Frankfurt. Es ist schon eine kleine Ewigkeit her, dass Dirk Hordorff öffentlich eine provozierende Frage stellte. Diese Frage lautete: "Was macht eigentlich ein Teamchef?" Das war im turbulenten Herbst 1999, auf dem Höhepunkt eines Machtkampfes, den der 61-jährige Bad Homburger Tennisfunktionär mit dem dreimaligen Wimbledon-Champion Boris Becker führte. Becker war damals Teamchef der deutschen Davis Cup-Mannschaft - und Hordorff sein größter Gegner. Irgendwann in den heftigen Scharmützeln waren sie in jenen Zeiten dann aber alle Verlierer, Hordorff gab sein Amt als Sportwart des DTB auf, Becker legte Ende 1999 seinen Job bei der Nationalmannschaft entnervt nieder.
Wie sich die Zeiten ändern können. Wenn der Deutsche Tennis Bund am Mittwoch zu einer Pressekonferenz in den ehrwürdigen Plenarsaal des Frankfurter Römers bittet, dann werden Becker und Hordorff einträchtig zusammen auf dem Podium sitzen. Die Eiszeit zwischen den früheren Streithähnen ist längst vorüber, man respektiert und schätzt sich durchaus. Und beide sind auch zentrale Figuren - bei der sicher spektakulärsten Personalrochade im deutschen Tennis in jüngerer Zeit. 16 Jahre und acht Monate nach seiner Demission nämlich wird Becker nun wieder eine wichtige und zentrale Rolle im nationalen Herrentennis einnehmen, darum geht es nicht nur, aber vor allem bei dem Medientermin mit "spannenden Neuigkeiten" (so die Ankündigung des Verbands). Becker und der DTB hatten über eine Zusammenarbeit bereits mehrfach in diesem Jahr gesprochen, Becker hatte auch schon öffentlich betont, dass er sich durchaus vorstellen könne, wieder für den Verband tätig zu werden, "in welcher Funktion auch immer."
Schon in Portugal dabei?
Hordorff gilt inzwischen als Fürsprecher des Champions, der DTB-Vizepräsident für den Leistungssport scheint es an vorderster Stelle gewesen zu sein, der zumindest an der Einfädelung des Deals mit dem 49-jährigen Meisterspieler beteiligt war. Offiziell bestätigt wird die Vereinbarung noch nicht von Hordorff ("Das ist reine Spekulation") und den DTB-Präsidiumskollegen, aber am Engagement Beckers bestehe kein Zweifel, verlautete aus dem Umfeld des Topmanagements des Verbandes. Becker werde in seiner Arbeit auch eine bedeutende Funktion beim Davis Cup-Team haben, hieß es. So darf man auch davon ausgehen, dass Becker schon bei der Davis-Cup-Relegationspartie im September in Portugal, bei der es wieder einmal um den dringend nötigen Verbleib in der Weltgruppe geht, zum Team stoßen wird. Becker könnte dann auch Aufgaben erledigen, die vorher Niki Pilic eingenommen hatte. Der frühere Erfolgscoach hatte sich jüngst von seiner Beraterposition zurückgezogen.
Beckers DTB-Einstieg ist keineswegs die einzige Personalie, die mit einem Knalleffekt daherkommt, kurz vor den US Open, dem letzten Grand Slam-Turnier der Saison 2013 (ab nächsten Montag): Denn nach gut zwölf Jahren als Chefin des deutschen Fed Cup-Teams wird nach Recherchen dieser Zeitung/Webseite auch Barbara Rittner eine neue Rolle übernehmen und sich aus der vordersten Front zurückziehen. Wer Rittner beerben soll, blieb dabei noch unbekannt.
Im Sommerloch verschwunden
Doch die sich abzeichnende Rückkehr Beckers zum DTB stellt natürlich auch das Wechselspielchen bei den Frauen etwas in den Hintergrund. Für ein paar Wochen war der einstige Nationalheld im Sommerloch verschwunden, nachdem ihn rund um das Wimbledon-Turnier das schrille Schlagzeilentheater um seine klammen Finanzen begleitet hatte. Nun taucht Becker wieder auf - mit einem sportlichen Paukenschlag, als neue, alte Galionsfigur, als jemand, der dem Herrentennis hierzulande weiteren Schwung und Energie und Leben einhauchen soll. Becker hatte seine Expertise schließlich zuletzt auch nach Ansicht der DTB-Spitzenleute eindrucksvoll als Trainer des früheren Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic und in seiner Rolle als Eurosport-Kommentator bewiesen. Becker soll für das deutsche Tennis und den DTB die Leuchtturm-Persönlichkeit sein, jemand, der die Marke Herrentennis persönlich prägt und attraktiver macht, der in einem neu aufgestellten DTB auch neue Strahlkraft bedeutet.
Becker könne mit seiner Präsenz auch dafür sorgen, dass ein kommender Superstar wie Alexander Zverev und ein vielversprechender Nachwuchsmann wie der 16-jährige Berliner Rudi Molleker für die deutsche Nationalmannschaft auflaufen. Allerdings kennt Becker auch aus seiner ersten Schaffensperiode, als Teamchef im Davis Cup, die Probleme mit den jüngeren Profis und ihrem Umfeld, damals mit Nicolas Kiefer und Tommy Haas. Im übrigen bemüht sich der DTB derzeit mit allen Kräften um eine Rückkehr des Ausnahmetalents Nicola Kuhn - der 17-jährige hatte zwar im Dezember 2015 die spanische Staatsbürgerschaft angenommen, sei aber nicht mehr glücklich mit dieser Entscheidung. Die Kombination Zverev, Molleker und Kuhn weckt kühne Zukunftsträume bei den Funktionären, es gibt auch die Vision einer noch einmal von Deutschland geprägten Davis Cup-Ära.
Brennendes Interesse
Gerüchte über eine mögliche Verpflichtung Beckers waren bereits am Rande der deutschen Erstrundenpartie gegen Belgien im Davis Cup aufgekommen, Mitte Februar. Doch Becker war damals in Frankfurt selbst zu weit in der Öffentlichkeit vorgeprescht, er hatte nach einem Gespräch mit den DTB-Funktionären später am Rande des Sportpresseballs eine mögliche Beschäftigung beim Verband selbst thematisiert - trotz verabredeter Diskretion in der Angelegenheit. Die Funktionäre waren irritiert, auch etwas pikiert, aber es änderte sich nichts am brennenden DTB-Interesse, Becker in ihre Dienste zurückzuholen. Becker war in den letzten Wochen immer wieder schon nah am Thema dran, bei Wild Card-Vergaben für deutsche Spieler bei deutschen Turnieren, bei Fragen rund um die Kaderaufstellung. "Er hat einfach großen Spass daran, für das deutsche Tennis zu arbeiten", sagt ein DTB-Insider.