Lukas muss bei seiner Führerscheinprüfung dem streng dreinblickenden Prüfer die verschiedenen Einstellungen des Lichts am Auto vorführen. Lukas ist in dieser Situation natürlich vollkommen auf sich allein gestellt, da sein Fahrlehrer nicht einmal die Mundwinkel verziehen oder mit den Augen rollen darf. Lukas wird es bereits beim Einschalten des Fernlichts schon wärmer in der Magengegend - allmählich steigt die Nervosität. Als er nicht mehr so recht weiter weiß, kommt ihm plötzlich ein Gedanke in den Kopf: "Moment, Papa ist das doch vorgestern alles mit mir durchgegangen. Was würde Papa jetzt an meiner Stelle tun und vor allem: sagen?"
Blitzschnell fliegen Lukas Bilder durch den Kopf, was sein Vater jetzt an seiner Stelle tun würde. Nach einem kurzen Zögern benennt Lukas problemlos dem Prüfer alle Lichter und besteht die Prüfung mit wesentlich ruhigerem Puls. Sein Vorbild, sein Vater, hat ihm in dieser wichtigen Situation geholfen. Und genau dies kann auch dein absolutes Vorbild, sei es Rafael Nadal, Roger Federer oder Maria Sharapova, für dich tun. Mitten in deinem Match, wenn du ebenso wie Lukas bei seiner Fahrprüfung ratlos bist.
Die Frage aller Fragen
Was würde dein Vorbild an deiner Stelle tun? Das ist die Frage, die du dir in deinem Match stellen kannst, wenn du selbst nicht mehr weißt, was du tun kannst. Du kannst dabei analytisch vorgehen und dir dein Wissen über dein Vorbild zunutze machen. Nehmen wir einmal an Roger Federer ist dein großes Vorbild. Da du auf eine bestimmte Weise emotional mit Federer verbunden bist, hast du unzählige Matches, Interviews, Reportagen und YouTube-Videos von Roger gesehen. Du hast also eine ganze Datenbank an Wissen in deinem Kopf, was Roger wann einmal getan hat.
Beispielsweise hat er gegen del Potro immer mal wieder einen kurzen Slice eingestreut, weil del Potro so groß ist und mit diesem Ball vielleicht mehr Probleme hat als ein Rafael Nadal. Auch einige wichtige Phrasen aus Interviews hängen noch bei dir im Kopf herum wie ein Steckbrief. Zum Beispiel wie Roger es schafft ständig gegen die Aufschlag-Giganten wie Milos Raonic und Ivo Karlovic zu bestehen. Satz- und Wortfetzen seiner Antwort kennst du noch: Roger sagte, dass er sich nichts aus deren Assen machen würde und einfach auf seine Chancen wartet, die sich immer im Match ergeben.
So hilft dir Roger auf dem Platz
Lass uns ins Detail gehen. Du spielst bei einem wichtigen Turnier dein Viertelfinale und bekommst nicht so recht ein Bein auf den Platz. Nachdem du dich in Form von ersten Wutausbrüchen ein wenig abreagiert hast, wird dein Geist wieder klarer. Beim Seitenwechsel sitzt du auf der Bank und überlegst, was Roger Federer jetzt an deiner Stelle tun würde. Du weißt, das Roger immer versucht ruhig zu bleiben und Lösungen zu finden, anstatt zu viel Energie in Meckern und Jammern zu investieren. Deswegen atmest du erstmal tief durch. Du wirst ruhiger und beschäftigst dich anschließend ausnahmsweise mal nicht mit dir - sondern mit deinem Gegner. Er ist groß, schlägt unglaublich gut auf und seine Grundschläge sind mächtig. Du weißt, dass Roger Federer gegen diese Gegner immer total entspannt bleibt.
Federer weiß um die Stärken dieser Gegner und macht sich nichts daraus, wenn es in zwei oder drei Spielen mal nichts zu holen gibt. Du machst dir also bewusst, dass es normal sein wird, dass dein Gegner dir den einen oder anderen Winner um die Ohren hauen wird. Aber ab jetzt ärgerst du dich nicht mehr darüber. Du bleibst stattdessen, ebenso wie Federer, entspannt und wartest geduldiger auf deine Chancen. Du hast deinen letzten Gedanken gerade zu Ende gedacht, da fällt dir ein, dass Federer immer mal wieder den Slice gegen diese Spielertypen einstreut. Du reflektierst kurz dein Match und dir fällt auf, dass du selbst bisher noch keinen einzigen Slice gespielt hast. Im weiteren Verlauf des Matches gelingt es dir dann die einzelnen "Federer-Elemente" in dein Spiel zu integrieren. Dein großes Vorbild, Roger Federer, hat dir bei deinem Match geholfen.
Fazit
Die Sicht eines anderen Spielers, in unserem Beispiel die deines Vorbilds, einzunehmen gibt dir völlig neue Perspektiven auf dein Match. Oft bist du wahrscheinlich wie festgefahren in deinen eigenen Gedanken. Du kennst sicherlich die mit den Schultern zuckenden Spieler, die hilflos ins Publikum schauen. Genau in diesen Momenten kann ein Perspektivenwechsel helfen. Auf dem Platz bist du allein. Du darfst aber totzdem deinen Kopf benutzen und diesen effektiv nutzen. Wenn du das nächste Mal ratlos auf der Bank beim Seitenwechsel sitzt frage doch einfach mal dein Vorbild um Rat.