Im ersten Satz genügte dem Schweizer ein Break zum 4:3, lag im zweiten Durchgang aber prompt mit 0:4 zurück und musste den Ausgleich hinnehmen. Danach drehte Federer endgültig auf, spielte Tennis wie zu seinen besten Zeiten und punktete gerade mit der gegen Nadal sonst so problematischen einhändigen Rückhand. Mit 6:1 gewann er den dritten Durchgang scheinbar eindeutig, allerdings gingen viele Spiele über Einstand, teilweise war es ein erbitterter Fight.
Nadal steigerte sich noch einmal und schnappte sich Satz vier mit begeisterndem Tennis - und sah nach frühem Break im Fünften wie der sichere Sieger aus. Aber Federer gelang das Break zum 3:3 und spielte anschließend nahezu perfekt. Nach offiziell 3:37 Stunden beendete er per Vorhand-Winner das Match.
Federer freut sich neben seinem Siegerscheck über umgerechnet 2,6 Millionen Euro auch über einen Grand-Slam-Titel, den ihm nur noch die wenigsten Experten zugetraut hatten. Im neunten Grand-Slam-Endspiel gegen Angstgegner Nadal war es sein dritter Sieg, in der ewigen Bilanz der beiden verkürzte er auf 12:23. Nadal muss weiter auf seinen 15. Majortitel warten.
Die Stimmen:
Roger Federer: "Wir haben beide wahrscheinlich nicht damit gerechnet, im Finale zu stehen. Tennis ist ein harter Sport, aber einer muss gewinnen, und am heutigen Tag hätte ich es auch Rafa gegönnt. Bitte spiel weiter, Rafa. Der Tennissport braucht dich. Ich komme jetzt seit fast 20 Jahren hierher und es hat mir immer Spaß gemacht - ihr seid fast wie eine zweite Familie für mich. Ich hoffe, dass wir uns im nächsten Jahr wiedersehen."
Rafael Nadal: "Glückwunsch an Roger und sein Team, unglaublich wie er heute gespielt hat. Es war ein toller Monat für mich, ich habe es hier in Australien sehr genossen. Es war ein tolles Match, vielleicht hat er es am Ende ein bisschen mehr verdient. Ich werde es weiter versuchen."
Der Spielfilm
Satz 1
Nadal beginnt zu Null, hat bei 1:1 und 30 beide aber Glück mit einem Netzroller - das hätte der erste Breakball sein können. Danach weiter alles in der Reihe, gerade wenn der erste Aufschlag kommt, sind beide unangreifbar. Bei 3:3 dann bockstark vom Schweizer, der zweimal die Rückhand gut durchzieht und Breakbälle hat. Rückhand-Fehler von Nadal, Federer liegt vorn. Die übrigen Aufschlagspiele serviert der Schweizer locker durch, mit dem Ass macht er das Ding zu. 6:4 Federer.
Satz 2
Nadal bringt seinen Aufschlag durch, weil Federer immer mal wieder auf den direkten Punkt geht. Und dann hat er mal Breakball, weil Federer ihm den Angriffsball in den Schläger spielt. Abgewehrt, aber der zweite sitzt, immer wieder unbarmherzig die Topspin-Vorhand auf Federers Rückhand. Im Gegenzug hat Federer zwei Breakchancen, kann sie aber nicht nutzen - die beiden haben sich so langsam richtig eingegraben ins Match. Per Vorhand-Fehler gibt FedEx erneut ab, verkürzt aber im Gegenzug wieder von 0:4 auf 2:4. Zweimal halten die Protagonisten ihr Service, dann gleicht Nadal nach Sätzen aus. 6:3 Nadal.
Satz 3
Jetzt ist es ein fantastisches Finale! Federer legt über den Aufschlag vor und landet hochklassige Punkte, hat aber auch noch den einen oder anderen Vorhandfehler drin. Egal, starker Return und damit das Break, mit einfachen Punkten über den Aufschlag steht es dann schon 3:0. Heavyweight-Fight beim nächsten Service von Rafa: Roger packt die Zauberschläge aus, kontert mit eisernem Willen - und hält trotz Breakbällen. Aber diese Rückhand von Federer! Nächster Sensationeller Return bei Aufschlag Nadal und schon steht es 5:1. Der Rest ist Formsache, ein Volley-Stop macht den Satz zu. 6:1 Federer.
