Tommy Haas schloss Roger Federer fest in die Arme, während Töchterchen Valentina auf der Tribüne vor Freude auf und ab hüpfte. In einem denkwürdigen Spiel kämpfte sich der 39 Jahre alte Teilzeit-Profi nicht nur ins Viertelfinale des Tennisturniers in Stuttgart. Er verdarb durch seinen überraschenden 2:6, 7:6 (10:8), 6:4-Sieg seinem guten Freund aus der Schweiz nach dessen zweimonatiger Ruhepause auch den Auftakt in die Rasensaison.
"Ich bin sprachlos. Gegen Roger zu spielen, ist immer etwas Besonderes. Es ist schwer, in Worte zu fassen", sagte Haas: "Man hat gesehen, dass bei uns beiden zeitweise die Nerven geflattert haben." Mit dem Achtelfinal-Erfolg gegen den topgesetzten Weltranglistenfünften fügte Haas seiner Abschiedstournee ein ganz besonderes Kapitel hinzu. Nach vier Schulteroperationen und dem vergangenen Jahr ohne Turnierteilnahme soll für die Nummer 302 der Welt Ende dieses Jahres Schluss sein.
Doch vorher feierte er seinen erst vierten Sieg im 17. Spiel gegen Federer, zuletzt hatte er ihn vor fünf Jahren im Finale der Gerry Weber Open im ostwestfälischen Halle geschlagen. Auf Haas wartet in seinem ersten ATP-Viertelfinale seit über drei Jahren nun ein alter Bekannter. Haas´ früherer Davis-Cup-Kollege Mischa Zverev (Hamburg/Nr. 6) gewann sein Achtelfinale gegen den Qualifikanten Yannick Hanfmann (Karlsruhe) 7:6 (7:1), 6:2. Letztmals war Haas im Mai 2014 in Rom auf der Tour unter die besten Acht gekommen.
Dabei sah es zunächst alles andere als gut für Haas aus. Federers Hunger war greifbar. Ein stabiler Aufschlag, Aggressivität am Netz und die malerische Rückhand: All das bekam Haas zu Beginn zu spüren. Nach nur 23 Minuten war der erste Satz beendet. Haas wehrte sich im zweiten Durchgang mehr und vereitelte im Tie-Break gar einen Matchball des Schweizers.
Irrwitziger dritter Satz
Mit seiner Familie im Rücken, Tochter Valentina war mit Haas´ Schwiegermutter am Dienstag angereist, spielte der gebürtige Hamburger einen irrwitzigen dritten Satz. Auf der Spitze des Stuttgarter Killesbergs, den vor Spielbeginn eine schier nicht enden wollende Menschenschlange geziert hatte, verwandelte der 39-Jährige nach 1:56 Stunden seinen zweiten Matchball.
"Ich bin nicht so geschockt, dass ich verloren habe. Ich wusste, dass ich gegen Tommy verlieren könnte", sagte Federer und lobte seinen Kumpel: "Er war zum Schluss auch besser. Wenn ich es jemandem gönne, dann Tommy."
Federer ist nach seiner Auszeit derweil noch nicht wieder ganz in der Form vom Jahresbeginn, als er bei den Australian Open seinen 18. Grand-Slam-Titel eingefahren hatte. Für die nötige Fitness auf dem Weg zum achten Wimbledon-Titel hatte er die komplette Sandplatzsaison sausen lassen. In Stuttgart ging es ihm vor allem um Matchpraxis, die muss er nun in der kommenden Woche im ostwestfälischen Halle sammeln.
Wie Haas erreichte indes Vorjahresfinalist Philipp Kohlschreiber (Augsburg) in der baden-württembergischen Landeshauptstadt das Viertelfinale. Der 33-Jährige gewann gegen den US-Amerikaner Steve Johnson (Nr. 5) mit 7:6 (7:3), 5:7, 7:6 (8:6) und trifft auf den Wildcard-Starter Lucas Pouille (Frankreich/Nr. 4), der den Warsteiner Jan-Lennard Struff 4:6, 7:6 (7:5), 7:6 (10:8) schlug.