Von Jens Huiber aus Paris
Der Abgangsapplaus für Dominic Thiem war höflich, die Aufmerksamkeit auf den kurz nach 20 Uhr immer noch vollbesetzten Tribünen auf dem Court Philippe Chatrier gehörte in diesem Moment aber noch Rafael Nadal. Dies ist sein Stadion, der Ort seiner größten Triumphe - auch wenn der längst legendäre Spanier auch anderswo grandiose Erfolge gefeiert hat. Dominic Thiem könnte eines Tages die Schlüssel vom Hausherren übernehmen, 2017 war es dafür zu früh. Die Art und Weise, wie der Spanier derzeit aufspielt, lässt natürlich die Frage offen, ob es in dieser Dekade überhaupt einen Spieler gibt, der ihm im Stade Roland Garros das Wasser wird reichen können. Stan Wawrinka versucht sich am Sonntag, Zweifel sind angebracht.
In der Box von Dominic Thiem habe eine Stimmung wie im Leichenschauhaus geherrscht, ließ Günter Bresnik, der große Trainer-Zampano ausrichten. Er sei ehrlich enttäuscht, sein Schützling habe sich schlecht bewegt, keinen Druck mit der Rückhand entwickeln können. Der Aufschlag, in den vergangenen Matches noch ein Garant für einfache Punkte von Thiem, auch bei jenem atemberaubenden Sieg gegen Nadal in Rom, hätte überhaupt nicht funktioniert. Zu Beginn beider Sätze hatte der Außenseiter einige Breakchancen, die hätte er verwerten müssen, aber Nadal spielt ja auch deshalb seit Jahren in der absoluten Weltspitze mit, weil er sich gerade in solchen Situationen keine Blöße gibt. Schon gar nicht in der Vorschlussrunde bei seinem Lieblingsturnier.
Keine Schwankungen
Er sei nicht mit der Erwartung, aber schon mit dem Ziel in die French Open gegangen, sein Halbfinale von 2016 zu verteidigen. So hatte es Dominic Thiem nach seinem Erfolg gegen Novak Djokovic formuliert. In der Weltrangliste wird der 23-Jährige eine Position verlieren, Platz acht ist immer noch äußerst formidabel. Ganz nebenbei ist Thiem auch im "Race to London" ein gutes Stück weitergekommen, die 720 Punkte von Paris sollten eine Teilnahme schon fast sicher stellen. Im vergangenen Jahr hat Thiem nach Paris in Stuttgart gewonnen, die Titelverteidigung fällt aus. Danach hat das Tennisjahr nur noch punktuell gute Ergebnisse gebracht, in der laufenden Saison soll er durch eine etwas andere Turnierplanung auch in der zweiten Saisonhälfte Leistungen hervorbringen, die den Ansprüchen eines Top-Acht-Mannes genügen.
Dominic Thiem hat im Pressesaal 1 den Staffelstab von Rafael Nadal übernommen. Alleine an der Mimik war nicht festzustellen, wer nun am Sonntag im Finale spielt, und wer am Tag davor die Heimreise antreten muss. Wohin auch immer. Thiem lässt keine großen Stimmungsschwankungen zu, auch seinen Premieren-Erfolg gegen den serbischen Weltranglisten-Zweiten hatte er am Mittwoch mit sparsamem Gesten quittiert.
Die Asche ist im Moment einmal perdu, und damit auch die fast wöchentlichen Treffen mit Rafael Nadal. Barcelona, Madrid, Rom, Paris - irgendwann ist dann auch einmal gut. Das nächste mögliche Match steht in Wimbledon an, für Dominic Thiem wäre ein Wiedersehen mit Rafael Nadal an der Church Road ein Erfolg: Es könnte frühestens im Viertelfinale stattfinden. Das würde der Österreicher sicher mit Handkuss nehmen, auch wenn Günter Bresnik glaubt, dass sein Spieler auch auf Rasen dauerhaft was reißen kann. Dem geblockten Return sei Dank.
Es sei ein sehr schlechtes Ende einer wirklich guten Sandplatzsaison gewesen, das hat Thiem in der Pressekonferenz tapfer erklärt. Der Chatrier habe damit nichts zu tun gehabt, einige Perspektiven seien halt anders gewesen. Der größere Auslauf sei kein Vorteil für Nadal gewesen, auch er, Thiem retourniere die Bälle gerne von weit hinten. Hangover vom Erfolg gegen Djokovic habe es keinen gegeben - Nadal habe einfach gut gespielt, gerade in den kritischen Situationen. Die gute Nachricht: Es werde wieder eine Saison auf Asche kommen. Und letztlich habe er auch im vergangenen Jahr auf Rasen stark gespielt.
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