Wie oft ist es dir schon passiert, dass du auf dem Platz von dir selbst enttäuscht warst? Wahrscheinlich schon häufig. Wie oft aber hast du aus deinen Enttäuschungen gelernt? Und etwas für dein nächstes Match mitgenommen? Dies wird weitaus seltener der Fall gewesen sein. Wenn du dich gedanklich auf ein Match vorbereitest, hast du ein genaues Ideal vor Augen. Du hast einen Plan, was du auf dem Platz zeigen willst - und was nicht. Du erwartest von dir selbst immer sehr viel, bist im Gegenzug aber nicht bereit, dir allzu viel zu verzeihen. Je weiter deine Performance dann im Match von deinem zuvor festgelegten Idealbild abweicht, desto frustrierter wirst du. Deine Toleranz dir selbst gegenüber ist nur minimal vorhanden. Deswegen ist es umso wichtiger, dass du nach einem Match rational das Geschehen analysieren kannst. Ohne dich zu verurteilen, aber auch ohne zu nett zu dir selbst zu sein.
Übernimm die volle Verantwortung!
Dein Gegner kann drei Klassen stärker als du gewesen sein. Das ist vollkommen legitim. Doch musst du die Verantwortung für deine Niederlage übernehmen und dir überlegen, was du hättest besser machen können. Wenn dein Gegner dir jede Vorhand um die Ohren gehauen hat, hatte dies wahrscheinlich einen Grund: Deine Grundschläge waren zu kurz. Dein Spin war nicht gemein genug. Oder du hast deinem Gegner ausnahmslos auf seine Vorhand gespielt, ohne überhaupt versucht zu haben, über seine Rückhand einen Ballwechsel aufzubauen. Es zählt nicht, dass dein Gegner stärker war. Es zählt, was du aus den Stärken deines Gegners in diesem Match für die Zukunft lernen kannst. Indem du die volle Verantwortung für deine Niederlage übernimmst, bekommst du einen vernünftigen Blick auf das Match und kannst beginnen, dieses zu analysieren.
Drei Fragen werden dir dabei helfen:
1) Auf welche Weise hat der Gegner die meisten Punkte gemacht? (Winner oder eigener Fehler?)
2) Auf welche Weise hast du deine meisten Punkte gemacht?
3) Was war die größte Stärke deines Gegners und was hast du gegen diese unternommen?
Das Verständnis
Ziel deiner Analyse sollte es sein, dass du verstehst, warum das Match so verlaufen ist, wie es verlaufen ist. Nehmen wir ein relativ simples Beispiel, um zu schauen, wie das Verstehen eines Matches aussehen kann.
Wenn Spieler A gegen Spieler B mit 6:1 und 6:2 verliert und sich anschließend ärgert und selbst verflucht, ist das keine Analyse. Spieler A kann nach dem Match sagen, dass er einfach nur schlecht gespielt und zu viele Fehler gemacht hat. Doch ist das zu oberflächlich und bringt Spieler A in seiner sportlichen Entwicklung keinen Schritt weiter. In diesem Fall würde das Verständnis fehlen. Das so wichtige Verständnis kommt dann durch die Analyse anhand von Fragen. Spieler B kann Spieler A mit seiner starken Vorhand dominiert haben. Spieler A hat vielleicht jeden ersten Ball, Aufschlag sowie auch den Return auf die starke Vorhand von Spieler B gespielt. Auch in den etwas längeren Ballwechseln spielte Spieler B wesentlich mehr Vorhand als Rückhand.
Die eigenen Punkte machte Spieler A dann nur, wenn Spieler B mit seiner Vorhand zu viel wollte und diesem Fehler unterliefen. Dadurch kamen die drei Spielgewinne beim 6:1 und 6:2 zustande. Spieler A ist im Match selbst aber nicht aufgefallen, dass Spieler B zu 80 % Vorhand spielen konnte. Die große Stärke des Gegners wäre ausfindig gemacht worden. Mit dieser Stärke konnte der Gegner die meisten Punkte im Match machen. Es bleibt der zweite Teil der dritten Frage: Was wurde gegen diese große Stärke unternommen? Spieler A fällt in unserem Beispiel erst bei seiner Analyse auf, dass sein Gegner ausschließlich mit der Vorhand diktieren konnte. Auf dem Platz war er zu sehr mit seinem eigenen Spiel und seinen Fehlern beschäftigt.
Lernen
Spieler A kann durch seine Analyse viel für die Zukunft und das nächste Match gegen Spieler B lernen. Spieler A konnte durch drei simple Fragen erkennen, wie das glatte 6:1 und 6:2 zustande gekommen war. Es lag nicht nur am schlicht zu starken Gegner und den eigenen leichten Fehlern. Die Ursache und die daraus entstandene Wirkung bringt Spieler A in seiner Entwicklung weiter. Im nächsten Match kann Spieler A darauf achten, die große Stärke des Gegners so früh wie möglich zu erkennen, um diese nicht zu oft anzuspielen. Stattdessen kann er die schwächere Seite anspielen und auf diese Weise der Gegner zu mehr Fehlern zwingen. Kann der Gegner mit seiner Stärke die Ballwechsel nicht dominieren, sinkt auch die eigene Fehlerquote von Spieler A.
Mit Liebe zum Detail lassen sich alle deine Matches, sei es Sieg oder Niederlage, analysieren. Es wird kein Match geben, aus dem du nichts lernen kannst. Natürlich ist der Lerneffekt bei einer Niederlage größer. Doch mit der besagten Liebe zum Detail wirst du auch bei deinen Erfolgen immer noch Möglichkeiten für deine spielerische Verbesserung finden. Viel Erfolg bei deiner nächsten Analyse!
Eine Analyse von Marco Kühn (tennis-insider.de).