Nick Kyrgios und seine Mätzchen: Auch Roger Federer wundert sich

Von Ulrike Weinrich
Nick Kyrgios, Roger Federer
© getty

Er fluchte, er führte selbstzerstörerische Selbstgespräche, er schlug traumhafte Winner und er erlaubte sich unerklärliche Fehler: Nick Kyrgios war auch zum Auftakt der US Open...Nick Kyrgios. Doch über die Eskapaden des hochveranlagten Australiers wundert sich inzwischen auch Roger Federer.

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Das New Yorker Publikum ist bekannt für seine Vorliebe für das Außergewöhnliche. Wohl nirgends im Filzball-Universum lieben sie die Show so sehr wie im gleißenden Scheinwerferlicht von Flushing Meadows. Das fängt damit an, dass tanzende Zuschauer auf den Rängen nichts Besonderes sind - und hört damit auf, dass sie die Profis auf der größten aller Tennis-Bühnen manchmal anfeuern wie hierzulande die Fußball-Fan aus der Kurve ihre Rasenplatz-Helden.

Einen wie Nick Kyrgios, diesen genialen Ballvirtuosen, müssten sie hier eigentlich lieben. Eigentlich. Aber der 23-Jährige besitzt eben auch diese andere, diese ja fast schon masochistische Seite. Wenn sich die dann zeigt, wird aus dem 1,93-m-Schlaks mit den Ohrsteckern ein wandelndes Pulverfass mit Selbstzerstörungstrieb. Dann wirkt er lustlos, herablassend - einfach grenzenlos arrogant. Und das mögen sie gerade hier überhaupt nicht.

Kyrgios klagte: "I'm fucked, my legs are fucked. I'm cooked"

Die analysefreudigen Psychologen unter den Zuschauern jedenfalls werden beim Erstrunden-Auftritt des streitbaren Australiers am Dienstag bei den US Open ihre wahre Freude gehabt haben. Kyrgios fiel wieder einmal aus dem Rahmen. Oder wie Kritiker sagen: Er war er selbst. Nach gewonnenem ersten Satz gegen Radu Albot (Moldawien) begann das Elend.

Kyrgios litt sichtlich unter der großen Hitze. Wie im übrigen alle anderen an diesem extremen Tag mit Temperaturen von 42 Grad Celsius. Doch im Gegensatz zu seinen Kollegen machte der Weltranglisten-30. seinem Unmut mit drastischen Worten Luft. "I'm fucked, my legs are fucked. I'm cooked, I'm fucking done. I can't play," rief er gut hörbar während des zweiten Durchgangs in Richtung seiner Box.

Was übersetzt aus dem Kyrgios'schen so viel heißt wie: "Ich bin genervt, meine Beine wollen nicht mehr. Ich glühe, ich bin völlig fertig, ich kann nicht spielen."

Kyrgios, der Mann der Extreme, spielte dann doch, übertrieb es aber im neu eröffneten Louis Armstrong Stadium ab und an mit seinen Zauberschlägen - und war in einer Phase dann wieder so lustlos, dass er einen Schlag von Albot einfach so passieren ließ. "Ich brauche diese Mätzchen, um mich zu entspannen", sagte der Davis-Cup-Spieler nach der Night Session, die er dann doch mit 7:5, 2:6 6:4, 6:2 gewann.

Ein bitterer Nachgeschmack blieb trotzdem. Wie sooft bei ihm - leider! Sogar Roger Federer, der mögliche Kyrgios-Gegner in der dritten Runde, wurde nach seiner Meinung zum "Enfant terrible" gefragt. Und der Maestro sieht sogar Parallelen in Sachen Spielwitz. "Wir brauchen in gewisser Weise den Spaß, den Stoppball. Wir brauchen die Abwechslung. Aber er bringt es auf das nächste Level", äußerte sich Federer lobend über den Tweener-Spezialisten.

Federer wundert sich: "Es scheint immer extremer zu werden"

Doch komplett wollte der Grand-Slam-Rekordchampion den offenbar schwer Erziehbaren dann doch nicht verteidigen. Federer machte keinen Hehl daraus, dass er sich schon ein bisschen über den bis dato noch ausgebliebenen Reifeprozess des 23-Jährigen wundere. "Normalerweise wird man etwas ruhiger, wenn die Jahre als Teenager vorbei sind", meinte Federer, "aber bei ihm scheint es immer noch extremer zu werden. Was interessant ist."

Allerdings hat Federer, früher selbst ein explosiver Spieler, nicht vor, sich Kyrgios zur Seite zu nehmen und ihm ein paar weise Ratschläge mit auf den Weg zu geben. "Tief im Inneren weiß er selbst, was er zu tun hat", sagte der Schweizer über den ungestümen Hardhitter aus Canberra mit Zweitwohnsitz Bahamas. Bleibt zu hoffen, dass es so ist...!!!

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