Ihre Aura als Siegerin ist deutlich spürbar. Wenn Andrea Petkovic in diesen Tagen auf der großen Grand-Slam-Bühne von Paris endlich wieder diese Augenblicke des tiefen Glücks erlebt, sprudelt es nur wenig später regelrecht aus ihr heraus. Nach ihrem Zweitrundensieg von Roland Garros war sie so frei und gab im Eurosport-Interview ihren genauen Wohnort in Darmstadt-Eberstadt preis.
Typisch Petko eben, die ihren Fauxpas aber immerhin blitzschnell bemerkte. "Ich hätte jetzt vielleicht nicht direkt meine Adresse im Fernsehen sagen sollen", meinte die 30-Jährige nach dem 6:0, 7:6 (7:5) gegen Bethanie Mattek-Sands (USA) und ihrem ersten Drittrundeneinzug bei einem Major seit den US Open 2015.
"Petko" fordert Halep: "Ich will kein Vogelfutter sein"
Die Auswirkung ihres "Verplapperers" zur besten Sendezeit am Feiertag sind noch unbekannt, die sportlichen Folgen ihres Sieges dagegen nicht. Als "Belohnung" wartet nun am Samstag die ultimative Herausforderung auf die eloquente Hessin: Ein Duell mit der topgesetzten Simona Halep, der zweimaligen French-Open-Finalist und diesjährigen Topfavoritin auf den Titel am Bois de Boulogne. Aus den bisherigen sieben Vergleichen mit der Rumänin ging Petkovic erst einmal als Gewinnerin hervor (2009).
Doch ihre Mission ist klar: "Ich will da rausgehen und versuchen zu gewinnen - und kein Vogelfutter sein", betonte die Weltranglisten-107., die auf dem Court wieder zu der Leichtigkeit zurückgefunden zu haben scheint, die sie 2014 ins Halbfinale von Paris führte. Dort war damals Endstation...ausgerechnet gegen Simona Halep (2:6, 6:7).
Taktik geht auf: Riskanter spielen, mehr freie Punkte bekommen
"Ich habe gegen sie schon sehr viele gute Matches gespielt, es war immer knapp. Deshalb muss ich mich mal hinsetzen, mir ein paar Videos anschauen und gucken, ob ich taktisch ein paar Anpassungsmöglichkeiten finde", sagte Petkovic über ihre Matchvorbereitung und meinte: "Ich tanke Selbstbewusstsein Tag für Tag. Ich hoffe, dass die Reise noch bisschen weiter geht." Sie will auch gegen Halep an ihrem Fahrplan festhalten: Riskant spielen, auch auf die Gefahr hin, (Doppel-)Fehler zu machen. "Aber auf lange Sicht bekomme ich dadurch mehr freie Punkte", betonte Petkovic, die sich zum Beispiel beim Return weit ins Feld stellt und durch diese Präsenz die Gegnerin einschüchtert.
Die Zähigkeit der Dauerläuferin Simona Halep jedenfalls soll nicht der ausschlaggebende Faktor im anstehenden Kräftemessen sein. "Bei mir weiß ich: Wenn das Spiel vier Stunden geht, geht es vier Stunden. Da habe ich meine Hausaufgaben gemacht - und bis zum nächsten Morgen renne ich auch", versprach "Pferdelunge" Petkovic, die nach schwierigen zwei Jahren und dem Absturz im WTA-Ranking momentan äußerst aufgeräumt wirkt.
Das Schreiben hilft Petkovic: "Weniger Horrorshow"
An der wiedergewonnenen Gelassenheit haben auch die Erfahrungen der letzten Zeit einen Mammutanteil. Ende vergangenen Jahres war Petkovic, die derzeit die Biografie des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama liest, mit der amerikanischen Musikband "Tennis" auf Reisen. "Ich fand schon immer, dass es gerade bei den Konzerttouren von Bands etliche Parallelen zu unserem Job als Tennisprofi gibt. Vieles ist monoton, Routine, Routine, Routine. Dann kommt der Auftritt, dieser High-Intensity-Moment - und jeder guckt zu. Das hat mich inspiriert. Da habe ich gewusst, das könnte der Blickwinkel für meine Reportage sein", erzählte sie damals im exklusiven tennisnet-Interview.
Ihre Geschichte - samt der kultigen Petkovic'schen Polaroid-Aufnahmen - erschien jüngst auf 18 Seiten (!!!) im New Yorker "Racquet"-Kultmagazin. Zudem schreibt die Einser-Abiturientin für das Magazin der Süddeutschen Zeitung. Dabei sucht sie sich einen Film aus - und stellt die Verbindung zu ihrem Leben als Tennisprofi, Frau und kritischer Zeitgeist her. "Das Schreiben hat mir geholfen, meine Gedanken besser zu strukturieren", erklärt "Petko": "Es ist jetzt weniger konfus in meinem Kopf, weniger eine Horrorshow. Es entspannt mich." Simona Halep dürfte zumindest gewarnt sein...