capitals ebenfalls ein in dieser Spielzeit chronisch unterschätztes Team, welches mit Superstar Alex Ovechkin erstmals seit 20 Jahren die zweite Runde in den Playoffs überstand, nach drei Anläufen endlich die Penguins mit Crosby ausschaltete und zudem Favorit Tampa Bay auswärts in Spiel 7 eiskalt auskonterte, nachdem die Capitals nach Spiel 5 und einem 2:3 von vielen schon abgeschrieben wurden. Letztlich blieben die Bolts in den letzten beiden Spielen ohne eigenen Treffer.
Vegas wird in dieses Duell auf die Heimstärke bauen, in der heimischen T-Mobile Arena verloren die Golden Knights gerade einmal ein einziges Spiel (siege Siege) - und das erst nach doppelter Verlängerung gegen die Sharks. Lord Stanley ist nicht sechs Jahre, sondern nur noch wenige Spiele entfernt.
"Ich wollte nicht nur hier sein, um vielleicht die Playoffs zu erreichen", sagte Neal nach dem Einzug in die Finals. "Ich wollte dieses Team in die Stanley Cup Finals führen und diesen Anspruch hatte vor der Spielzeit hier jeder. Es ging hier nur darum, eine Kultur und den Glauben zu schaffen."
Ob Neal und seine Kollegen dies wirklich glaubten? Man wird es wohl nie erfahren, und ist es auch völlig nebensächlich. Egal, ob Vegas den Cup tatsächlich in die Höhe stemmen kann oder nicht: Es ist die unglaublichste Geschichte, die es in der NHL je gab.