Die Abendshow war gerade ein paar Sekunden vorüber, da hatte es Tomas Berdych ziemlich eilig. Es war nicht einfach ein Abgang aus der Rod Laver Arena in Melbourne, der da zu beobachten war. Es war eine Flucht, eine Flucht unter dem Motto "Nichts wie weg." Wundern konnte das allerdings auch niemanden: Denn an diesem 20. Januar, in der Spätvorstellung auf dem Centre Court, hatte Berdych eines seiner bittersten Gastspiele als Profi geben müssen - schuld daran war ein Mann, dessen Comeback in dieser Nacht eine magische Turbobeschleunigung erfahren hatte.
Wie in der Glanzzeit seines Schaffens, in der Ära seiner größten Dominanz, trat der Maestro Roger Federer bei seinem 6:2, 6:4, 6:4-Erfolg gegen den Weltranglisten-Zehnten auf, jederzeit Herr des Verfahrens auf der Spielfläche.
"Ich könnte nicht glücklicher sein über dieses Match", sagte der 35-jährige nach einer schwere- und alterslosen Performance, die neue Hoffnungen weckte und eine Frage in die Grand-Slam-Diskussionen warf. Wozu war dieser Federer beim ersten Pflichtturnier seit dem verletzungsbedingten Saison-Aus Mitte 2016, nach dem damals verlorenen Wimbledon-Halbfinale gegen Milos Raonic, noch fähig - im anstehenden Achtelfinale gegen den japanischen Flitzer Kei Nishikori und vielleicht noch darüberhinaus bei diesem Major-Spektakel Down Under? Boris Becker jedenfalls warnte die geneigte Konkurrenz schon mal vor. "Das war der alte Federer", sprach der Eurosport-Experte. "Das Fazit des Spiels: Roger is back."
Nur Siege zählen
Auch Federers Freund und Weggefährte, der auf Weltranglisten-Platz vier eingestufte Stan Wawrinka, rückte in die Runde der letzten 16 vor - wenngleich ohne Glanz und Gloria, eher im Stile eines soliden, hart rackernden Arbeiters. Nach verschlafenem Start gerappelte sich der Romand und schaltete den Serben Viktor Troicki mit 3:6, 6:2, 6:2 und 7:6 (9:7) aus. Im vierten Durchgang, einem wahren Break-Festival, hatte Wawrinka noch ein mal einige Zitter- und Schwächemomente zu überstehen, musste sogar im Tie-Break einen Satzball zum 2:2-Ausgleich abwehren. "Mich interessiert nicht groß, ob ich gut oder schlecht spiele. Was zählt, sind Siege und nur Siege", gab der Australian-Open-Champion des Jahres 2014 etwas rau zu Protokoll. Nächster Widersacher für Wawrinka ist nun der Südtiroler Andreas Seppi, der sich in Melbourne mit seinem spektakulären Triumph über Bad Boy Nick Kyrgios als Spielverderber für die australischen Fans einen Namen gemacht hatte. "Seppi, auch jemand wie Istomin (Bezwinger von Djokovic, d.Red.), solche Spieler sind der Grund, warum du hier absolut jede Runde mit höchster Konzentration spielen musst", so Wawrinka, "es gibt hier keine Geschenke."
Ein Augenschmaus
Was es gab und gibt, ist allerdings das Geschenk in Gestalt eines wiedererstarkten, augenscheinlich auch top-fitten Roger Federer. Als hätte es nie eine Zwangspause gegeben, als wäre er nicht Mitte Dreißig, sondern im Zenit seiner Karriere - so brillierte der vierfache Familienvater gegen einen überforderten Berdych. Der Tscheche konnte einem fast leidtun, so demoralisierend war Federers Überlegenheit und Kraftentfaltung. Nach 26 Minuten war Satz eins vorbei, nach weiteren 31 Minuten auch schon der zweite Akt. "Welch ein Spaß zum Zusehen", tweetete da Australiens alter Recke Pat Cash entzückt. Alle wichtigen taktischen Vorgaben führte Federer mit klinischer Präzision aus: Er servierte exzellent, bestimmte die Ballwechsel früh. Und wenn sich ihm die Chance bot, griff er an, wieder und wieder. Fast jeder vierte seiner 85 Punktgewinne entsprang schließlich einer geglückten Netzattacke. "Ich wollte mich steigern in diesem Match, in diesem Stadium des Turniers", sagte Federer hinterher. "Aber ein bisschen habe ich mich auch selbst überrascht."
Nach den Partien stellen sich die Centre-Court-Sieger traditionell noch auf dem Centre Court zu einer kleinen Interview-Nachbereitung mit dem Zeremonienmeister auf, mit Jim Courier, Ex-Australian-Open-Champion und inzwischen im journalistischen Nebenerwerb unterwegs. Courier also stellte gerade fest, dass es für Federer ja nun nicht einfacher werde, in der nächsten Runde gegen Nishikori, da ging Federer schnell dazwischen: "Ich bin bereit - oder?", reklamierte der Maestro mit rhetorischer Frage. Und erhielt ein zustimmendes Nicken von Courier.