Noch ein letztes Mal führte der Weg die entthronte Königin von Melbourne auf die Anlage am Yarra River. Angelique Kerber hatte einen Tag nach ihrem bitteren Achtelfinal-Aus bei den Australian Open noch ein paar organisatorische Dinge im Bauch der Rod-Laver-Arena zu erledigen.
Danach trat sie, noch immer bitter enttäuscht, zusammen mit ihrem Team vom Airport Tullamarine die Heimreise an. Und das mit etlichen Fragezeichen statt des erhofften dritten Grand-Slam-Pokals im Gepäck.
Während des rund 24-stündigen Trips via Bangkok hatte Kerber genügend Zeit, um in 10.000 Metern Höhe über die Gründe des so unbefriedigend verlaufenen Australien-Ausflugs nachzudenken. Erst am 13. Februar wird sie in Doha wieder ins Turniergeschehen einsteigen, da sie auf einen Einsatz im Fed-Cup-Erstrundenspiel gegen Gastgeber USA auf Hawaii (11./12. Februar) verzichtet.
Bundestrainerin Barbara Rittner empfahl ihrer Nummer eins für die kommenden Wochen eine Mischung aus Entspannung und harter Arbeit. "Angie sollte jetzt erst einmal etwas abschalten und sich Zeit für sich nehmen, bevor sie danach in aller Ruhe trainiert", sagte die 43-Jährige dem SID.
Wohlwissend, dass insgesamt sieben Matches mit vier Siegen und drei Niederlagen zum Start der Saison eins nach ihrem märchenhaften letzten Jahr so gar nicht nach dem Geschmack der Weltranglistenersten waren. Zum Vergleich: 2016 hatte sie nach den ersten drei Turnieren schon zwölf Siege bei zwei Niederlagen auf dem Konto.
Erstmals topgesetzt
Vor allen Dingen an dem klaren 2:6, 3:6 im Achtelfinale "ihrer" Australian Open gegen die ungesetzte, aber an diesem Tag auch stark aufspielende Coco Vandeweghe (USA) wird Kerber noch einige Zeit zu knabbern haben. Es war das früheste Scheitern einer Titelverteidigerin in Melbourne seit zehn Jahren. Nicht nur Boris Becker vermisste als TV-Kommentator bei Eurosport das Aufbäumen der Kielerin auf dem Centre Court.
Doch vor ihrem Abschied aus Down under ließ die 29-Jährige ihren alten Kampfgeist aufblitzen. "Ich kann immer noch ein gutes Jahr spielen. Ich werde versuchen, stärker zurückzukommen", sagte Kerber und meinte: "Ich habe viel gelernt in den letzten Wochen. Es waren neue Herausforderungen und Erlebnisse für mich." Und diese muss sie erst einmal verarbeiten und danach ihre Schlüsse ziehen.
Erstmals war Kerber als Topgesetzte und Titelverteidigerin in ein Grand-Slam-Turnier gestartet. Und das schien schwer auf ihren Schultern zu lasten. Der Aufschlag ließ die US-Open-Siegerin im Stich, sie wirkte gehemmt statt motiviert von der neuen Rolle als Branchenführerin auf großer Bühne. "Und so kann man ein solches Turnier einfach nicht gewinnen", sagte Chris Evert, die ansonsten große Stücke auf Kerber hält.
Hinzu kamen besonders an spielfreien Tagen etliche Termine, die eine Nummer eins während eines Majors eben zu absolvieren hat. Noch scheint Kerber die Balance zwischen den Pflichten auf und abseits des Courts nicht gefunden zu haben.
Doch schon oft in ihrer Karriere hat sie bewiesen, dass sie gerade aus negativen Erfahrungen lernt. In Panik jedenfalls will "Angie" nicht verfallen: "Das war das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres, die Saison hat ja gerade erst angefangen."