Von Jens Huiber aus Paris
Novak Djokovic hat es ziemlich eilig gehabt: Keine Viertelstunde nach seinem Aus gegen Dominic Thiem saß der Weltranglisten-Zweite auf dem Podium im großen Interviewraum von Roland Garros und stellte sich den Fragen der Reporter. Der sehr zahlreiche erschienenen Reporter. Einige von Ihnen hatten sich schon auf dem Court Suzanne Lenglen gezeigt, auch dort waren die Presseplätze knapp geworden.
Djokovic zeigte in der Niederlage seine ganze Klasse, der 12-fache Major-Sieger erklärte zur Leistung von Dominic Thiem, dem er im sechsten Duell erstmals und am Ende auch deutlich mit 6:7 (5), 3:6 und 0:6 unterlegen war: "Er war der bessere Spieler." Mit Fortdauer des Matches sei der Österreicher immer stärker geworden, vor allem auch dessen Aufschlag, mit dem der Serbe größte Probleme hatte.
Keine Chance
Mit Novak Djokovic hat damit Dominic Thiem nun den letzten der großen Vier (oder Fünf, je nach Sichtweise) besiegt. Den Weltranglisten-Ersten Andy Murray hat Thiem erst vor ein paar Wochen in Barcelona geknackt, Rafael Nadal und Roger Federer schon jeweils zweimal, Stan Wawrinka, immerhin auch schon dreifacher Major-Champion, 2014 in Madrid. Dass sich Thiem gegenüber dem Halbfinale von Rom, wo er Djokovic noch mit 1:6 und 0:6 unterlegen war, verbessern würde, davon war auszugehen. Die Leistungsexplosion vom Mittwoch auf Suzanne Lenglen indes nicht.
Die französische Sportzeitung "L´Équipe" hatte am Dienstag Günter Bresnik eine ganze Seite gewidmet ("Maitre Günter"), eben der hatte die Chancen seines Schützlings gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" noch mit exakt null Prozent beziffert: "Novak kommt ins Halbfinale und dann auch ins Finale." Dort will nun Thiem hin, der Court Philippe Chatrier war ihm bis jetzt (fast) eine verbotene Stadt: Das letztjährige Halbfinale gegen Djokovic war wegen der Regen-Kalamitäten ebenfalls auf dem zweitgrößten Platz ausgetragen worden, im Chatrier hat Thiem erst einen Mann bespielt: Rafael Nadal. Wie passend.
2014 war das, in der zweiten Runde. Für Thiem ein beeindruckendes Ereignis, für den Dauer-Sieger auf der Terre Battue fast Routine. Das wird sich am Freitag ändern, das letzte Aufeinandertreffen in Rom hat der Österreicher in schier unglaublicher Manier für sich entschieden. Nadal auf Sand besiegt zu haben, das ist 2017 das Privileg von Dominic Thiem. In Roland Garros ist die historische Liste in dieser Kategorie nicht viel länger: Lediglich Robin Söderling und Novak Djokovic sind dort notiert.
Regulärer Court
Novak Djokovics Erfahrungen mit österreichischen Fachkräften haben also wieder einmal gelitten, schon 2010 war er Jürgen Melzer nach einer 2:0-Satzführung im Viertelfinale noch unterlegen. Das Match gegen Thiem verlief deutlich anders. "Es waren einige kritische Punkte dabei, die das Match entschieden haben", erklärte Thiem in seiner Pressekonferenz. Die beiden Satzbälle, die er bei 4:5 im ersten Durchgang hatte abwehren können etwa, oder auch die frühen Breaks in den Sätzen zwei und drei. Am Ende ist indes zu bilanzieren: Thiem steht wie sein Halbfinalgegner ohne Satzverlust in der Vorschlussrunde.
Seine Leistung von Rom, als er Rafael Nadal mit 6:3 und 6:4 aus dem Foro Italico verabschiedet hat, würde er nicht wiederholen können. Es sei nicht davon auszugehen, "dass ich meine Rückhand ein ganzes Match lang rein nagle", ergänzte Thiem. Dort habe er über seinem Limit gespielt. Um aber auch anzumerken: "In Madrid habe ich eine ganz normale Leistung gezeigt, und da war es ein knappes Match." Eine normale Leistung, ist am Freitag auch zu erwarten. Mindestens. Der bekannt große Auslauf auf dem Philippe Chatrier würde ihn nicht weiter sorgen - nach allem, was er wüsste, entsprächen die Ausmaße des eigentlichen Spielfelds schließlich allen internationalen Normen.
Ganz allgemein sei es jedenfalls eine unglaubliche Herausforderung, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen: Ein Sieg gegen Djokovic bringe eine Partie gegen Nadal als Belohnung, am Sonntag würde der nächste absolute Top-Spieler warten. Die gute Nachricht ist: Dominic Thiem vermittelt den Eindruck, dass genau er jener Mann ist, der diese Herausforderung meistern kann.
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