London. Er hat einiges an Prügel einstecken müssen in den letzten Tagen, der Wimbledon-Held vergangener Tage. Er bekam eine ordentliche Portion Häme und Spott ab, als vermeintlicher Finanz-Jongleur. Und die Pleite- und Bankrott-Schlagzeilen sind in der Welt, auch wenn Boris Becker inzwischen zum großen Return-Dementi ansetzte: Alles übertrieben, alles halb so schlimm. Es ist auch wirklich ganz und gar nicht schlimm, wenn man das erschütternde Schicksal betrachtet, das jenen Mann getroffen hat, mit dem sich Beckers Wege vor ziemlich genau 30 Jahren spektakulär kreuzten.
Peter Doohan ist sein Name, er ist der Spieler, der Beckers magischen Siegeslauf auf den grünen Tennisfeldern des All England Lawn Tennis and Croquet Clubs 1987 mit einem "Erdbeben-Sieg wie aus dem Nichts" (Telegraph) beendete, nach zwei Triumphmissionen des Deutschen in den Jahren 1985 und 1986 mit 15 ungeschlagenen Auftritten. Während Becker - Geldprobleme hin oder her - in diesen beiden laufenden Wimbledon-Wochen wieder am Schauplatz des größten Tennisturniers der Welt wirkt, als geschätzter TV-Kommentator und -Experte, ist Doohan (56) sterbenskrank. Er hat vermutlich nur noch wenige Wochen zu leben, Freunde sagen, er bereite sich daheim in Australien auf seinen baldigen Tod vor.
Cash erschüttert
Erst im Mai teilte Doohan Freunden und Bekannten und später dann auch der Öffentlichkeit in Australien mit, was ihm zuvor seine Ärzte als Diagnose mitgeteilt hatten: Er leide an Amyotropher Lateralsklerose, einer tückischen, unheilbaren Nervenkrankheit. An einer besonders schweren Form zudem. In einer E-Mail an den "Weekend Australian" beschrieb Doohan in den letzten Tagen ungeschminkt seinen Zustand so: "Die Krankheit hat mich sehr schnell geschwächt. Ich kann inzwischen nicht mehr sprechen. Meine Lebenserwartung ist sehr kurz." Er dankte auch noch der großen australischen Tennisgemeinde in Australien für ihre großartige Unterstützung, für alle Grüße, für alle guten Wünsche.
Einer derer, die sich sofort bei Doohan gemeldet und die ihn auch besucht hatten, war sein alter Freund Pat Cash. Wimbledon-Sieger des Jahres 1987, in jenem Jahr, in dem Doohan die Tenniswelt mit dem Sturz des amtierenden Champions Becker auf den Kopf gestellt hatte: "Ich empfinde große Trauer über Peters Schicksal. Ich war am Boden zerstört, als ich das hörte. Und ich bin auch jetzt noch verzweifelt", sagt Cash, der inzwischen für CNN eine regelmäßige Tennis-Show präsentiert und moderiert. Er werde immer eine besondere, außergewöhnliche Beziehung zu Doohan haben, sagt Cash: "Er half mir, Wimbledon zu gewinnen."
Wie ein Zauberer
Man kann sich heute kaum noch vorstellen, welche Reaktionen Beckers Niederlage gegen den Australier auslöste, seine unwahrscheinlichste Niederlage überhaupt. Becker galt als haushoher Favorit auf das Wimbledon-Triple, seitenweise wurde er zum "Herrscher im Hier und Jetzt und für die Zukunft" (Daily Mail) an der Church Road erklärt, der Times-Journalist Simon Barnes verstieg sich nach einem privaten Treffen mit Becker sogar zur Bemerkung, er fühle sich nun stark "genug, es mit dem Tod aufzunehmen und ihn zum Abendessen einzuladen", eine Anspielung auf den Moby Dick-Dichter Herman Melville.
Doch Beckers Zeit als Wimbledon-König lief ab gegen Doohan, die Nummer 67 der Weltranglite, er konnte nach verlorenem ersten Tiebreak-Satz nur noch zum 1:1 ausgleichen, danach ging es bergab mit ihm und den Hoffnungen seiner millionenstarken Fangemeinde. "Peter spielte wie ein Zauberer, er wußte immer schon vorher, was ich tat", lobte der Teenager damals seinen älteren Kollegen. Als ihm die "Beastie Boys" vom Londoner Boulevard nach der Pleite krumm kamen und ihn auch wieder mit Sexgeschichten konfrontierten ("Bonking Boris"), sprach Becker den berühmt gewordenen Satz: "Ich habe ein Tennisspiel verloren, nicht den Krieg."
Viele wunderbare Tage
Doohan, der Becker-Bezwinger ("The Becker Wrecker") an jenem Tag, erlebte niemals einen größeren Sieg. Und nie wieder größere Schlagzeilen. Aber er war auch kein One Hit-Wonder, er spielte viele Jahre sehr erfolgreich fürs australische Davis Cup-Team, er gewann Einzel- und Doppeltitel im Wanderzirkus. Er stand auch einmal im Doppelfinale der Australian Open. Doohan schrieb in einer Mail an einen Freund zuletzt: "Was für ein Leben hatte ich. Es gibt nichts zu bereuen." Und auch dies: "Ich bin nicht verbittert. Ich hatte so viele wunderbare Tage."