Nach 2:13 Stunden verwandelte Cibulkova im neu eröffneten Louis Armstrong Stadium von Flushing Meadows ihren ersten Matchball und sorgte für eine Überraschung. Die Slowakin wurde letztlich für ihr risikoreiches Spiel belohnt, während Kerber in den entscheidenden Phasen etwas zu passiv wirkte.
Zwei Tage nach dem etwas zittrigen Dreisatzsieg gegen Johanna Larrsson (Schweden) zeigte sich die Kielerin zunächst hochkonzentriert und setzte immer wieder ihren gefürchteten Vorhand-Longlineschlag ein.
Eine enorme Intensität von Anfang an
Bei perfekten Bedingungen (25 Grad Celsius/56 Prozent Luftfeuchtigkeit) zeichnete sich die Partie von Beginn an durch eine enorme Intensität aus. Kerber war in das 13. Duell gegen die Weltranglisten-35. mit einer 7:5-Siegbilanz hineingegangen. Trotzdem hatte Cibulkova, das 1,61 Meter kleine Energiebündel ("Pocket Rocket"), gute Erinnerungen an Kerber.
Diese stand ihr gegenüber, als die Rechtshänderin aus Bratislava 2016 ihren bislang größten Erfolg feierte: Im Endspiel des WTA-Finals von Singapur besiegte Cibulkova damals die ausgepumpte Kerber und verpatzte der deutschen Nummer eins das famose Ende einer Traumsaison mit zwei Major-Titeln und der olympischen Silbermedaille.
Souveräner erster Satz von Kerber
Kerber nahm Cibulkova am Samstagmittag Ortszeit gleich das erste Aufschlagspiel ab, verpasste es aber dann, einen Breakball zur möglichen 3:0-Führung zu verwandeln. Die Slowakin, die die Angewohnheit hat, am Ball zu schnüffeln, war zunächst die aggressivere Spielerin, machte aber auch deutlich mehr leichte Fehler als ihre Kontrahentin.
Nach dem ersten Doppelfehler musste Kerber ihr Service erstmals zum 3:3 abgeben, holte sich allerdings wenig später mit einem Passierschlag das ominöse siebte Spiel. Nach 47 Minuten besiegelte ein Volley von Cibulkova ins Seitenaus den Satzgewinn für die Favoritin, die bis dato sieben "Unforced Errors" weniger (insgesamt 9) auf dem Konto hatte als ihre Gegnerin.
Schlechter Start von "Angie" in den zweiten Durchgang
Allerdings startete Kerber dann denkbar schlecht in den zweiten Durchgang und lief nach zwei kassierten Breaks einem 0:3-Rückstand hinterher. Nicht zuletzt, weil Cibulkova ihre Fehlerquote minimieren konnte und die dreimalige Major-Siegerin indes nicht genügend Gegenwehr zeigte. Dabei hätte sie nach dem geglückten Auftakt allen Grund gehabt, selbstbewusst in die Fortsetzung zu gehen.
Die 29-jährige Cibulkova, die in der zweiten Runde 3:19 Stunden kämpfen musste, um die Taiwanesin Su-Wei Hsieh in die Knie zu zwingen, nahm sich in der Folge immer wieder Zeit und versuchte Kerber, aus dem Rhythmus zu bringen. Später wurde sie sogar wegen Verzögerung verwarnt. Zwar kam die deutsche Nummer eins noch einmal auf 3:4 heran, doch "Domi" setzte immer wieder ihre Treibschläge ein - und wurde für ihr Risiko mit dem Gewinn von Satz zwei belohnt.
Boris Becker rät: "Mehr den Fight annehmen"
"Sie muss jetzt mehr den Fight annehmen", sagte Eurosport-Experte Boris Becker mit Blick auf die entscheidende Phase. Doch Cibulkova, Australian-Open-Finalistin von 2014, gelang das erste Break zum 3:1. Und sie gab weiter Gas von der Grundlinie, während "Angie" zu vorsichtig, ja fast ängstlich agierte. Besonders beim zweiten Aufschlag der Slowakin war sie zu verhalten.
Zwar konnte Kerber nach einem Re-Break auf 2:3 verkürzen, verlor dann aber zwei Spiele in Folge - und vermochte letztlich nichts mehr auszurichten. Enttäuscht verließ die Flushing-Meadows-Gewinnerin von 2016 den Court. Es wird sicher einige Zeit dauern, bis sie diese Niederlage verdaut haben wird.
"Ich brauche noch ein wenig, um runterzukommen und das Spiel zu analysieren. Heute konnte ich nicht mein bestes Tennis abrufen, wenn es darauf ankam. Ich hatte meine Chancen, war jedoch ein wenig zu passiv und konnte sie nicht nutzen. Solche Tage gibt es", sagte Kerber rund eine Stunde nach dem Matchball.
"Angie" und New York: "Immer dieses besondere Gefühl"
Dabei hatte Kerber auch in diesen Tagen wieder die Magie von New York gespürt. Kein Wunder, hier war ihr 2011 der krachende Durchbruch auf der größten aller Tennisbühnen geglückt: Mit ihrem ersten Einzug in ein Grand-Slam-Halbfinale, das sie in drei Sätzen gegen die spätere Turniersiegerin Samantha Stosur (Australien) verlor. Damals war Kerber die Nummer 92 der Welt - ein bis dato eher unbeschriebenes Blatt im bunten Circuit.
Fünf Jahre später der nächste Meilenstein im geliebten Big Apple: Die Linkshänderin erklomm durch ihren Finaleinzug 2016 als erste Deutsche nach Steffi Graf wieder die Spitze der Weltrangliste. Der Triumph zwei Tage später im Finale gegen Karolina Pliskova (Tschechien) war nicht nur Kerbers zweiter Major-Coup, sondern so etwas wie das Sahnehäubchen auf zwei unvergesslichen Wochen in der Stadt, die niemals schläft.
"Wenn ich hier bin, habe ich immer dieses besondere Gefühl", meinte "Angie". Diesmal endete die Mission in der dritten Runde.