Satz 4
War ja klar, dass hier noch lange nichts gegessen ist! Drei Aufschlagspiele ohne Probleme, dann verschlägt Federer zweimal die leichte Vorhand und Nadal packt die Bombenvorhand aus. Breakbälle, und der zweite sitzt, weil Federer einen Passierball nicht mehr übers Netz bekommt - 3:1. Ein dramatisches Aufschlagspiel folgte, das Nadal per sensationellem Vorhandwinner (s.u.) nach Hause brachte. Federer konnte Nadal im Anschluss nicht mehr gefährden. 6:3 Nadal.
Satz 5
Zuerst müssen die Zuschauer ein bisschen warten: Federer verschwindet für ein Medical Timeout in der Kabine, kann aber ohne sichtbare Beeinträchtigung weitermachen. Nadal ist's egal, er holt sich sofort das Break und ist 2:0 vorn. Trotzdem ist es weiter Tennis vom Feinsten, die Zuschauer gehen voll mit. Bei 2:1 muss Nadal mehrere Breakbälle abwehren und tut das in Weltklassemanier, aber Federer holt sich noch einen - und dann ist die Vorhand Nadals neben der Linie! Oberwasser Federer? Ja! Zu Null stellt er auf 4:3 - und das Drama geht weiter! 0:40 Nadal, er wehrt sie alle ab - und gibt nach einer 26-Schlag-Rally den nächsten her. Service-Winner! Nochmal Vorhand Federer, nochmal Breakball. Und der Ball von Nadal springt vom Netz ins Aus! Noch einmal muss Federer zwei Breakbälle abwehren. Und dann ist es geschafft. 6:3 Federer.
Schlag des Spiels: Federers einhändige Rückhand. Man hat es im letzten Jahrzehnt immer wieder gesehen: Nadals schleudernde Vorhand mit viel Topspin auf die einhändige Rückhand Federers - so oft und so lange, bis der irgendwann einknickte. Auf dem blauen Untergrund von Melbourne hatte der folgendes Rezept parat: Kaum Slice, dafür manchmal nur der "Becker-Block" - und wenn Nadal zu kurz wurde, ging Federer dem Ball entgegen und nahm den Ball im Aufsteigen. Damit machte er Nadal das Leben schwer und erzwang so unter anderem das Break in Satz eins, im dritten Satz kam dann ein Winner nach dem anderen.
Ballwechsel des Spiels
3:1 und Spielball Nadal im vierten Satz, Federer hatte zuvor am Breakball geschnuppert. Es folgte Grundlinienduell, beide schickten sich mit enormen Winkeln über den Platz. Aus der Rückhand spielte Federer eine Rückhand cross, die Nadal hinter der Grundlinie jagte, gerade noch erreichte - und sie per Vorhand Slice kurz cross übers Netz legte. Federer war kalt erwischt und klatschte Beifall, Standing Ovations gab's von den Rängen. Zum Genießen:
Das fiel auf
- Wie erwartet machte Federer über den Aufschlag mehr leichte Punkte, bzw. lag im Ballwechsel direkt vorn: Unglaubliche 14 von 15 Punkte (4 Asse) machte er im ersten Satz über den Ersten, auch über das gesamte Match stimmte die Quote. Nadal servierte im Schnitt zehn Stundenkilometer langsamer und musste dementsprechend mehr kämpfen. 20:4 Asse waren es am Ende, er machte 76 Prozent aller Punkte über den ersten Aufschlag (Nadal: 63 Prozent).
- Generell war es eher der Schweizer, der die Rallys beendete - sei es durch Winner, oder durch Fehler. In beiden Kategorien lag er klar vorn (73:35 Winner, 57:28 Fehler). Nadal fehlte oft die Länge in seinen Grundschlägen und eröffnete seinem Gegner so die Chance, eine Entscheidung im Ballwechsel zu erzwingen - bevor er noch einmal aufdrehte.
- Zum Ende des dritten Satzes schien Nadal ein bisschen müde zu werden, Federer war klar am Drücker. Aber wie schon im zweiten Satz konnte Federer sein Niveau nicht ganz halten - und Nadal schaltete einen Gang hoch. Plötzlich war es wieder der typische Rafa mit der grimmigen Grimasse, plötzlich war die Beinarbeit, die Länge und vor allem die Vorhandpeitsche wieder da. Und trotzdem sollte das Match noch einmal kippen.
- Durch den Siegerscheck wurde Federer der zweite Spieler überhaupt, der die Preisgeld-Marke von 100 Millionen US-Dollar geknackt hat (101,2 Mio.). Vorne liegt hier Novak Djokovic (107,9 Mio.).
Die Weltrangliste der Herren im Überblick