Sie entsteht aus vollkommener Ruhe. Sie braucht Zeit. Zunächst plätschert sie nur vor sich hin. Man beachtet sie nicht und erfreut sich sogar an diesem wunderbaren Schauspiel der Natur. Alle Anzeichen einer Katastrophe werden bewusst und unbewusst ignoriert. Zielgerichtet und unaufhaltsam bahnt sie sich ihren Weg. Je größer sie wird, desto gewaltiger wird das Ausmaß der Zerstörung. Eine Welle wird aus ruhiger und freundlicher See zu einer unkontrollierbaren Naturgewalt. Nichts anderes geschieht mit einem Tennisspieler in den Fängen eines wichtigen Matches. Es ist nur die Frage, wie wuchtig die Welle in Form von Emotionen des Spielers wird - und wie zerstörerisch sie sich dann zeigt.
Eine Welle aus Emotionen - nicht zu vermeiden!
Auf dem Platz wird jeder Spieler mit seinen Emotionen konfrontiert. Diese Welle lässt sich nicht vermeiden - man kann aber lernen, sie zu verstehen. Tennisspieler gehen mit dieser Welle an Emotionen sehr verschieden um. Die einen futtern alles in sich hinein und verlieren sich in ihren negativen Gedanken so sehr, dass sie manchmal überhaupt nicht mehr wissen, wie überhaupt der Ergebnisstand im Satz lautet. Stattdessen sind sie in Gedanken damit beschäftigt sich zu erzählen, wie schwach sie spielen, dass sie ja schon immer wussten, dass sie keine Rückhand können und das die eigene Tenniskarriere ja eh besser in den Schrank gehört.
Andere Spieler wiederum brechen beim ersten Gewittertierchen, welches sich vor ihre Nase verirrt sobald sie Aufschlagen wollen, emotional komplett zusammen. Dann wird das kleine, unschuldige Gewittertierchen für die gesamte Performance des Spielers verantwortlich gemacht. Es ist nun mal immer leichter, die Schuld für die eigene schwache Leistung nicht bei sich, sondern bei Insekten, der schief stehenden Sonne, dem ständig drehendem Wind oder dem Platzwart zu suchen. Aber warum ist dem so? Wie kommt es, dass Tennisspieler auf dem Platz zu selbstzerstörerischem Verhalten neigen, obwohl sie nur eine Filzkugel verprügeln, die sich nicht mal wehren kann?
Verantwortung
Der durchschnittliche Tennisspieler neigt dazu, die Verantwortung für seine Leistung abzugeben. Dies gilt nicht nur für schwache, sondern auch für gute Leistungen. Ein Beispiel für das Abgeben von Verantwortung haben wir ein Stück weiter oben bereits besprochen. Der Platzfehler ist schuld, dass die Vorhand ins Aus ging. Der Ball versprang auf der T-Linie, deswegen wurde der Ball zu spät getroffen. Dies sind übliche Denkweisen, die allesamt die Verantwortung für den eigenen Fehler abgeben.
Verrückterweise geben viele Spieler aber auch für die eigenen starken Leistungen die Verantwortung komplett ab. Beispielsweise, weil in einem Aufschlagspiel zwei Punkte durch Netzroller entstanden sind. Auch die schwachen zweiten Aufschläge des Gegners sind gern ein Grund, warum man den Gegner breaken konnte. Wer die Verantwortung stets abgibt, der gibt auch seine Macht ab Einfluss auf die Dynamiken auf dem Tennisplatz zu haben. Man wird zur Marionette dieser ständig wechselnden Dynamiken während eines Matches. Das Gefühl der Hilflosigkeit macht sich im gesamten Körper breit. Jammern führt nie zu Lösungen. Lösungen führen aber immer am Jammertal vorbei.
Die volle Kontrolle
Anstatt die Kontrolle vom Schläger zu geben, hat jeder Spieler die Möglichkeit, die volle Verantwortung für all das, was ihm auf dem Platz geschieht, zu übernehmen. Diese Verantwortung ist immer an Probleme und Rückschläge gekoppelt. Und genau diese Probleme wollen immer vermieden werden. Dadurch entsteht die in diesem Artikel zu Beginn erwähnte Welle an Emotionen, die sich kaum kontrollieren lässt. Dann spielen die Emotionen den Satz zu Ende. Ziel des Spielers muss es aber sein diese Emotionen zu kontrollieren, bevor die Emotionen den Spieler selbst kontrollieren. Dies gelingt nur durch die Übernahme der vollen Verantwortung.
Wie kann diese Verantwortung auf dem Platz, inmitten der Schlacht mit sich selbst und dem Gegner, aussehen? Neben der grundsätzlichen Denkweise selbst verantwortlich zu sein und endlich damit aufzuhören seine Macht und Kontrolle an Insekten und den Platzwart abzugeben, hilft eine schnelle aber akribische Fehleranalyse.
Die Sonne, die Zuschauer, der Ball, die Linie - keine Entschuldigungen!
Diese Analyse bezieht sich immer auf sich selbst und niemals auf den Platz, die Sonne, den zu früh klatschenden Zuschauer oder den Ball, der auf der Linie wegrutschte. Wenn der defensive Slice des Gegners von der T-Linie rutscht und man nicht mehr richtig unter den Ball kommt ist nicht die Linie, sondern das eigene Reaktionsvermögen verbunden mit dem nicht ausreichend tiefen Körperschwerpunkt schuld am Fehler. Steht die Sonne ungünstig und man ist nach dem Aufschlag nicht mehr in der Lage klar zu sehen, weil die Sonne geblendet hat, ist nicht die Sonne schuld am leichten Rückhand-Fehler, sondern die eigene Unfähigkeit sich beim Aufschlag weit nach außen zu stellen, um den Ballwurf aus dem Bereich der Sonne zu nehmen.
Die Verantwortung selbst zu übernehmen und sich nicht vom Platzwart abhängig zu machen, ist beruhigend... oder nicht?