Kerber-Gegnerin Belinda Bencic mit 3:0 im Kopf

Belinda Bencic
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Belinda Bencic, die lange verletzte Schweizerin, spielt am Montag gegen Angelique Kerber im Achtelfinale von Wimbledon - und hat an die Deutsche ausschließlich gute Erinnerungen

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Von Jörg Allmeroth aus London

Am Donnerstag balancierte sie hart am Abgrund des Ausscheidens, es war sozusagen ein Flirt mit dem Wimbledon-Knockout gegen die Amerikanerin Alison Riske.

Ganz so spannend war es in der dritten Runde nicht für Belinda Bencic, aber es gab doch wieder einige Zittermomente vor dem Happy-End, vor dem nicht zwingend zu erwartenden Einzug ins Achtelfinale beim berühmtesten Tennisturnier der Welt: Erst trat Bencic mit spielerischer Leichtigkeit, hoher Konzentration und mächtiger Entschlossenheit gegen die Spanierin Carla Suarez-Navarro auf, schließlich brauchte sie aber vor allem Kampfgeist und Willenskraft, um sich nach einem Zwischentief zum 6:1, 7:6-Sieg durchzufighten. "Ich bin unheimlich erleichtert. Am Ende habe ich es mir selbst schwer gemacht, bin aber stolz, dass ich dann wieder stark zurückkam", sagte Bencic, die nach dem Triumphmoment erst Mal vor Freude auf die Knie sank und dann ein Stoßgebet zum blauen Himmel schickte.

Bencic mit weißer Weste gegen Kerber

Zum zweiten Mal rückte Bencic nun in ihrer noch jungen Karriere in die Runde der letzten 16 bei den Offenen Englischen Meisterschaften vor, 2015 war sie im Achtelfinale an der Weißrussin Victoria Azarenka gescheitert. Am Montag trifft sie auf die ehemalige Weltranglisten-Erste Angelique Kerber (Deutschland), gegen die sie alle bisherigen drei Matches gewonnen hat, zuletzt 2016 im Fed Cup-Duell in Leipzig. "Sie ist natürlich jetzt eine Spielerin, die auf einem anderen Level agiert. Aber ich freue mich auf das Spiel", sagte Bencic. Währenddessen ging im Damenwettbewerb das Favoritinnensterben munter weiter, denn auch die aktuelle Frontfrau Simona Halep musste sich nach einem Drei-Satz-Krimi gegen die Taiwanesin Hsieh Su-Wie aus Wimbledon verabschieden. Von den Top Ten ist nur noch die Tschechin Karolina Pliskova im Turnier verblieben.

Bencic war zunächst in diesem Spiel die klar beherrschende, treibende Kraft. In der brütenden Hitze auf Court 12, auf dem 35 Grad gemessen wurden, machte die 21-jährige sofort Druck, übernahm die Initiative und drängte Suarez-Navarro in die Verteidigung. Gegen die Präzision von Bencic, gegen ihre gute Mischung aus Kontrolle und Risiko war für die Spanierin wenig auszurichten, binnen weniger Minuten hatte sich die wiedererstarkte Schweizerin einen mutmachenden Vorsprung verschafft. Und nach kaum mehr als 20 Minuten war der erste Durchgang dann auch mit 6:1 für Bencic abgehakt - es war ein Auftritt ohne Fehl und Tadel bis dahin.

Spaß am Spiel zurückfinden

Angefeuert von ihrem neuen Trainer Vladimir Platenik und ihrer Familie, machte Bencic im zweiten Akt zunächst nahtlos da weiter, wo sie in der Startphase dieses Duells weitergemacht hatte. Für Suarez-Navarro ging alles zu schnell, der Sturm und Drang von Bencic, ihre Powerschläge, ihre selbstbewusst herausgespielten Punkte. Ruckzuck stand es wieder 3:0 für Bencic, die fast schon auf die Zielgerade des Matchs einzubiegen schien. Doch urplötzlich wurde die 23-jährige zu vorsichtig, zu zaghaft, zu zögerlich in ihren Aktionen, ganz so, als wolle sie ihren Vorsprung nur noch verwalten. Das nutzte Suarez-Navarro zu einer furiosen Aufholjagd, in deren Verlauf sie sogar einen Satzball zum 1:1-Ausgleich hatte. Eher glücklich rettete sich Bencic in den Tiebreak, fand aber im Augenblick der Bewährung zu mehr Mut und Courage. "Ich wollte das Match unbedingt beenden und nicht in einen dritten Satz", sagte sie später.

Der Achtelfinal-Vorstoß ist auch der erste größere Erfolgsmoment für Bencic und ihren neuen Coach Vladimir Platenik. Der Tscheche hatte zuvor u.a. Dominika Cibulkova und Daria Kasatkina trainiert und war auch in der Akademie von Hingis-Mutter Melanie Molitor in Wollerau tätig gewesen. "Für mich geht es vor allem darum, dass Belinda den Spaß am Spiel zurückfindet", sagt Platenik, "dann kommen auch die Siege wieder zurück." So wie jetzt in Wimbledon, wo die Reise durchs Turnier noch ein bisschen länger dauern kann, auch über das Achtelfinale hinaus.

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