Ein Festtag des Tennis

Roger Federer
© getty

Beim Wimbledon-Endspiel der Herren (JETZT im LIVETICKER) wird ein Auflauf der Prominenz erwartet. Roger Federer weiß: "Ich muss nur auf mich und den Sieg konzentriert sein." Nichts schwerer, nichts leichter als das.

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Es war ein leicht bizarrer Moment, früh in diesem Wimbledon-Turnier. Der Moment, in dem Roger Federer von einer "fürchterlichen Nervosität" erfasst wurde, einer Flatterhaftigkeit, die sonst nur Grünschnäbel auf dem Tennis-Grün kennen. In der zweiten Runde war das, gegen den Serben Dusan Lajovic. Federer sprach später davon, man könne es nie ganz in den Griff kriegen, das Lampenfieber vor einem großen Einsatz auf einer großen Bühne. Es passiere manchmal in Spielen, "wo man es selbst kaum erwartet". Und dann gehe man in ein Finale und sei "total cool, ohne Herzrasen oder Anspannung."

Wenn er heute zum größten Match seiner späten Karrierejahre auf den Centre Court in Wimbledon schreitet, gegen den Kroaten Marin Cilic, werden eine gesunde Portion Aufregung und milder Stress mit im Spiel sein. Alles andere wäre unnormal, es gehört zu diesem ultimativen Kampf dazu, dem Duell um die wichtigste Tennis-Krone. Aber Federer hat sich auch beruhigt in den letzten beiden Wochen, er ist sich seiner Sache sicher und sicherer geworden. Als er am Freitagabend auch das Halbfinale gegen den Tschechen Tomas Berdych ohne Satzverlust überstanden hatte, sagte er mit Blick auf den letzten Fall für Zwei in dieser Herren-Konkurrenz 2017: "Ich bin bereit." Bereit, das vielleicht größte Comeback in der Tennisgeschichte mit einem neuen Eintrag in die Geschichtsbücher zu veredeln: Der achte Wimbledon-Titel - er wäre wirklich auch die absolute Krönung in der Regentschaft des schweizerischen Rasen-Königs.

"Als wäre er nicht von dieser Welt"

Welche Wegstrecke hat er nun schon hinter sich, der Mann, der sich einst 2001 mit einem Achtelfinalsieg über Pete Sampras als kommender Star des Wanderzirkus ankündigte. Der 2003 seine erste Titelmission an der Church Road in London SW 19 vollendete, damals noch mit Haarzopf, Bart und ohne "Kinder, die mich nachts mal aufwecken wollen." Der dann bis zum Jahr 2007 ungeschlagen blieb, fünf Turniere lang. Der 2009 und 2012 wieder gewann, schon damals gegen viele Zweifler und Skeptiker. Und der nun mit Mitte Dreissig, mit vier Kindern und als glücklicher Familienvater, wieder in Schlagdistanz zum Sieg ist. Ganz der ewige Maestro, ganz der magische Roger Potter des Centre Courts. "Er spielt so, als wäre er nicht von dieser Welt", sagte Amerikas früherer Superstar John McEnroe zu Federers Auftritt im Hier und Jetzt, "wer kann schon gegen ihn wetten, wer rechnet noch mit einer Niederlage von ihm."

Wohl niemals ist der Abschied von den lokalen Helden und Matadoren in Wimbledon so leicht verschmerzt worden wie in diesem Jahr. Murray angeschlagen und frustriert raus aus dem Turnier, Johanna Konta gescheitert im Halbfinale gegen Venus Williams - es tut nicht viel zur Sache. Schließlich ist Federer noch dabei, der auch britische Darling, der universale Liebling, der globale Herzensbrecher des Sports. "Roger gehört irgendwie allen", sagt der schwedische Ex-Weltranglistenerste Mats Wilander, "er ist zum Phänomen geworden, zu einer fast übernatürlichen Erscheinung."

"Federer arbeitet an seinem Spiel wie kein anderer", sagt Boris Becker

Andererseits wissen gerade die ehemaligen Größen der Branche nur zu gut, welche sehr irdischen Anstrengungen es erfordert, in Federers Profialter mit den nachfolgenden Generationen mitzuhalten - mit Spielern, die fast schon seine Kinder sein könnten. "Er hat sich immer wieder neu erfunden. Und er arbeitet so effektiv an seinem Spiel und an seiner Fitness wie kein anderer", sagt Boris Becker, der dreimalige deutsche Wimbledon-Champion. Becker preist Federer auch für die Kunst des Verzichts: "Er hat als erster aus dieser Generation an der Spitze erkannt, wie sinnvoll es ist, seinen Terminkalender zu reduzieren. Sich immer wieder Zeit zur Regneration und zum Durchatmen zu geben."

Es wird ein Festtag des Tennis werden, dieser Endspieltag des Jahres 2017. Es wird ein Auflauf der Prominenz erwartet, vielleicht sogar Besuch aus der Königsfamilie. Federer sagt, er müsse das alles "komplett ausblenden", auch alles, "was mit diesem einen Spiel verbunden ist": "Ich muss nur auf mich und den Sieg konzentriert sein." Nichts schwerer, nichts leichter als das.

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