Auch auf den ersten Metern der neuen Saison haben sie sich schon wieder fest im Blick, die großen Rivalen des Centre Courts. Novak Djokovic, neuerdings die Nummer zwei der Weltrangliste. Und Andy Murray, nunmehr der Frontmann des Wanderzirkus, die Nummer eins. Als am Montagmittag in winterlicher Wüstenhitze der Termin für das offizielle PR-Foto des ATP-Turniers in Katars Metropole Doha anstand, posierten der Serbe und der Schotte natürlich gemeinsam mit dem noch zu vergebenden Siegerpokal. Beide, schon seit Kinder- und Jugendtagen Tennisgegner, lächelten tapfer in die Kameras, auch später, als sie ein paar Ballwechsel auf einem eigens installierten Platz vor dem ikonischen Bau des Islamischen Museums spielten.
Das prägende Duell auch im Jahr 2017?
Nicht nur in Doha wird einem aus dem Spitzenduo irgendwann in der Turnierwoche noch das Lachen vergehen: Denn wo immer die beiden Topleute in dieser angelaufenen Saison 2017 auch auftauchen werden, ringen sie in erklärter Favoritenposition auch um die Titel. Die Duellsituation Murray kontra Djokovic, das dürfte eine der leichteren Prognosen in der Tenniswelt im Hier und Jetzt sein, wird die kommenden Monate prägen - so wie es früher einmal der Zweikampf zwischen Roger Federer und Rafael Nadal war. Oder in noch früherer Zeit zwischen Pete Sampras und Andre Agassi oder zwischen Boris Becker und Stefan Edberg. "Andy ist jetzt die Nummer eins. Also auch der Mann, den es zu schlagen gilt", sagt Djokovic.
Man kann allerdings unschwer aus seiner Stimme heraushören, wie schwer es ihm fällt, die neue Wirklichkeit zu akzeptieren, schließlich war er noch vor ein paar Monaten seinerseits eine so einsame Nummer eins, dass sich schon gepflegte Langeweile bei Fans, Medien und selbst Turnierveranstaltern eingeschlichen hatte. "Djokovics brutales Regime", titelte noch nach dem French-Open-Triumph die englische "Daily Mail" über die Machtverhältnisse im globalen Herrentennis. Dann aber folgte der jähe, nicht restlos überraschende Einbruch Djokovics - in einem Moment der Erfolgssättigung, in einem Moment, in dem auch das letzte große Grand-Slam-Ziel in Paris erreicht war.
Murray bleibt wohl bis mindestens French Open die Nummer eins
Und es gab eben auch einen, der diesen Moment mit gnadenloser Präzision und Effizienz ausnutzte. Andy Murray, lange Zeit der erste Leidende unter Djokovics Dominanz, wurde zum Seriensieger und zur Nummer eins, mit der Bestätigung des Gipfelplatzes im allerletzten Saisonspiel, im Finale der ATP-WM in London. In Doha sagte Murray jetzt, die letzten Monate kämen ihm immer noch "wie ein Traum vor": "Es war einfach die perfekte Zeit. Unglaublich."
Doch was kommt nun, nach einer komplett zweigeteilten Saison 2016, in der Djokovic das erste halbe Jahr genau so unbarmherzig beherrschte wie Murray die zweite Hälfte? "Murray und Djokovic werden die beiden bestimmenden Persönlichkeiten bleiben", sagt Beobachter John McEnroe, "Murray wird aber erst mal die Nummer-eins-Position halten." Wobei das keine allzu gewagte Prophezeiung ist, denn bis zu den French Open muss Djokovic dicke Punktepolster aus dem Vorjahr verteidigen. Fast überall geht er als Titelverteidiger an den Start, so wie auch in Doha - hinzugewinnen kann er da nichts, sondern allenfalls mit Siegen dafür sorgen, dass Murray ihm nicht davon eilt.
Djokovics Motor stottert noch
Doch wie erfolgreich diese Aufholjagd sein wird, bleibt offen? Denn der unsicherere der beiden Kantonisten ist inzwischen eher Djokovic, nicht etwa der einst so launische, unwägbare Murray. Der Auftakt in Doha verlief eher schleppend für den 29-jährigen Belgrader, gegen Jan-Lennard Struff, den westfälischen Hünen, lag er im ersten Satz 1:5 im Hintertreffen, bevor er sich aufrappelte und noch zu einem mühseligen Arbeitssieg kam. "Der Motor stottert noch", sagte Djokovic später. Er muss allerdings schnell auf Touren kommen, erst recht in Melbourne, wo ihm solcher Schlendrian im Grand-Slam-Revier kaum verziehen wird. Dort, in Australien, wird er dann auch Boris Becker wiedertreffen, wenngleich in einer neuen Rolle. Becker ist dann nicht mehr sein Tennis-Einflüsterer, der Mann, der ihn auf Lage und Gegner einstellt. Sondern der TV-Experte (für Eurosport), der ihm nach einem Match öffentlich Fragen stellt und ihn aus der Distanz analysiert. "Ein bisschen lustig" werde das schon", findet Djokovic.
Und Murray, der Spitzenmann? Er kann weiter auf Ivan Lendl vertrauen, den bärbeißigen Supercoach, mit dem er in der zweiten Phase der gemeinsamen Arbeit so erfolgreich ist wie nie zuvor. Lendl ist nicht immer vor Ort bei Murrays Missionen, auch nicht in Doha diese Woche. Aber immer dann, wenn es richtig wichtig wird. Wie demnächst in Melbourne. Dort will Murray unbedingt gewinnen, zum ersten Mal überhaupt. Und am liebsten gegen seinen ewigen australischen Spielverderber Djokovic, der ihn dort allein schon vier Mal im Finale abserviert hat. "Der Titel dort", sagt Murray, "ist ein massives Ziel."
Das ATP-World-Tour-250-Turnier in Doha im Überblick